Schlaganfall: Wer wartet, verliert
Studie beweist: Noch immer zögern viele Betroffene, die 112 zu wählen
(nw). Viele Bewohner des Landkreises Harburg sind ausgesprochen schnell darin, einen Schlaganfall zu erkennen und die richtige Hilfe zu suchen. Aber nicht alle sind schnell genug. Dies will Dr. Konrad Luckner, Chefarzt der Neurologie im Krankenhaus Buchholz, ändern.
Ein ischämischer Schlaganfall, bei dem ein Gerinnsel ein Gefäß im Gehirn verschließt, die Blutversorgung unterbricht und Nervenzellen absterben lässt, trifft in Deutschland jährlich rund 260.000 Menschen jeden Lebensalters. Er ist die dritthäufigste Todesursache. Jeder dritte Überlebende bleibt lebenslang behindert.
Wie gut die Genesungschancen sind, hängt vor allem von der richtigen Therapie ab. In der zertifizierten Stroke Unit des Krankenhauses Buchholz können Schlaganfallopfer eine Lyse bekommen. Dabei wird der Blutpfropf im Hirn medikamentös aufgelöst. Die Lyse schlägt umso besser an, je früher sie eingesetzt wird.
Das wissen offenbar schon viele Betroffene: 20 Prozent der Patienten trifft innerhalb der ersten Stunde nach dem Schlag im Krankenhaus Buchholz ein. So zeigt es eine Statistik von 19 Stroke Units aus Norddeutschland mit insgesamt 12.300 Teilnehmern im Jahr 2014.
Wie weiter aus der Statistik hervorgeht, sind die Landkreisbewohner damit wesentlich fixer als die Hamburger, von denen nur 10 Prozent in dieser Zeitfrist die Klinik erreichen.
Die rasche Reaktion zahlt sich in einer hohen Lyse-Rate aus: Im Krankenhaus Buchholz werden insgesamt 12,1 Prozent der Patienten der heilsamen Behandlung zugeführt. Von den 65, die innerhalb der ersten drei Stunden eintreffen, können sogar 38 und damit mehr als die Hälfe die Vorteile dieser Therapie genießen, die Schlaganfallsymptome oft folgenlos wieder verschwinden lässt.
Dabei wirkt die Lyse nach 80 Minuten doppelt so gut wie nach 180 Minuten, um schwerste Behinderungen oder gar den Tod des Patienten zu verhindern. Schon eine Viertelstunde kann den entscheidenden Unterschied in den Genesungsaussichten machen.
Doch noch immer gibt es diejenigen, die lange zögern. Von den insgesamt 527 Schlaganfallpatienten im Krankenhaus Buchholz in 2014 kamen nur insgesamt 41,3 Prozent (in Hamburg 42 Prozent) innerhalb der ersten vier Stunden in die Stroke Unit. Und danach ist es für eine Lyse oft zu spät. „Schlaganfall bessert sich nicht von allein. Zu warten hilft nichts“, stellt Dr. Luckner klar. Denn je mehr Zeit vergeht, desto mehr Hirnzellen sterben ab.
Die Rettungskette ist längst weitestgehend perfektioniert: Durchschnittlich 34 Minuten werden in der Stroke Unit Buchholz ab Eintreffen des Patienten benötigt, um eine Untersuchung durch den Schlaganfallarzt durchzuführen, Blut zu entnehmen, EKG und CT anzufertigen und mit der Lyse zu beginnen.
Verbesserungsmöglichkeiten sieht Dr. Luckner vor allem bei den Patienten selbst. „Die meiste Zeit wird zu Hause verschenkt“, sagt er. Und er hat einen weiteren Fehler ausgemacht. „Es gibt immer noch Leute, die glauben, sie müssten selbst zum Krankenhaus fahren“. Doch nur ein Anruf unter 112 setzt die Rettungskette in Bewegung, bei der ein Rädchen ins andere greift und der Patient optimal versorgt wird. „Lieber einmal mehr die 112 wählen, als die Chance auf Rettung ungenutzt zu lassen“, sagt Dr. Luckner.
Die Stroke Unit im Krankenhaus Buchholz ist in Zusammenarbeit mit der Radiologiepraxis und dem Neuroradiologen PD Dr. Oliver Wittkugel auch in der Lage, interventionelle Katheterbehandlungen anzubieten, bei der größere Gefäßverschlüsse im Gehirn mit einem „stent retriever“ geborgen werden. Diese Behandlung ist besonders für Patienten mit größeren Gerinnseln und diejenigen geeignet, die blutverdünnende Medikamente nehmen und deshalb nicht lysiert werden dürfen.
So erkennen Sie einen Schlaganfall
Wer folgende Symptome an sich oder an seinen Begleitern bemerkt, sollte sofort die 112 anrufen und den Hinweis auf Schlaganfall-Verdacht geben:
• Lähmung: meist einseitig, in Bein, Fuß, Arm, Hand. Schwierigkeiten, eine Tasse zu greifen oder den Arm zu heben.
• Einseitig hängender Mundwinkel, schleppende Sprache, Wörter ohne Sinnzusammenhang, oft auch Probleme, andere zu verstehen.
• Sehstörungen: Doppelbilder, verschwommenes Sehen, einseitiges Erblinden.
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