Jonas Becker, Vorsitzender der Jungen Union Landkreis Harburg, äußert sich zum Youtube-Video von "Rezo"
"Der Umgang ist schwierig"
(os). Das Video des Youtubers "Rezo", in dem er u.a. die "Zerstörung der CDU" fordert, sorgt derzeit für besonders heftige Diskussionen in Deutschland. Darf man so seine Meinung im Internet äußern? Gibt es Grenzen? Dazu hat Jonas Becker (20), Vorsitzender der Jungen Union im Landkreis Harburg, einen offenen Brief geschrieben. Das WOCHENBLATT stellt ihn zur Diskussion und druckt ihn weitgehend im Wortlaut:
"Gegen das Video könnte man inhaltlich argumentieren, aber ich möchte lieber über ein gesamtgesellschaftliches Problem sprechen, das sich durch dieses Video zeigt. Meine Beobachtungen: Heute gucken Teenager keine 'Tagesthemen' oder 'Heute-Journal', man liest keine 'Zeit' oder 'Welt', sondern man schaut 'Netflix', 'YouTube' und ist auf 'Snapchat' und 'Instagram'. Plattformen, auf denen es selbst die Online-Angebote der digital erfolgreichen Medien vergleichsweise schwer haben.
Youtuber und Instagrammer werden nicht umsonst 'Influencer' genannt, ihr Einfluss auf junge Menschen ist enorm. Am besten kann man das an den steigenden Werbeausgaben in diesem Bereich sehen. Junge Menschen identifizieren sich mit Youtubern, wie 'BibisBeautyPalace' oder eben 'Rezo'. Sie sind 'Normalos' aus der Community, die über die Plattform bekannt wurden und nun reisen, coole Geschenke bekommen, viel Freizeit haben und Filmstars treffen. Teenager wollen so werden wie ihre Vorbilder.
In dem viel diskutierten und millionenfach geklickten Video des 26-jährigen 'Rezo' nimmt er die CDU und die SPD so richtig auseinander. Nach dem Motto: Die Parteien da, die machen bewusst unsere Welt kaputt, handeln gegen die Aussagen der Wissenschaft, machen nur Politik für Reiche und unterstützen die USA, für die Krieg wie ein Hobby sei.
Und er macht das überzeugend. Apodiktisches Sprechen, auf den ersten Blick wissenschaftliche Belege und Grafiken, hervorgerufene Emotionen wie Wut, Hass und Unverständnis, unterlegt immer wieder mit Musik, damit auch der dümmste Zuschauer noch weiß, was er gerade fühlen soll, und dann ergibt das auch alles noch Sinn. Nach 55 Minuten denken die 14-jährigen Zuschauer, die ihren Liebling eigentlich nur aufgrund seiner Unterhaltungsvideos Marke 'Wir laufen zu zweit in Handschellen den ganzen Tag durch die Wohnung und gehen zusammen auf Toilette' gucken, diese zerstörerischen und 'verbrecherischen' Parteien werde ich nie wählen (#NieWiederCDU).
Aber ist es das, was wir wollen? Ein reines populistisches 'Hate-Video', bei dem vorgegeben wird, das einseitig Gesagte sei die Wahrheit, andere Argumente, wenn sie denn überhaupt genannt werden, seien schlicht falsch und Politiker irrationale Verbrecher. Nein! Das ist sehr gefährlich!
Seine inhaltliche Kritik ist durchaus berechtigt, es gibt gute Argumente für seine Meinung. Eine kritische Betrachtung, besonders von jungen Menschen, ist wünschenswert. Aber sollte man nicht, vor allem bei einer solchen Reichweite, auch die Gegenseite erwähnen, die komplexe Welt nicht in Schwarz-Weiß darstellen, eben nicht nur einen ausgesuchten Teil der Probleme und Themen zeigen?
Statistiken und Forschungen, die nicht in seine Argumentation passen, werden gar nicht erwähnt. Für seine Argumentation nutzt er hingegen z.T. Aussagen und Statistiken, die wie eine Collage zusammengefügt wurden und aus dem Kontext gerissen sind. Es fehlt 'Rezo' offenbar an journalistischem Handwerkszeug sowie an Gespür, welch große Verantwortung er mit einer solchen Reichweite hat.
Wie man damit nun umgehen soll, ist schwierig. Ein Video, das mit gleichem Stil und gleichem Niveau die Gegenseite aufzeigt, in 'Wir-zerstören-die-linke-und-grüne-Politik'-Manier, kann nicht der Anspruch sein.
Natürlich brauchen wir Meinungspluralismus in einer Demokratie, aber in der politischen Diskussion sollten auch die Gegenpositionen dargestellt werden, sodass sich der Medienkonsument eine eigene Meinung bilden kann, anstatt nur die Meinung des Herausgebers zu kennen. Doch diesen Weg geht 'Rezo' nicht und jungen Menschen gefällt das, ohne zu hinterfragen.
So stellen sich viele neue gesamtgesellschaftliche Fragen: Wie können wir junge Menschen für solch populistisch-undifferenzierte Videos sensibilisieren? Brauchen wir dazu vielleicht einen verstärkten Medienunterricht in den Schulen, in dem die kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit Medien noch weiter geschärft wird? Wie müssen die öffentlich-rechtlichen Medien und etablierte Printmedien damit umgehen?
Ein Video: Viele neue Fragen, die wir diskutieren müssen!"
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Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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