"Da kommt mir die Galle hoch"
Weiter viele kritischen Reaktionen auf Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes an Dieselbesitzer
(os). Der Brief des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) an bundesweit 1,5 Millionen Besitzer von Dieselfahrzeugen der Marken BMW, Mercedes und VW, in dem die Bundesbehörde indirekt Werbung für den Umtausch von Euro-4- sowie Euro-5-Dieseln in neuere Fahrzeuge macht (das WOCHENBLATT berichtete), sorgt weiter für Unverständnis bei den Bürgern.
Das WOCHENBLATT hatte seine Leserinnen und Leser um ihre Einschätzung gebeten. "Was uns die Politiker und die Wirtschaft eingebrockt haben, sollen wir Bürger nun auf unsere Kosten ausbaden. Das ist zu viel! Was ist das für eine Rechtsauslegung?", fragt Leserin Ilona Vietze. Die Bürger nähmen zu viele Entscheidungen der Politiker ohne zu murren hin. "Die Politiker sollten ihr Handeln nicht auf die Spitze treiben, sondern aus den Negativbeispielen Erkenntnisse erlangen. Wen können wir bei der nächsten Wahl noch wählen?", so Ilona Vietze.
• Dr. Horst W. Wucherpfennig aus Eyendorf (Landkreis Harburg) schreibt: "Bei aller Diskussion über Diesel-Fahrzeuge darf man nicht vergessen, dass es das KBA war, das im Namen der Bundesregierung die angeblich oder tatsächlich so schädlichen Diesel-Fahrzeuge in Deutschland für den öffentlichen Straßenverkehr nach eingehender Prüfung zugelassen hat." Wenn diese Zulassung zurückgezogen werde, sei in erster Linie das Zulassungsamt bzw. die öffentliche Hand wegen erteilter falscher Genehmigung in der Pflicht und nicht der Käufer der zugelassenen Fahrzeuge. Für ihn sei das ganze Theater Ausdruck eines "nicht erklärten Wirtschaftskrieges", so Wucherpfennig.
• "Es ist unfassbar, dass sich eine Bundesbehörde unter dem Vorwand der Umweltverbesserung zum Verkaufsagenten der Autoindustrie missbrauchen lässt", kritisiert Michael Peters aus Buchholz. Es sei deutlich, dass die Aktion von Bundes-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) angeordnet wurde. "Damit hat er sich, wie einige seiner Vorgänger, einen lukrativen Job bei der Autoindustrie nach der politischen Karriere gesichert", erklärt Peters.
• Das im Schreiben des KBA benannte Tauschprogramm sei lediglich für die Autohersteller attraktiv, aber nicht für einen Autobesitzer, der auf einem hohen Wertverlust sitzen bleibt, den er unverschuldet zu ertragen hat, erklärt Wolfgang Böckenholt aus Tespe: "Ich bewerte das Schreiben des KBA nicht als Information, sondern als Beihilfe im Versuch, die betroffenen Autobesitzer, egal welcher Fabrikate, auf den Leim zu bringen. Einfach unglaublich."
• Lars Bolduan aus Düdenbüttel (Landkreis Stade) rechnet vor: "Ich fahre einen BMW 325 Diesel, Baujahr Oktober 2010. Mit der Laufleistung hat das Auto noch einen Wert von circa 13.000 Euro laut Internetplattform. Der BMW-Händler bietet 9.000 Euro für das Auto plus 1.500 Euro Umtauschprämie (laut KBA-Schreiben 4.500 Euro). Ich müsste aber über 48.000 Euro investieren, um ein neues, gleichwertiges Auto zu kaufen. Wie denkt sich unsere Politik das? Da kommt mir die Galle hoch."
• "Das Schreiben ist eine Verhöhnung des Souveräns, nämlich der Wähler und Steuerzahler in diesem Land", kritisiert Melf vom Lehn. Habe Andreas Scheuer nicht in seinem Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volk anzuwenden. "Und wenn er das geschworen hat, hat er sich dann nicht eines vorsätzlichen Dienstvergehens durch Unterlassen schuldig gemacht?", fragt Melf von Lehn. Die Politik der Rücksichtnahme auf die Automobilindustrie führe zu einer Strukturkrise, indem der Druck für Innovationen im Motoren- und Automobilbau ausgeblieben sei.
• "Warum bessern die Hersteller nicht einfach mit vorhandener Hardware nach?", fragt Carsten Fischer aus Stelle. Bei den 1,5 Millionen Adressaten würde das 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro kosten. "Aus meiner Sicht ein Schnäppchen, wenn man das mit den Strafzahlungen und Umtauschaktionen in den USA vergleicht", so Fischer. "Es ist eine Schande für die Automobilindustrie, ihren ureigenen Absatzmarkt Deutschland und den deutschen Autofahrer so verarschen zu wollen. Die Politik, insbesondere unser Verkehrsminister, wird die Reaktionen bei der nächsten Wahl hoffentlich deutlich zu spüren bekommen."
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Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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