Sprötze
Ein Dorf wehrt sich gegen Pläne der Bahn
Wenn die Deutsche Bahn in einen Bahnhof investiert, ist das eine gute Sache - sollte man meinen. Anders sieht man das im Buchholzer Ortsteil Sprötze. Der dortige Bahnhof soll einen Fahrstuhl erhalten, den die Gemeinde-Politik nicht will. Aus guten Gründen: Der Aufzug würde in der Unterführung viel Platz wegnehmen, der Aufgang würde verkleinert. Außerdem sind die Fahrstühle an Bahnhöfen bekanntermaßen extrem störanfällig, mit hohen Wartungs- und Reparaturkosten. In Buchholz und Tostedt sind diese mindestens in den vergangenen 18 Jahren immer wieder durch Unzuverlässigkeit aufgefallen (das WOCHENBLATT berichtete mehrfach).
Rückblick
Gemäß einer Dokumentation des Bahn-Enthusiasten Burkhard Thiel mit dem Titel "Ziel Bahnhof" erhielt Sprötze im Jahr 1891 einen Haltepunkt an der Eisenbahnstrecke Richtung Hamburg. Ab 1908 wurde die Strecke zweigleisig ausgebaut. 1921 wurde das alte Stationsgebäude durch das noch heute existierende Gebäude ersetzt. Dabei entstanden auch der Personentunnel und ein Ladegleis mit Ladestraße. 1986 erhielt der Abschnitt ein drittes Streckengleis. 1991 verkaufte die Gemeinde das Empfangsgebäude an die Stadt Buchholz.
Zuletzt wurde der Bahnhof im Jahr 2007 mit EU-Mitteln modernisiert. "Als damals die Rampe gebaut wurde, hielt der Metronom noch auf Gleis 1", berichten Bürgermeisterin Heidemarie Micheel und ihr Stellvertreter Gerd Ulrich. Doch inzwischen hält der Metronom auf dem mittleren Gleis 2, das wegen der Treppe keinen behindertengerechten Zugang hat. Dank der Initiative von Gerd Ulrich in seiner damaligen Funktion als Bürgermeister wurde daher ein Schrägaufzug installiert, um Rollstuhlfahrern den Zugang zu Gleis 2 zu ermöglichen. "Er sollte auch von Leuten mit Kinderwagen, schwerem Gepäck und mit Fahrrädern nutzbar sein. Aber das entsprach nicht den Vorgaben", bedauert er. Zudem wurde wegen des Schrägfahrstuhls die Rille zum Schieben der Fahrräder nicht mehr genehmigt.
Bahnmanagement brachte Fahrstuhl ins Spiel
Nun habe das Bahnmanagement den Fahrstuhl ins Spiel gebracht. "Wir haben vor rund einem Jahr schon vier Varianten gesehen, zwei mit Lift, zwei mit Rampen. Wir schlugen die günstige Rampenlösung im Vernehmen mit der Stadt Buchholz vor. Anfang Juni erfuhren wir dann, dass man sich seitens des Bahnmanagements für den Fahrstuhl entschieden hat. Da sind wir aus allen Wolken gefallen", sagt Heidemarie Micheel.
"Man muss sich das Szenario vorstellen, dass nachts jemand mit dem Rollstuhl hier ankommt und der Fahrstuhl funktioniert nicht", ergänzt Gerd Ulrich. So ist es im Übrigen auch vor ein paar Jahren einer Handeloherin am Bahnhof in Buchholz geschehen, die ohne die Hilfsbereitschaft anderer Passagiere wohl auf dem Bahnsteig hätte übernachten müssen. In Tostedt musste mehrfach die Feuerwehr anrücken, um in den Fahrstühlen festsitzende Menschen - auch bei hochsommerlichen Temperaturen, was bei einer Frau fast zum Kollaps geführt hätte - zu befreien. Da die Dienstleister der Bahn in Bremen sitzen, kann es dauern, bis ein Servicetechniker vor Ort ist.
Zumindest nach dem Austausch der beiden Fahrstühle am Tostedter Bahnhof habe sich die Situation etwas entspannt. Es gebe deutlich weniger Ausfälle. Die Situation sei aber noch nicht so, "wie man es sich wünscht", sagt Tostedts Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Peter Dörsam.
Geplanter Standort ist der tiefste Punkt
Der geplante Standort des Aufzugs am Sprötzer Bahnhof im Tunnel sei topografisch der tiefste Punkt. Bei Starkregen und belaubter Entwässerungsrinne könne das Wasser in den Fahrstuhl laufen.
Die Bahn argumentiere, dass der Fahrstuhl günstiger sei und dass bei einer der Rampenlösungen ein Strommast versetzt werden müsste. Bürgermeisterin Heidemarie Micheel und ihr Stellvertreter Gerd Ulrich haben jedenfalls interveniert und u.a. das Tiefbauamt der Stadt Buchholz, die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen und den Fahrgastbeirat sowie alle Verantwortlichen eingeschaltet.
Das sagt die Deutsche Bahn
"Die Deutsche Bahn (DB) hat die Stadt während des Planungsprozesses immer mit eingebunden und so wird es auch künftig sein. Welche Modernisierungsmaßnahmen umgesetzt werden, ist ein gemeinsamer Entscheidungsprozess. Dieser läuft noch und ist noch nicht abgeschlossen", erläutert ein Bahnsprecher auf WOCHENBLATT-Anfrage. Er bittet um Verständnis, dass sich der Konzern derzeit nicht zu Details äußern könne.
Grundsätzlich seien technische und wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, weshalb ebenfalls die LNVG als Aufgabenträger sowie das Bahnhofsmanagement als Bauherr an der Entscheidung beteiligt würden. "Neben der Variante mit Fahrstuhl wurde auch eine Lösung mit Rampe untersucht. Technisch wäre diese möglich und sie besitzt – wie jede andere Variante – Vor- und Nachteile. Diese werden der Gemeinde noch vorgestellt. Die DB versucht den Wünschen aller nachzukommen; bei vielen Projektbeteiligten sind aber grundsätzlich immer auch Kompromisse erforderlich", so der DB-Sprecher.
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