Buchholz
Professor wehrt sich gegen AfD-Pamphlet
Dr. Oliver Rump stellt Anzeige wegen Verleumdung und Bedrohung
os. Buchholz. Die Hochglanzbroschüre, in der scharf gegen die antifaschistische Begegnungsstätte "Heideruh" in Buchholz geschossen wird (das WOCHENBLATT berichtete), ist jetzt ein Fall für die Ermittlungsbehörden: Prof. Dr. Oliver Rump, dem in dem 40-Seiten-Werk ein Kapitel gewidmet ist, hat bei der Polizei Buchholz Anzeige gegen unbekannt wegen Verleumdung und Bedrohung gestellt. Alles deutet darauf hin, dass hinter dem Verfasser des Pamphlets - "Anonyme FDGO-Verteidiger Buchholz i.d.N." - die Partei Alternative für Deutschland (AfD) steckt. Auf der Internetseite des AfD-Kreisverbandes Harburg existiert seit Kurzem eine erweiterte Version der Broschüre.
In dem Werk wird Prof. Dr. Rump, der in Berlin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) lehrt und in Buchholz wohnt, als "dunkelroter Professor" beschrieben, der "möglicherweise sogar als faktischer intellektueller Kopf" der Buchholzer Linksextremisten-Szene zu sehen sei und Spenden für linksextremistische Projekte wie "Cuba Si" sammle. Hintergrund: Rump hatte sich als Wissenschaftler mit der Geschichte der "Heideruh" auseinandergesetzt und eine Ausstellung der Begegnungsstätte zum Gedenktag an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz in der Buchholzer Stadtbücherei mitorganisiert. "In der Broschüre wird unter dem Deckmantel einer wissenschaftlichen Arbeit mit Unterstellungen und Verleumdungen gearbeitet", erklärt Rump. Er sei nicht gewillt, diesen Angriff auf seine Integrität als Privatperson und Professor hinzunehmen.
Unterstützung erhält er von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft: In der Antwort auf eine AfD-Anfrage erklärt Mitarbeiterin Scrallan Kunert, dass Rump keine einseitig politische Positionen vertritt und ein staatlicher Eingriff in seine Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Freiheit von Forschung und Lehre nicht zu rechtfertigen sei.
LEITARTIKEL von REINHARD SCHRADER
Konfirmandenfoto als Steckbrief - Oder warum die Alternative für Deutschland so keine Alternative mehr für Demokraten ist
Es spricht vieles dafür, dass AfD-Chef Bernd Lucke seine Partei nicht mehr im Griff hat. Warum sonst verkommt in Luckes Heimat-Landkreis Harburg die AfD offenbar zum Sprachrohr für Rechtsextreme oder wahnkranke Linken-Hasser?
Auf der Homepage des AfD-Kreisverbandes lassen sich „Anonyme FDGO-Verteidiger Buchholz i.d.N“ in einem scheinbar wissenschaftlich fundierten Dossier über die angeblich linksextreme Gefahr durch die Buchholzer „Begegnungsstätte Heideruh“ aus - eine krude Mischung aus unstrittigen Fakten, wilden Verschwörungstheorien und bizarren Spekulationen.
Das anonyme AfD-Pamphlet macht die unbestritten linke, antifaschistische Begegnungsstätte Heideruh am Buchholzer Stadtrand und alle, die mit ihr in Berührung kommen, auf 40 eng beschriebenen Seiten als Extremgefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung aus. Sieht in denen, die diese Meinung nicht teilen, Opfer oder Täter einer linksextremen Unterwanderungsstrategie.
Und erinnert dabei fatal an Neonazi-Postillen oder Antifa-Schriften der vergangenen Jahre, die mit exakt dieser Mischung aus verquer interpretierten Fakten, Schnüffelei in der Privatsphäre ihrer Opfer und einer scheinbar stringenten Beweisführung die Gegenseite zum absolut Bösen stilisierten.
Der AfD-Kreisverband nimmt den anonymen Schmierenkatalog als Grundlage für eine Anfrage an die Buchholzer Stadtverwaltung und diverse Pressemitteilungen. Soweit, so schlecht. Denn Anonymität war in den vergangenen Jahren stets das Markenzeichen von Neonazis oder Linksextremen, nicht aber für eine Partei, die von sich behauptet, demokratisch zu sein.
Man könnte gleichwohl das AfD-Pamphlet unbeachtet zur Seite legen, wenn in ihm nicht eine rote Linie überschritten würde.
Prof. Dr. Oliver Rump aus Holm-Seppensen, der an der HTW Berlin als Professor lehrt, wird als „konspirativer Mastermind“ und „Spiritus Rector“ der Buchholzer Linksextremisten-Szene bezeichnet, für seine Frau wird der Eindruck erweckt, sie habe den Kirchenvorstand der Martin-Luther-Kirchengemeinde in Holm-Seppensen unterwandert, um demokratie-feindliches Gedankengut unter den Konfirmanden zu streuen.
Der Verdacht wird scheinbar erhärtet, indem vom Konfirmandenjahrgang 2012 ein Foto abgebildet wird, auf dem vier junge Menschen als Linksextreme ausgemacht und mit einem Kreis gekennzeichnet werden. So und nicht anders sind die Nazis bei der Machtergreifung mit ihren Gegnern umgegangen.
• Lieber Herr Lucke, ich kenne Sie als ernstzunehmenden Kritiker des politischen Establishments. Ich glaube auch, dass Kritik, wie die ihre, lebenswichtig für unsere Demokratie ist. Aber distanzieren Sie sich von diesen Methoden und den Menschen, die dahinter stehen. Und sorgen Sie dafür, dass politische Meinungsunterschiede mit offenem Visier ausgetragen werden. Sonst laufen Sie Gefahr, dass jene recht behalten, die die AfD seit langem in die rechte Ecke rücken wollen.
P.S. In der Printausgabe des WOCHENBLATT wurde die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft fälschlicherweise als "Berliner Staatskanzlei" bezeichnet. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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