Interview mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann
FDP plädiert für Lieferung schwerer Waffen für die Ukraine
Eigentlich sollte die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, am kommenden Dienstag in Buchholz zum Thema "Wie schaffen wir wieder Frieden in Europa?" sprechen. Wegen einer Corona-Erkrankung musste Strack-Zimmermann den Termin aber absagen. Zuvor nahm die Verteidigungsexpertin der Freidemokraten im Interview mit dem WOCHENBLATT u.a. Stellung zum Ukraine-Krieg.
WOCHENBLATT: Sie fordern lauter als andere Politikerinnen und Politiker Lieferungen auch schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine. Kann Deutschland sich das überhaupt leisten, ohne irgendwann die Streitkraft der Bundeswehr zu gefährden?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Es gibt keine stichhaltigen Argumente mehr, um die Ukraine nicht zu unterstützen und ihr schwere Waffen vorzuenthalten. Die ukrainische Armee hat in beeindruckender Weise gezeigt, dass sie in der Lage ist, westliches Militärgerät äußerst schnell zu adaptieren. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln. Die Ukraine entscheidet, was sie benötigt, um den brutalen russischen Angriff zurückzudrängen. Wir dürfen nie vergessen: In der Ukraine wird gerade auch unsere Freiheit und unser Frieden verteidigt. Das nicht zu unterstützen, wäre fahrlässig.
WOCHENBLATT: Ist die Unterstützung denn nicht da?
Strack-Zimmermann: Die Linie, die das Bundesverteidigungsministerium derzeit fährt, nämlich, dass alles von der Bundeswehr geliefert werde, was möglich ist, teilen wir als Freie Demokraten ausdrücklich nicht. Deutschland fokussiert sich wie kein anderes westliches Land, trotz der akuten Lage in der Ukraine, darauf, bloß alle NATO-Verpflichtungen irgendwie zu erfüllen, obwohl es zu Lasten der Ukraine geht.
Auch die amerikanische Botschafterin in Berlin hat uns explizit aufgefordert, weiter zu liefern. Das war deutlich genug, um sofort geschützte Fahrzeuge, den Transportpanzer Fuchs, den Schützenpanzer Marder oder auch den Kampfpanzer Leopard 2 zu liefern. Beides wird dringend gebraucht. Deutschland muss in Europa vorangehen. Das ist kein Alleingang oder mangelnde Abstimmung, das ist der Wunsch der Partner. Wer diesen Wunsch anders interpretiert, geht an der Wirklichkeit vorbei.
Ich teile übrigens die Ansicht von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass der Ukraine jetzt sofort weiter geholfen werden muss und nicht die Waffen in den Depots der NATO-Partner durchgezählt gehören. Das wird endlich auch im Kanzleramt und im Ministerium gehört werden müssen.
WOCHENBLATT: Ihr Parteikollege, Bundesfinanzminister Christian Lindner, drängt auf Einhaltung der Schuldenbremse ab 2023. Ist das vor dem Hintergrund der milliardenschweren Rettungspakete und der Unsicherheit z.B. im Energiesektor realistisch?
Strack-Zimmermann: Die Bundesregierung muss die finanzpolitische Stabilität unseres Landes erhalten. Die Geldentwertung führt zu steigenden Zinsen, auch für den Staat. Und wenn wir weiter uferlos Schulden für alles aufnehmen, müssten wir schon in absehbarer Zukunft die Steuern erhöhen oder staatliche Ausgaben streichen, ganz einfach deshalb, weil dann Einnahmen und Ausgaben aufgrund von Tilgung und Zinsen, die wir für die Kredite bezahlen müssen, nicht mehr zusammenpassen.
Die Schulden, die wir aufnehmen, sind kein Geschenk, sondern müssen von den Steuerzahlerinnen und -zahlern beglichen werden. Wir leihen uns aus der Zukunft Handlungsfähigkeit - nur um heute Begehrlichkeiten nachzugeben. Diesen gefährlichen Mechanismus müssen wir begrenzen.
WOCHENBLATT: Bei der Landtagswahl in Niedersachsen im Jahr 2017 erreichte die FDP 7,5 Prozent. Befürchten Sie, dass die FDP bei der Landtagswahl am 9. Oktober als Teil der Ampelregierung in Richtung Fünf-Prozent-Hürde rutschen könnte - immerhin gibt es in Deutschland oft den Reflex, die jeweils amtierende Regierung abzustrafen?
Strack-Zimmermann: Staatspolitische Verantwortung und die Regierungsunfähigkeit einer total zerstrittenen und nach 16 Jahren Kanzlerschaft ausgelaugten CDU/CSU haben zur Ampel geführt. Natürlich ist die Situation in so einer Konstellation mit zwei linken und einer liberalen Partei nicht immer einfach für uns. Die FDP ist in der Ampel, um gegenwärtig Gutes zu bewirken und Verschwendung zu verhindern. Wir wollen, dass mit dem erfahrenen Stefan Birkner auch in Niedersachsen aus der politischen Mitte heraus regiert wird. Und darauf setzen wir bis zum Wahltag. (os).
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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