Nach Entscheidung für Laschet als Kanzlerkandidat
CDU-Basis will mehr Beteiligung

Foto: Grafik: MSR/Olberding
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(tk/sla/jab/ts/bim/os). Der zweiwöchige Machtkampf zwischen CDU-Vorsitzendem Armin Laschet (60) und CDU-Chef Markus Söder (54), wer Kanzlerkandidat der Union bei der Bundestagswahl am 26. September wird, hat die Bürger gleichermaßen elektrisiert wie letztlich genervt. Nach dem Machtwort des CDU-Präsidiums soll nun Laschet ins Rennen um die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel gehen.
In vielen Berichten schien durch, dass die CDU-Basis in den Ortsvereinen wenig begeistert von Laschets Nominierung ist und lieber Söder als Kandidaten gesehen hätte. Wie ist die Stimmung an der Basis? Das WOCHENBLATT hat bei Ortsvereinsvorsitzenden in den Landkreisen Harburg und Stade nachgefragt. Man merkt: Es rumort bei der CDU.
• "Ich bin nicht zufrieden", sagt Alexander Krause (34), Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Buxtehude. Die Stimmung an der Basis habe für Söder gesprochen und "auf diese Stimmung hätte man hören können". Allerdings will Krause jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken. "Wir haben keinen schlechten Kandidaten", sagt er. Man dürfe nicht vergessen, dass sich Armin Laschet u.a. als CDU-Bundesvorsitzender gegen starke Konkurrenz durchgesetzt habe. "Laschet muss eine faire Chance bekommen, um zu zeigen, was er kann."
• Neu Wulmstorfs CDU-Vorsitzender Thomas Wilde ist froh, dass es endlich ein Ergebnis gibt. Das Verfahren zwischen Armin Laschet und Markus Söder als Kanzlerkandidaten sei für alle Beteiligten mehr schädlich als nützlich gewesen. "Jetzt haben wir eine klare Situation und können uns auf die wichtigen Themen wie die Pandemie und die dadurch schwierige Situation für die Wirtschaft konzentrieren", sagt Wilde. Bei der Entscheidung hätte er es allerdings begrüßt, wenn die Basis mehr eingebunden worden wäre. Wildes persönlicher Favorit waren weder Laschet noch Söder, sondern Norbert Röttgen. Der CDU-Außenexperte war aber schon bei der Kandidatur für den Parteivorsitz ausgeschieden.
• "Armin Laschet ist nicht mein präferierter Kandidat", erklärt Sophie Arps, Vorsitzende der CDU Buchholz. Viele Mitglieder hätten sich eher Söder gewünscht. Gleichwohl sei es ihre Hoffnung, dass die Union jetzt "bitte wieder geschlossen in eine Richtung marschiert und die Kandidatenfrage nicht bis in alle Ewigkeit neu thematisiert wird".
• Der Vorsitzende der CDU der Hansestadt Stade, Prof. Dr. Ing. Felix Kruse, sieht die Wahl von Laschet als vernünftig an: "Mein Kopf sagt Laschet, aber mein Herz hat er nicht gewonnen." Laschets Auftreten in der Corona-Krise sei weniger standfest und geradlinig gewesen als Söders. Kruse kritisiert den Ablauf der Nominierung: "Das war Alphatiergerangel!" Vielleicht sei man nach Jahren mit einer Frau an der Spitze auch einen typisch männlichen Machtkampf nicht mehr gewohnt. Das habe die Partei in den Umfragen nach hinten geworfen. Umso erfreuter ist er aber, dass sich die drei Kontrahenten Friedrich Merz, Markus Söder und Armin Laschet zum Wohl der Basis zusammentun wollen. "Der Start war schlecht, aber da kommt noch was", sagt Kruse.
• Die Vorsitzende der CDU Seevetal, Sybille Kahnenbley, erwartet von dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet, dass er die unterschiedlichen Lager in der Union vereint. Das Verfahren zur Kanzlerkandidatur in der Union habe sich zu einem öffentlichen Spektakel entwickelt, dass bei Bürgern der Eindruck entstanden sei, die CDU stehe für Streit. "In Zukunft müssen wir uns überlegen, die CDU-Mitglieder stärker bei den Entscheidungen zu beteiligen", sagt Sybille Kahnenbley.
• Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion im Landkreis Harburg und Bürgermeister der Gemeinde Wenzendorf, Manfred Cohrs, sagt klar: "Ich halte Armin Laschet für den besseren der beiden Kandidaten. Die positiven Umfragewerte, die für Söder ausgelegt wurden, greifen für mich nicht. Umfragen geben immer nur ein Stimmungsbild wieder. Ich glaube, dass Laschet qualifiziert ist, Kanzler zu werden." Er werde - wie zu Beginn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel - unterschätzt. Aber Laschet müsse sich auch beweisen. "Ich denke, dass wir einen Richtungswahlkampf bekommen, und bin gespannt auf das Wahlprogramm." Derzeit würden sich die Programme der Grünen und der CDU kaum noch unterscheiden, u.a. beim Klimaschutz und im Sozialen. "Wichtig ist, das jeder sein Profil schärft", findet Cohrs.
• Der Winsener CDU-Landtagsabgeordnete André Bock war von der langen und teilweise ruppigen Diskussion bis zu einer Entscheidung selbst genervt. "Ich hätte mir Söder gewünscht, der wohl mehr Schwung gebracht hätte, dies muss Laschet jetzt beweisen", sagt Bock. "Jetzt wird aber nach vorne geschaut und der Wahlkampf vorbereitet. Gleichwohl wird der ganze Prozess intern noch einmal aufzuarbeiten sein, was auch bereits angefangen hat, sodass beim nächsten Mal auch die Stimme jedes einzelnen Mitglieds auch bei dieser zentralen Frage Gewicht bekommt." Aber das Ziel heiße jetzt: Bundestagswahl gewinnen, Kanzler stellen. "Deutschland braucht einen an Regierungsarbeit erfahrenen Kanzler, gerade jetzt", unterstreicht Bock.

