"Wir haben eine hervorragende Bilanz"
Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister im WOCHENBLATT-Gespräch

Redaktionsgespräch: Ministerpräsident David McAllister mit WOCHENBLATT-Geschäftsführer Stephan Schrader (li.) und Verleger Martin Schrader | Foto: Foto: mi
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WOCHENBLATT: Für welches politische Ziel haben Sie sich richtig ins Zeug gelegt?
David McAllister: Diese CDU-geführte Landesregierung hat eine hervorragende Bilanz: Wir haben das zweithöchste Wirtschaftswachstum in Deutschland, die geringste Arbeitslosigkeit seit 20 Jahren und sind auf dem Weg, 2017 den ersten Haushalt ohne neue Schulden in der Niedersächsischen Geschichte vorzulegen. Die erfolgreiche Arbeit von CDU und FDP möchte ich nach dem 20. Januar sehr gerne als Ministerpräsident fortsetzen und bitte daher bei der Landtagswahl um beide Stimmen für die CDU.
WOCHENBLATT Die SPD überschreibt ihr „Regierungsprogramm 2013 – 2018“ mit dem Slogan „Anpacken – Besser machen“ und wirft der CDU/FDP unter anderem vor, den demographischen Wandel verschlafen – und eine gerechte Förderung der Regionen versäumt zu haben. Ist das so?
David McAllister: Der Vorwurf ist absurd. Niedersachsen ist ein großes Flächenland. Ziel der Landesregierung ist es, alle Landesteile so zu fördern, dass die Menschen davon profitieren. In Niedersachsen verläuft die Dynamik der demografischen Entwicklung regional sehr unterschiedlich. Für den demografischen Wandel gibt es keine Einheitslösung und kein Patentrezept. Die Niedersächsische Landesregierung hat deshalb das „Handlungskonzept demografischer Wandel“ gemeinsam mit allen wichtigen gesellschaftlichen Gruppen aus ganz Niedersachsen erarbeitet. Das Konzept gibt Antworten auf Fragen, wie wir den zukünftigen Fachkräftebedarf decken, die Daseinsfürsorge im ländlichen Raum sicherstellen, Infrastrukturen anpassen, die hohe Qualität unserer Bildung gewährleisten und bessere Rahmenbedingungen für Familien schaffen können. Wir werden zu diesem Thema eine ressortübergreifende Lenkungsgruppe einrichten und die Ergebnisse des Handlungskonzepts mit den gesellschaftlichen Gruppen, Verbänden und den Bürgern kontinuierlich fortschreiben.
WOCHENBLATT Die CDU/FDP-Koalition hat mit der Einführung der Oberschule ebenfalls Abschied vom dreigliedrigen Schulsystem  genommen. Warum hat sie nicht die Integrierte Gesamtschule (IGS) zur Regelschule gemacht?
David McAllister: Die neue Oberschule ist ein großer Erfolg. Im aktuellen Schuljahr gibt es bereits 215 Oberschulen bei uns in Niedersachsen. Der Vorwurf, die Landesregierung behindere neue Gesamtschulen, ist schlicht falsch. Keine andere Landesregierung hat so viele neue Gesamtschulen genehmigt wie die jetzige – insgesamt 41 in den vergangenen Jahren. Das sind mehr als zu Regierungszeiten der SPD. Mir ist schulpolitische Vielfalt wichtig. Hauptschule, Realschule, Oberschule, Kooperative – und Integrative Gesamtschule oder Gymnasium: Die Eltern sollen entscheiden, welche Schulform die beste für ihre Kinder ist. SPD und Grüne wollen die Einheitsschule für alle. Das ist mit mir nicht zu machen.
WOCHENBLATT: Der Landtag hat mit den Stimmen von CDU/FDP ein Haushaltsgesetz verabschiedet, das vorsieht, dass das Land Niedersachsen ab 2017 ohne Neuverschuldung auskommen soll. Der Bund der Steuerzahler fordert, die Neuverschuldung bereits deutlich vorher auf Null zu bringen. Warum geht das nicht?
