Coronavirus im Landkreis Harburg
"Ich rechne damit, dass Betriebe schließen werden"
Tourismus-Experte Ulrich von dem Bruch spricht im WOCHENBLATT über die Corona-Auswirkungen.
(mum). Ob im Schwarzwald, an der Nord- oder Ostseeküste sowie im Harz - die Folgen des Coronavirus sind auch in Deutschland zu spüren. Die Reisebranche rechnet mit Einbußen und Einschränkungen. Laut NDR fürchten 95 Prozent der befragten Hoteliers, Gastronomen und Betreiber von Ferienwohnungen oder Campingplätzen erhebliche Einbußen. Je länger die Krise dauere, desto schwieriger werde es. Nur 14 Prozent der Befragten gaben an, in der Coronakrise ihr Geschäft auch länger als sechs Monate aufrechterhalten zu können bei ausbleibenden Gästen. Einen Komplettausfall in dieser Saison befürchten 40 Prozent der Befragten. WOCHENBLATT-Redakteur Sascha Mummenhoff sprach mit Ulrich von dem Bruch, dem Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH (LHG), über die Situation. Die LHG wurde Anfang 2008 gegründet und ist die Dachorganisation und fachliche Interessensvertretung der touristischen Leistungsträger aus der größten Urlaubsregion Niedersachsens. Sie übernimmt als Agentur die zentrale touristische Vermarktungsfunktion und ihr obliegt ferner die allgemeine Tourismusförderung in der Region. Der Tourist-Experte ist sich sicher, dass die Branche vor einer extrem schwierigen Zeit steht.
WOCHENBLATT: Wo sind die Auswirkungen des Coronavirus schon jetzt besonders spürbar?
Ulrich von dem Bruch: In allen Bereichen des Tourismus - Unterkünfte, Freizeitparks, Therme und bei den Gästeführern. Der Tourismus ist die größte Branche in der Lüneburger Heide und er steht komplett still.
WOCHENBLATT: Gibt es Betriebe oder Teilbereiche, die besonders stark betroffen sind?
von dem Bruch: Nein, es zieht sich komplett durch die Branche. Dadurch, dass alle Reisen bis zum 18. April abgesagt werden mussten, sind alle 1.500 Betriebe betroffen. Alle versuchen mit allen Kräften, Betrieb und Arbeitnehmer irgendwie zu halten. Das geht ja jeder Branche gerade so.
WOCHENBLATT: Gibt es bereits Schätzungen, wie hoch die Verluste sein werden?
von dem Bruch: Für die Übernachtungsbetriebe kann man das sagen. Hochgerechnet anhand der Statistiken aus dem Vorjahr fehlen uns bereits 154 Millionen Euro Umsatz für die beiden Monate März und April. Dazu kommen Gastronomie, Freizeitparks und andere Bereiche. Ich rechne mit etwa 250 Millionen Euro für die beiden Monate.
WOCHENBLATT: Fürchten Sie, dass Betriebe für immer schließen werden?
von dem Bruch: Ja, das ist zu befürchten, wenn die Krise länger anhält. Wir haben viele kleine und mittelständische Betriebe, deren finanzielles Polster nicht groß ist.
WOCHENBLATT: Können Sie Beispiele nennen, wo Unternehmen aus der Tourismusbranche mit neuen Ideen versuchen, Einnahmen zu generieren?
von dem Bruch: Wir nehmen jeden Strohhalm. Einige haben die Hoffnung, mit Geschäftsreisenden oder Monteuren noch ein paar Umsätze zu machen. Die LHG hat sich beim Auswärtigen Amt listen lassen für Botschaftsangehörige, die nach Hause kommen wollen und keine Wohnung hier haben. Momentan sind aber fast alle noch mit der Absage der bestehenden Buchungen beschäftigt.
WOCHENBLATT: Wie bereiten Sie sich auf die Zeit nach den Ausgangs- und Reisebeschränkungen vor?
von dem Bruch: Zunächst ist wichtig, dass wir jetzt eine unglaublich schnelle und klare Krisenkommunikation in Richtung unserer Unternehmen machen. Das klappt gut. Zusätzlich haben wir ein Restart-Team bei uns im Unternehmen gebildet, das Maßnahmen erarbeitet. Wenn es wieder losgeht, werden wir sehr schnell sein. Aber wir werden das, was wir jetzt verlieren, nicht aufholen können.
WOCHENBLATT: Kennen Sie Beispiele von Unternehmen, die sich bereits konkrete Gedanken für die Zeit nach der Krise gemacht haben?
von dem Bruch: Nein, alle, mit denen ich spreche, sind mit der aktuellen Situation beschäftigt. Es kommt ja fast jeden Tag ein neuer Erlass, der umgesetzt werden muss.
WOCHENBLATT: Welche Wünsche haben Sie an die Politik?
von dem Bruch: Wir brauchen ganz dringend unbürokratische Zuschuss-Programme für die kleinen und mittelständischen Betriebe mit ausreichenden Summen. Und zwar sehr schnell, die Luft ist bereits dünn. KfW-Programme, die im Mai fertig sind, kommen zu spät.
WOCHENBLATT: Danke für das ausführliche und informative Gespräch.
Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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