Ehrenamtliche Lokalpolitiker zunehmend Hass- und Drohmails ausgesetzt
Druck auf Ratsmitglieder
(os/sv). Ein Meilenstein: Die Straßenausbaubeitragssatzung (STRABS) wurde in der Gemeinde Hanstedt abgeschafft. Nach einem jahrelangen Kampf ist das ein klarer Sieg für die Gegner der STRABS. Doch für einige Ratsmitglieder hat die Entscheidung einen bitteren Beigeschmack.
"Uns sind zwei Kandidatinnen für die Kommunalwahl im September aufgrund des ausgeübten Drucks abgesprungen", kritisierte Lars Heuer (SPD) die Vorgehensweise der STRABS-Gegner. Dass die Bürgerplattform ihre Stellungnahmen an jeden im Rat und in der Verwaltung geschickt habe, könne er noch nachvollziehen, doch die Flugblätter an jeder Stelle in Hanstedt aufzuhängen und auf allen Social-Media-Kanälen zu posten, halte er für unangemessen. "Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass wir Ratsmitglieder hier alle ehrenamtlich arbeiten. Es kann nicht sein, dass sich Kandidaten und Kandidatinnen nicht sicher genug fühlen, ihr Amt auszuüben und dass sich manch einer im Rat nicht traut, den Mund aufzumachen."
Von dem Druck nicht beeinflussen ließ sich Rossella Leonforte von den Unabhängigen Nordheide Stimmen (UNS). Sie stimmte als eine von drei Ratsmitgliedern gegen die Abschaffung der STRABS. "Ich bin mit Anrufen bombardiert worden, in denen mir angedroht wurde, dass ich nicht wiedergewählt werde, sollte ich gegen die Abschaffung stimmen. Das fand ich nicht in Ordnung", berichtete Rossella Leonforte.
Hanstedts Bürgermeister Gerhard Schierhorn (UNS) versicherte den Rückhalt von Gemeinde und Verwaltung, an die Betroffene solche Vorkommnisse zukünftig sofort melden sollten. "Wir sind hier in über drei Jahren trotz unterschiedlichster Meinungen unglaublich geduldig im Rat miteinander umgegangen", sagte Schierhorn. "Wir engagieren uns ehrenamtlich und da finde ich es völlig unangemessen, dass von außen ein derartiger Druck auf unsere Ratsmitglieder ausgeübt wird." Nicht jeder habe ein dickes Fell und gerade für Ehrenamtliche, die sich neu im Rat oder den Ausschüssen engagieren wollten, sei das eine vollkommen unangebrachte und abschreckende Umgangsweise. Er appellierte daher an das - an dem Abend sehr große - Publikum, das eigene Verhalten zu reflektieren.
Monika Schünemann von der Bürgerplattform wusste im Gespräch mit dem WOCHENBLATT nichts von unter Druck setzenden Anrufen: "Natürlich haben wir mit den einzelnen Ratsmitgliedern über unser Anliegen gesprochen, aber wir haben keine Grenzen übertreten."
• Auch Gabriele Wenker (Foto) kritisiert die zunehmende Verrohung der Sitten, in und außerhalb der lokalen Parlamente. "Während in der Vergangenheit politischer Streit im Wesentlichen darum ging, unterschiedliche politische Vorstellungen, Ansichten und Meinungen umzusetzen, wurden in den letzten fünf Jahren auch persönliche Angriffe unterhalb der Gürtellinie in diesem Rat möglich", kritisierte die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen bei ihrer Abschiedsrede aus dem Buchholzer Stadtrat. In diesem hatte Wenker fast 25 Jahre gesessen.
Unterstützt worden seien diese persönlichen und teilweise sexistischen Angriffe neuer Ratsmitglieder von dutzenden anonymen E-Mails voller Schmähungen, Drohungen und Diskreditierungen durch Bürgerinnen und Bürger, berichtete Gabriele Wenker.
Hier sollten gezielt Menschen eingeschüchtert und von einer Kandidatur für die Räte abgehalten werden. "Wenn das gelänge, hätten wir im Ergebnis ausschließlich dickfellige Menschen im Rat, die entweder auf gleicher Linie zurückkeilen oder die sich von nichts mehr berühren lassen, weil ihnen alles egal ist", betonte Wenker. Umso besser könnten Demokratiefeinde ihre Agenda vorantreiben. "Das dürfen wir uns als Demokratinnen und Demokraten nicht gefallen lassen, denn Demokratie lebt von Mitmachen und Beteiligung. Das kommunalpolitische Ehrenamt eines Ratsmitglieds hat eine zentrale Bedeutung für die gelebte Demokratie vor Ort."
Redakteur:Svenja Adamski aus Buchholz |
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