David McAllister: Vor unserer Regierungsübernahme 2003 lag die Neuverschuldung bei drei Milliarden Euro. Das war Negativrekord. Seitdem haben wir Jahr für Jahr die Neuverschuldung zurückgefahren – mit Ausnahme der Krisenjahre 2009 und 2010, als wir die Konjunkturprogramme mitfinanziert haben. Seit 2011 sinkt die Nettokreditaufnahme wieder. Wir machen immer weniger neue Schulden, in 2012 waren es 720 Millionen Euro und in 2013 werden es 620 Millionen Euro sein. 2017 wollen wir den ersten Haushalt ohne neue Schulden in der Geschichte Niedersachsens vorlegen.
WOCHENBLATT: Der Hamburger Hafen ist zweitgrößter Arbeitgeber für Niedersachsen und für die Landkreise Harburg und Stade von immenser Bedeutung. Welche Auswirkungen hat in diesem Zusammenhang der Bau des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven?
David McAllister: Der Jade-Weser-Port (JWP) ist der einzige deutsche Tiefwasserhafen. Die Eröffnung im letzten Jahr ist gut für die wirtschaftliche Entwicklung in ganz Norddeutschland. Der Containerumschlag in den europäischen Nordsee-Häfen wird in den kommenden Jahren um jährlich rund vier Prozent zunehmen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Seeverkehrs-Prognose des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik aus Bremen. Somit ergänzt der JWP sinnvoll die Häfen in Hamburg und Bremerhaven und ist nicht in erster Linie Konkurrenz. Wichtig vor allem: Der Hafen ist pünktlich und im Kostenrahmen fertig geworden. Das unterscheidet den JWP von anderen Großprojekten in Deutschland – beispielsweise dem Flughafen in Berlin oder dem Bahnhof in Stuttgart.
WOCHENBLATT: Die Fertigstellung der A26  Stade-Hamburg gestaltet sich zäh, der Bau der A20 (Küstenautobahn) mit der Elbquerung bei Drochtersen kommt nicht so recht voran. Wo hakt es?
David McAllister: Der Ausbau der A26 und der Bau der A20 haben für die Landesregierung eine herausragende Bedeutung. Aktuell hat der Bund im Dezember die notwendigen Gelder für den Bau des dritten Abschnitts der A26 von Buxtehude nach Rübke bewilligt. Der zweite Abschnitt von Horneburg bis Buxtehude befindet sich bereits im Bau und zwischen Stade und Horneburg fließt seit Oktober 2008 der Verkehr. Auf den weiteren Abschnitten von Rübke bis Hamburg-Moorburg bzw. Drochtersen bis Stade haben die Planfeststellungsverfahren begonnen. Bei der Küstenautobahn A20 treibt das Land die Planungen ebenfalls konsequent voran. Dort läuft für den Abschnitt bei Bremervörde seit September 2012 das Planfeststellungsverfahren. Dort erwarte ich in der zweiten Jahreshälfte einen entsprechenden Beschluss.
WOCHENBLATT: Was kann die Landesregierung tun, um die Situation der Pendler im Landkreis Harburg durch den Bau von S-Bahn-Strecken zu verbessern? (Tostedt-Hamburg / Lüneburg-Hamburg)
David McAllister: Der Wunsch der Pendler ist vollkommen nachvollziehbar. Aufgrund der angespannten Situation vor Ort ist es dringend erforderlich, den Verkehrsknotenpunkt Hamburg zu ertüchtigen. Wir müssen unbedingt einen besseren Schienenpersonennahverkehr südlich von Hamburg organisieren. Dazu brauchen wir vor allem mehr Züge und einen besseren Fahrtakt. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass sich die politischen Gremien der Metropolregion Hamburg mit den Vor- und Nachteilen der S-Bahn-Verlängerung und den Finanzierungsmöglichkeiten einer Machbarkeitsstudie befassen. Niedersachsen hat den Ausbau des Knoten Hamburg für die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans 2015-2030 als Projektvorschlag eingebracht. Außerdem hat das Engagement der Landesregierung dazu beigetragen, dass das dritte Gleis zwischen Stelle und Lüneburg aktuell gebaut wird. Die Inbetriebnahme soll schrittweise bis 2015 erfolgen. Insgesamt werden hier 300 Millionen Euro investiert.
