Landkreis Harburg
Milchpreise steigen deutlich an
(os). Trendwende oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Milchbauern in ganz Deutschland beobachten mit großem Interesse, dass der Discounter Aldi in dieser Woche die Preise für Milch- und Milchprodukte stark anhob. So kostet ein Liter Vollmilch jetzt 65 anstatt 46 Cent, ein Liter fettarme Frischmilch 60 Cent (+ 18 Cent), 500 Gramm Mager-Quark 79 Cent (+24 Cent) und 200 Gramm Schlagsahne 45 Cent (+15 Cent). Da sich andere Discounter und Supermarktketten in der Vergangenheit oft an den Aldi-Preisen orientieren, erwarten Branchenkenner, dass auch dort die Preise für Milch ansteigen werden.
Zuletzt erhielten Milchbauern in Deutschland zum Teil nur noch 20 Cent pro Liter, was viele Landwirte in Existenznot brachte. Zahlreiche Milchbauern reduzierten die Milchmenge. „Zudem sind die Schlachtzahlen hochgegangen, sodass wir deutlich weniger Kühe haben“, erklärte Eckhard Heuser, Vorstandsmitglied im Milchindustrie-Verband (MIV).
Die Krise der Milchbauern ist nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Milchvierhalter (BDM) trotz der nun steigenden Milchpreise längst nicht vorbei. Es werde noch lange dauern, bis die negativen Folgen der niedrigen Preise überwunden sind.
Das sagen Milchbauern aus der Region
"Große Sprünge sind nicht zu machen" -
Landwirt Benecke zweifelt an Dauer-Preisanstieg
ce. Scharmbeck. "Die Milchgeldabrechnung der Milchliefergenossenschaft für Oktober steht noch aus. Im September haben wir für die abgelieferte Milch von den Molkereien pro Liter 25,55 Cent bekommen." Diese Zwischenbilanz ziehen Landwirt Jan Benecke (47) und seine Frau Britta (43), die in Scharmbeck bei Winsen in vierter Generation einen Hof mit 65 Milch- und 30 Mutterkühen sowie rund 100 Tieren weiblicher Nachzucht bewirtschaften. "Um über die Runden zu kommen, brauche ich mindestens 34 Cent pro Milchliter. Auch damit sind aber keine großen Sprünge zu machen", betont Jan Benecke gegenüber dem WOCHENBLATT. "Wenn jetzt der Milchpreis hochgeht, melken wieder alle auf Teufel komm raus. Wir glauben aber nicht, dass der Preis dauerhaft steigt", räumt die Landwirtsfamilie ein. "Es wäre schön, wenn wir uns irren."
Um gegen den Milchpreissturz gewappnet zu sein, haben die Beneckes Ende vergangenen Jahres eine der ersten Milchtankstellen im Landkreis Harburg eröffnet. Dazu gehört auch ein Warenautomat mit Produkten aus der Region. Als weiteres Standbein betreiben Jan Benecke & Co. seit Kurzem eine Hühnerhaltung inklusive Eierverkauf ab Hof (das WOCHENBLATT berichtete).
„Haben auf neuen Melkstand verzichtet“
Hof Hildebrandt in Estorf hielt Kuhbestand stabil
tp. Estorf. „Diese Talfahrt mussten wir überstehen“, sagt der gestandene Milchbauer Jörg Hildebrandt (55), der mit seiner Ehefrau Susanne (49) und den drei Kindern eine Landwirtschaft mit 139 Milchkühen in Estorf im Landkreis Stade betreibt. Trotz des Milchpreisverfalls, der im Jahr 2014 sein Rekordtief mit 20 Cent pro Liter erreichte, hielten die Hildebrandts ihre Herdengröße stabil.
Grund: Sohn Nils (23), der seine Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen hat, will den seit dem 17. Jahrhundert auf der Stader Geest bestehenden Traditionsbetrieb übernehmen.
„Wir mussten sparen, wo wir konnten“, blickt Vater Jörg Hildebrandt auf die Niedrigpreis-Phase zurück. Auf besondere Privatausgaben für Urlaub oder Auto wurde eisern verzichtet. Die rund 100.000 Euro teure, dringend nötige Ersatzanschaffung für den 35 Jahre alten Melkstand wurde zurückgestellt, der mittelständische Betrieb nahm Bankkredite auf.
Seit Oktober bekommt der Hof Hildebrand von seinem Abnehmer, der Großmolkerei Deutsches Milchkontor (DMK) in Zeven (Landkreis Rotenburg) immerhin wieder 25 Cent je Liter Milch. Um einträglich wirtschaften zu können, brauchen die Hildebrandts 30 Cent. Sofern dieses Preisniveau - wie vom Milchindustrie-Verband (MIV) prognostiziert - ab November erreicht wird und mindestens bis Frühjahr anhält, will die Familie in den neuen, modernen Melkstand investieren und sich auch mal wieder etwas Persönliches gönnen.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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