Landkreis: So wirkt die Krankenhausreform
Sind Kliniken jetzt in Gefahr?

Krankenhäuser unter Druck: Allein die Dokumentation nimmt viel Zeit in Anspruch | Foto: Adobe Stock/ DC Studios
  • Krankenhäuser unter Druck: Allein die Dokumentation nimmt viel Zeit in Anspruch
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Die Krankenhausreform kommt. In der vergangenen Woche stimmte der Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition zu (das WOCHENBLATT berichtete). Was bedeutet das für die norddeutsche Kliniklandschaft? Müssen Patienten in Zukunft weite Wege in Kauf nehmen, weil ihr Krankenhaus in der Nähe dicht gemacht wurde? "Nein, ganz im Gegenteil", behauptet Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Durch die Reform solle das aktuelle Kliniksterben begrenzt werden. Dennoch nimmt Lauterbach ein Kliniksterben in Kauf.

Rund 350 Krankenhäuser droht das Aus

1.719 Krankenhäuser gibt es aktuell in der Bundesrepublik. Lauterbach: "Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gibt, diese aber bessere Versorgung bieten, dann ist das aus meiner Sicht richtig." Deutschland habe die höchste Krankenhaus- und Bettendichte in Europa, viele Betten seien aber nicht belegt, weil es bereits jetzt nicht genügend Personal gebe, viele Kliniken schrieben deshalb rote Zahlen. Fast 350 Krankenhäuser könnten demnach der Reform zum Opfer fallen - trotz zusätzlicher finanzieller Förderung von Häusern in ländlichen Gebieten. Treffen dürfte es insofern eher westdeutsche, großstädtische Kliniken.

Sind die Krankenhäuser Buchholz und Winsen aktuell in ihrem Bestand bedroht? Klaus-Jörg Bossow. Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen gibt Entwarnung - trotz bedrohlicher Lage. "Wir als Krankenhaus Buchholz und Winsen können die Unterfinanzierung derzeit nur deshalb überstehen, weil der Landkreis als Träger einspringt und die anhaltenden Verluste ausgleicht."

Spezialisierung bisher eine "Black Box"

Die Auswirkungen der Reform seien für die Kliniken bisher nicht absehbar, weil die angekündigte Auswirkungsanalyse bis heute fehle. "Die Reform ist eine Black Box für die Zukunft der Krankenhäuser." Das gelte auch für die geforderten Spezialisierungen: Zunächst müsste man laut Bossow wissen, "nach welcher Systematik die geplanten Leistungsgruppen vergeben werden."

Tatsächlich ist man bereits auf dem Wege der Spezialisierung. Bossow: "Wir haben in diesem Jahr die HNO am Standort Winsen zentralisiert und das Leistungsprofil der HNO um die onkologische Therapie, also Krebserkrankungen des Kopfs und Halses, weiter geschärft." In den vergangenen Jahren hätten sich bereits Spezialisierungen auf gefäßchirurgischen Leistungen in Buchholz und die Adipositas- und Wirbelsäulenchirurgie in Winsen herausgebildet. Notfälle wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Unfälle, aber auch die Geburtshilfe sollen weiter an beiden Standorten durchgeführt werden, "das ist unser vorderstes Ziel."

Strukturen statt Fallpauschalen

Was erwartet Klaus-Jörg Bossow davon, dass in Zukunft auch vorgehaltene Strukturen bezahlt, dafür Fallpauschalen gesenkt werden sollen? "Das ist erst einmal ein vernünftiger Ansatz", so Bossow. "Kritikwürdig ist allerdings die fehlende Finanzierung der inflationsbedingten Kosten- und Tarifsteigerungen und die strukturelle Unterfinanzierung der Krankenhäuser. Diese wird auch mit der Reform nicht gelöst."

Wofür und für wen würde durch die Reform mehr bürokratischer Aufwand anfallen? Das wird sämtliche Berufsgruppen betreffen, nimmt Bossow an. "Bereits heute verbringen Klinikärzte in Niedersachsen drei Stunden am Tag mit Dokumentation, die Pflege wendet rund ein Drittel ihrer Zeit für Bürokratie auf. In dieser Zeit stehen sie nicht den Patienten zur Verfügung." Nach der Reform seien zusätzliche Meldepflichten an Institutionen und Behörden vorgesehen. Das erfordere auch zusätzliches Verwaltungspersonal.

Dass etwas passieren muss, sehen auch Patientenvertreter so. Aber: Es könnte durch die Reform Probleme für kleine Kliniken im ländlichen Raum geben, befürchtet Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz bei ntv.de. "Da brechen uns die Krankenhäuser weg."

Kassenbeiträge sollen durch Reform nicht steigen

Steigen durch die Reform die Krankenkassenbeiträge? "Nein", sagt Gesundheitsminister Lauterbach. "Mit den Reformen, die wir jetzt schon gemacht haben, die jetzt anfangen zu wirken, und den Reformen, die wir gerade machen, kommt tatsächlich auch dieser Beitragssatzanstieg zu einem Stopp", meint Lauterbach. Was er meint: Für 2025 hatten Fachleute eine - rechnerisch nötige - Erhöhung des Zusatzbeitrags zum Krankenkassenbeitrag um durchschnittlich 0,8 Punkte auf 2,5 Prozent vom Einkommen ermittelt - ohne Reform. Die wird die Kassen zwischen 2026 und 2035 etwa 25 Milliarden Euro kosten. Dennoch verspricht Gesundheitsminister Lauterbach: Die Beiträge werden in den kommenden zwei Jahren danach nicht erhöht.

Aufzuhalten ist das KHVVG übrigens nicht mehr. Die Reform ist im Bundesrat Ende November nicht zustimmungspflichtig. Selbst wenn die Länder also mehrheitlich dagegen stimmen, nützt das nichts. Einzig die Anrufung des Vermittlungsausschusses kann die Reform zumindest aufhalten und Nachbesserungen ermöglichen.

Daten und Fakten Krankenhäuser Buchholz und Winsen

  • Betten: 559
  • Mitarbeiter: 1.949 Personen, entsprechend 1.378 Vollzeitstellen
  • Patienten pro Jahr: 87.000, davon circa 30.000 stationär Aufgenommene
  • Fachabteilungen: elf in Buchholz, neun in Winsen
Krankenhausreform wurde im Bundestag beschlossen
Redakteur:

Gabriele Poepleu aus Jesteburg

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