Neuausschreibung für Betrieb von Flüchtlingsunterkünften
Flüchtlingshelfer warnen: Vermeidbare soziale Probleme

Auch in der Flüchtlingsunterkunft An Boerns Soll in Buchholz werden Bewohner von Sozialarbeitern betreut | Foto: bim
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(os). Die noch bis zum 23. Dezember laufende Ausschreibung durch den Landkreis Harburg zum Betrieb von Flüchtlingsheimen sorgt bei ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern für Entsetzen. Grund ist die geplante Stellenkürzung von Sozialarbeitern. "Diese Planungen gehen komplett an der aktuellen Realität der Geflüchteten und ihren Bedarfen vorbei", erklären Cornelia Meyer und Hannelore Schade vom Netzwerk "Willkommen in Neu Wulmstorf".
Für 21 Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Harburg ist der Betrieb neu ausgeschrieben, die Verträge für fünf weitere Unterkünfte laufen noch. Laut Ausschreibung soll der Personalschlüssel pro Bewohner für die Sozialarbeiter geändert werden. Vor allem für größere Unterkünfte werde das zu einer Verschlechterung der Betreuung führen, befürchtet Hannelore Schade. Für Unterkünfte ab einer Größe von 91 Bewohnern sind z. B. zwei Heimleiterstellen à 40 Wochenstunden vorgesehen, aber nur noch 0,375 Stellen (=15 Wochenstunden) für das sogenannte "Sozialmanagement". "Wir halten das für deutlich zu wenig, da die Integration der Flüchtlinge ja noch lange nicht abgeschlossen ist", betont Schade. Beide Unterkünfte in Neu Wulmstorf mit jeweils mehr als 100 Plätzen wären betroffen.
Das Netzwerk "Willkommen in Neu Wulmstorf" fordert, die Stunden der Sozialarbeiter nicht zu reduzieren. Nur weil Geflüchtete zum Teil seit drei Jahren oder länger in Deutschland leben, seien sie keinesfalls sämtlich gut integriert und selbstständig, sondern benötigten weiter professionelle Unterstützung, betonen Cornelia Meyer und Hannelore Schade. Das seien vor allem jene Flüchtlinge, die sich seit Jahren im Klageverfahren gegen ihren negativen Bescheid befinden oder die zwar eine Duldung haben, aber nicht arbeiten dürfen.
Laut Ausschreibung sollen die Heimleiter künftig auch Aufgaben der Sozialarbeiter übernehmen. Das Netzwerk "Willkommen in Neu Wulmstorf" bezweifelt, dass Heimleiter das umsetzen können. "Fundierte Informationen zum weit gefächerten und in den letzten Jahren immer weiter ausdifferenzierten und sich stetig verändernden Ausländerrecht oder auch Sozialrecht können sie genauso wenig geben wie psychische Krankheiten erkennen oder professionell deeskalieren", betonen Meyer und Schade. Ihr Fazit: Eine langfristige Integration der Geflüchteten in die deutsche Gesellschaft werde ohne professionelle Betreuung erschwert und schaffe auf Dauer gesellschaftliche Probleme, die vermeidbar wären.
Die SPD-Kreistagsfraktion hat sich des Themas angenommen und einen Fragenkatalog an die Kreisverwaltung geschickt. U. a. wollen die Sozialdemokraten wissen, nach welchen Gesichtspunkten die Betreuungszeiten festgelegt wurden, durch welche Entwicklungen die Reduzierung der Sozialarbeiterstunden begründet sei und welche finanziellen Auswirkungen sich für den Landkreis Harburg ergeben. Hintergrund: Der Landkreis Harburg gab in diesem Jahr für den Betrieb der Flüchtlingsunterkünfte, die Betreuung und andere Kosten rund 23,6 Millionen Euro aus. "Ich finde es schade, wenn das Prozedere der Ausschreibung für Irritationen sorgt", erklärt SPD-Fraktionsvorsitzender Tobias Handtke. Er hätte es besser gefunden, wenn die Kreisverwaltung die Ausschreibung nicht als Akt der laufenden Verwaltung begriffen hätte, sondern die Praktiker der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe in die Vorbereitung integriert hätte. "Hier hat der Verwaltung das Fingerspitzengefühl gefehlt", kritisiert Handtke.
Sozialdezernent Reiner Kaminski informierte im nicht öffentlich tagenden Kreisausschuss über die Ausschreibung. Er versprach, dass der Landkreis für eine ausreichende Betreuung für die Flüchtlinge sorgen wolle. Weitere Details nannte der Landkreis Harburg auf WOCHENBLATT-Nachfrage mit Hinweis auf das laufende Ausschreibungsverfahren nicht.

Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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