„Wir brauchen neue Orte der Arbeit. Das Homeoffice ist nur der erste Schritt“
Neue Wege der Arbeit für die Kunft. Ein Gespräch mit der New Work-Expertin Kerstin Helm (WLH)
Fast 65.000 Pendler verlassen täglich den Landkreis Harburg auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz. Doch seit viele Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken oder auf flexiblere Arbeitslösungen umgestiegen sind, verändern sich die Arbeitsorte. WOCHENBLATT-PR-Redaktionsleiter Axel-Holger Haase sprach mit „New Work“-Expertin Kerstin Helm, Gründungsberaterin bei der WLH Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg GmbH und Managerin des ISI-Zentrums für Gründung, Business und Innovation in Buchholz, in dem bereits 2014 der erste Coworking-Space im Landkreis Harburg eröffnete.
WOCHENBLATT: Frau Helm, derzeit wird viel über die Zukunft der Arbeit diskutiert. Sie sitzen in der Wirtschaftsförderung an einer Schnittstelle. Was spiegeln ihnen die Unternehmen, Arbeitnehmer, Gründer und Freiberufler zurück?
Kerstin Helm: Aus den Gesprächen, die wir führen, können wir deutlich erkennen, dass viele nach der ersten Schockstarre begonnen haben, die Krise als Chancen zu begreifen und neue Wege gehen. Manchmal war der Wunsch nach Veränderung schon da, aber es fehlte der entscheidende Auslöser, um bewährte Pfade zu verlassen. Wir erleben, dass sich die Gründer bei uns im ISI-Zentrum stärker untereinander vernetzen, Kooperationen eingegangen sind und neue Kundensegmente erschlossen haben, an die sie vorher noch gar nicht gedacht haben. Und es sieht so aus, dass viele sicherlich auch dank finanzieller Unterstützung bislang ganz gut durch die Krise gekommen sind: Seit wir das ISI-Zentrum eröffnet haben, sind 60 junge Unternehmen hier gewachsen. Und keines ist bislang aufgrund der Corona-Krise gescheitert.
WOCHENBLATT: Würden Sie sagen, dass der Trend zum Homeoffice von Dauer ist?
Kerstin Helm: Ich würde sagen, der Trend geht eher zum ortsungebundenen, flexiblen und digitalen Arbeiten. Wir brauchen deshalb neue Orte und Konzepte für Arbeit. Das Homeoffice ist nur der erste Schritt. Im eigenen Zuhause zu arbeiten, schafft Freiräume, weil man sich den Weg ins Büro spart und flexibler planen kann. Es ist aber nicht für jeden eine willkommene Alternative. Wenn im familiären Umfeld die Ruhe oder ein geeigneter Arbeitsplatz fehlt, wird es schon schwierig. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass das eigene Heim eine wichtige Funktion als Rückzugsort erfüllt, an dem ich entspannen und mein Privatleben genießen können sollte. Das ist z.B. auch ein Grund, warum derzeit vermehrt Kunden ins ISI-Zentrum kommen, die im Landkreis Harburg leben, ihren Schreibtisch aber eigentlich in Großstädten wie Hamburg, Berlin oder Frankfurt haben. Sie suchen in Wohnortnähe gezielt nach Alternativen zum eigenen Büro und Homeoffice.
WOCHENBLATT: Sie beschäftigen sich viel mit neuen Formen der Arbeit. Wo steht der Landkreis Harburg da?
Kerstin Helm: Eine rege Gründungslandschaft und die Nähe zu einer Großstadt, wie wir sie im Landkreis Harburg ja haben, ist immer ein guter Treiber für Veränderungen hin zu neuen Trends und modernen Arbeitsformen. Aber es bleibt dabei: Im Landkreis Harburg fehlen Arbeitsplätze, um den vielen gut ausgebildeten Fachkräften, die hier leben und notgedrungen pendeln, auch eine wohnortnahe Job-Perspektive bieten zu können. Wir arbeiten deshalb als Wirtschaftsförderung daran, die Zahl der Arbeitsplätze im Landkreis Harburg zu erhöhen, und achten dabei zunehmend auch auf die Qualität und den Innovationsgrad. Das gilt auch für unsere eigenen Projekte.
WOCHENBLATT: Wie sieht das konkret aus?
Kerstin Helm: Nehmen wir den TIP Innovationspark Nordheide als Beispiel, der als Wirtschaftsgebiet bewusst für die Arbeitswelt von morgen konzipiert ist und aktuell durch uns erschlossen wird. Hier sprechen wir gezielt Unternehmen an, die Innovation, Nachhaltigkeit und New Work als Teil ihrer Firmenphilosophie verstehen. Oder unser ISI-Zentrum: 2014, als wir das Haus eröffnet haben, kannten viele das Thema Coworking allenfalls aus den Großstädten. Aber in Buchholz i.d.N. haben wenige einen Coworking-Space mit täglich mietbaren Arbeitsplätzen erwartet. Heute wissen wir, dass wir mit unserer Entscheidung richtig lagen. Und wir denken darüber nach, ob und wie wir das Coworking-Konzept auf den Landkreis Harburg ausweiten können. Die Corona-Krise hat dem mobilen, ortsunabhängigen und digitalen Arbeiten deutlichen Vorschub geleistet. Work-Spaces wie das ISI-Zentrum mit flexiblen Arbeitslösungen und einer schnellen digitalen Infrastruktur können eine Alternative sein – nicht nur für Gründer und Freiberufler, sondern auch für Unternehmen, die hier Arbeitsplatzkontingente buchen können. Das hat Vorteile für viele Seiten.
WOCHENBLATT: Frau Helm, vielen Dank für das Gespräch und die Informationen.
• Weitere Informationen: [Infotxt]isi-wlh.eu [/Infotxt]sowie [Infotxt]tip-nordheide.eu[/Infotxt]
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