AUF EIN WORT

Vergiftetes Friedensangebot von Markus Söder

Zwei Wochen haben sich CDU-Vorsitzender Armin Laschet (60) und CSU-Chef Markus Söder (54) öffentlich die Köpfe eingeschlagen, wer Bundeskanzlerkandidat der Union werden soll. Allianzen wurden geschmiedet, der jeweils andere durch gezielte verbale Nadelstiche diskreditiert. Jetzt hat die große Schwesterpartei ein Machtwort gesprochen und sich im Parteivorstand mehrheitlich hinter Laschet gestellt. Alles ist wieder gut, gemeinsam marschiert man in Richtung Bundestagswahl am 26. September. So einfach ist das? Eben nicht!
Zu offensichtlich ist es, dass die vermeintliche Geschlossenheit in Wahrheit nur ein Burgfrieden auf Zeit ist. Gerade Söder fordert Einheit und lebt sie nicht. Zu vergiftet ist sein Friedensangebot, fortan mit aller Kraft Laschet zu unterstützen. Sein zitiertes "Alea iacta est" (die Würfel sind gefallen, Anm. d. Red.) ist nicht etwa ein Zeichen der Unterstützung. Es steht für eine von Cäsar im Jahr 49 v. Chr. begangene Gesetzesübertretung, die in einem Bürgerkrieg gipfelte. Und wenn sich Söder "gerade bei den Jungen, den Modernen, bei denen, die auf Zukunft aus sind" in den Reihen der CDU für deren Unterstützung bedankt, dann signalisiert der Franke, ein ausgesprochener Taktiker und Machtmensch, auch noch, dass Laschet für die Vergangenheit und ein "Weiter so!" steht. Und das in einer Phase, in der sich viele Menschen durchaus Gedanken machen, ob 16 Jahre Kanzlerschaft einer Partei nicht genug sind und es Zeit für einen politischen Wechsel ist. Dabei verkennt Söder das Standing der CSU bei den Wählern auf Bundesebene. Hand aufs Herz: Wird irgendwer außerhalb Bayerns einen Bundes-Verkehrsminister der Christsozialen vermissen?
Ich kritisiere nicht, dass die Union zwischen zwei Kandidaten entscheidet, das ist gut und wichtig für die Demokratie. Ich kritisiere den Weg zur Nominierung. Die Grünen haben gezeigt, wie man es auch lösen kann. Hinter den Kulissen diskutieren, nach außen Geschlossenheit demonstrieren. Die schnell von CDU, aber auch von der SPD, geäußerte Kritik, die Nominierung der Grünen von Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin sei in kleiner Runde undemokratisch zustande gekommen, greift für mich nicht: Die Grünen-Basis kann die Entscheidung noch rückgängig machen.
Auf die CDU wartet in den kommenden Monaten eine Mammutaufgabe. Sie muss die Reihen schließen, ein Wahlprogramm mit der wichtigen Frage formulieren, wie es nach der Corona-Krise in Deutschland weitergehen soll, und beginnen, auf lokaler Ebene die Werbetrommel für die eigenen Direktkandidaten und Laschet als Merkel-Nachfolger zu rühren. Wie schwierig es ist, auch nur die eigenen Wähler zu mobilisieren, bekamen die Christdemokraten vor zwei Wochen bei der Samtgemeinde-Bürgermeisterwahl in Jesteburg schmerzhaft zu spüren. Es ist nicht gottgegeben, dass CDU-Kandidaten automatisch auch gewählt werden.
Was den Christdemokraten Mut machen kann: Laschet ist ein typisches Stehauf-Männchen und wird von vielen wegen seiner vermeintlich weichen Art unterschätzt. Niemand traute ihm im Jahr 2017 den Sieg bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gegen die populäre Amtsinhaberin Hannelore Kraft (SPD) zu - er gewann. Laschet ging als Außenseiter in die Wahl zum CDU-Vorsitzenden gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen - er gewann. Jetzt trotzte er erfolgreich dem Frontalangriff von Markus Söder. Es bleibt die entscheidende Frage: Wie viel Vertrauen hat das Macht-Hickhack bei den eigenen Mitgliedern und den Wählern gekostet? Und wie einig tritt die Union im politischen Wettstreit mit den Gegenkandidaten Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) wirklich auf? Oliver Sander

Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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