WOCHENBLATT: Mit der Leuphana Universität in Lüneburg, der Hochschule 21 in Buxtehude und der Zukunftswerkstatt in Buchholz hat die Süderelbe-Region drei wegweisende Bildungsstätten, die von der Wirtschaft maßgeblich gefördert werden. Ein Zukunftsmodell?
David McAllister: Die Leuphana Universität in Lüneburg, die Zukunftswerkstatt Buchholz und die Hochschule 21 in Buxtehude sind gute Beispiele dafür, wie hervorragend Bildungsträger in Niedersachsen mit der örtlichen Wirtschaft vernetzt sind. Das sind allesamt erfolgreiche Zukunftsmodelle. Nur zwei Beispiele: Die Universität Lüneburg kooperiert in Gemeinschaftsprojekten zur regionalen Wirtschaftsförderung mit mehr als 200 Unternehmen aus dem Umland Lüneburgs und ist ein regionaler Wachstumsmotor. Und an der Hochschule 21 arbeiten 700 Studenten mit über 450 Partnerunternehmen eindrucksvoll zusammen.
WOCHENBLATT: Die Situation der öffentlichen Krankenhäuser an der Landesgrenze zu Hamburg ist schwierig. In der Hansestadt werden von den Kassen deutlich höhere Fallpauschalen gezahlt, zudem werben die privaten Hamburger Klinikbetreiber um Patienten aus den angrenzenden niedersächsischen Landkreisen. Kann das Land helfen?
David McAllister: Richtig ist, dass der für die Fallpauschalen entscheidende Landesbasisfallwert in Niedersachsen gegenwärtig immer noch niedriger ist als in anderen Ländern. Die Höhe der Pauschale wird jeweils zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern verhandelt – das Land hat hier keine Einflussmöglichkeiten. Gut ist, dass der Basisfallwert für Niedersachsen zum 1. September 2012 gestiegen ist. Das bedeutet Mehreinnahmen für die niedersächsischen Krankenhäuser in Höhe von rund 25,3 Millionen Euro. Am 14. Januar 2013 haben sich die Vertragspartner auf eine weitere Erhöhung des Landesbasisfallwerts verständigt.
WOCHENBLATT: Grundsätzlich gilt: Die Landesregierung hat die Krankenhäuser in Niedersachsen in großem Umfang gefördert und beispielsweise die jährliche Pauschalförderung ab 2012 um 15 Millionen auf jetzt 108 Millionen Euro erhöht. Für Krankenhausinvestitionen hat die Landesregierung allein im vergangenen Jahr insgesamt 128 Millionen Euro bereit gestellt.
WOCHENBLATT: Sie werden in ihrer Partei als Hoffnungsträger für ein großes Amt in Berlin gehandelt. Wenn die Wahl in Niedersachsen wegen der Schwäche der FDP verloren gehen sollte, welche Ziele verfolgen Sie?
David McAllister: Mein Ziel ist, dass die CDU am 20. Januar klar stärkste Kraft in Niedersachsen wird. Die Chancen sind sehr gut. Die FDP wird den Sprung in den Landtag schaffen. Da bin ich mir sehr sicher. Diese Landesregierung möchte ihren bewährten Erfolgskurs fortsetzen. Dafür bitte ich die Niedersachsen um ihr Vertrauen.

Redakteur:

Reinhard Schrader aus Buchholz

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