Nachtfahrten nur auf Bestellung
Taxibranche in der Krise - so sieht es in den Landkreisen Harburg und Stade aus
Ruhig ist es in der Taxizentrale. Wo früher das Telefon ununterbrochen klingelte und eine Mitarbeiterin die vier bis fünf Fahrer zu den Einsatzorten dirigierte, herrscht gespenstische Stille. "Die Zeiten, in denen man rund um die Uhr ein Taxi bekam und wir als Unternehmer sogar unsere Wagen auf Verdacht am Bahnhof warten lassen konnten, die sind vorbei", sagt Inhaber Gerhard Köncke vom Autoruf Welle Gmbh mit Sitz in Tostedt (Landkreis Harburg). Er lässt nur freitags und samstags noch Nachtschichten bis 5.30 Uhr fahren.
Es gibt keine Fahrer mehr
Ähnliches berichtet Taxi-Unternehmer Jari Elfers von Este-Taxis in Buxtehude (Landkreis Stade). "Wir haben deutlich weniger Fahrerinnen und Fahrer als früher. Während der Pandemie mussten wir entlassen, jetzt finden wir kein geeignetes Personal mehr." Dennoch unternimmt Este-Taxis weiterhin auch unter Woche nachts Fahrten, "sonst hätte das Taxi keine Daseinsberechtigung", so Elfers.
Eine ganze Branche kämpft ums Überleben. Ursachen dafür gibt es viele. Während der Corona-Pandemie gab es kaum Kundschaft. Rekordpreise bei Kraftstoffen, gestiegene Werkstattkosten, Erhöhungen des Mindestlohns um mehr als 20 Prozent bis zum 1. Oktober 2022, gestiegene Verbraucherpreise infolge des Ukraine-Krieges, auf die viele Menschen mit eisernem Sparwillen reagieren - all das setzt dem Taxi-Gewerbe zu.
Die Corona-Pandemie hat das Verhalten der Menschen verändert. Heute seien weniger Nachtschwärmer unterwegs als vor der Pandemie, sagen Taxiunternehmer. Durch Arbeiten im Home Office mit digitalen Konferenzen entfallen Fahrten zum Bahnhof oder Flughafen. Arztfahrten würden deutlich häufiger Familienmitglieder mit Remote-Arbeitsplatz übernehmen. Die Folge: Selbst Taxiunternehmen, die sich auf Krankenfahrten spezialisiert haben, mussten Fahrer entlassen. Die Leidtragenden sind die Patienten. Kirsten Düring aus der Telefonzentrale des Krankenhauses in Buchholz: "Wir haben Stammbetriebe, die ich als Erste anrufe. Dass kein Taxi verfügbar ist, kommt leider öfter vor. Insbesondere montags in den Vormittagsstunden, abends und in der Nacht kann es zu Engpässen kommen. Ebenso an Tagen, an denen Dialyse ist (in der dem Krankenhaus angegliederten Dialyse-Praxis). Die Patienten wollen immer möglichst schnell nach Hause, aber oft bekomme ich die Antwort, es sei im Moment keine Taxe verfügbar oder die Patienten müssten eine halbe Stunde warten. Das nehmen die meisten Patienten dann so hin."
Wo andere Unternehmen dann ihre Preise erhöhen, um wirtschaftlich arbeiten zu können, sind Taxiunternehmern die Hände gebunden. Der Landkreis gibt die Preise vor. Im Landkreis Harburg entscheidet die Kreisverwaltung auf Antrag intern über eine Tariferhöhung. Der Grundpreis (Anfahrt) liegt seit März 2019 bei 4,50 Euro, das Entgelt je gefahrenem Kilometer bei 2,50 Euro. Im Landkreis Harburg läge kein Antrag der Taxiunternehmen zur Erhöhung des Taxitarifs vor, antwortete die Kreisverwaltung dem WOCHENBLATT.
Im Landkreis Stade dagegen schlägt die Kreisverwaltung eine Taxitariferhöhung vor. Taxifahren könnte demnach im Herbst bis zu 24 Prozent teuer werden, sagt Taxiunternehmer Jari Elfers. Der Grundpreis soll von derzeit fünf Euro auf 6,30 Euro steigen, der Kilometerpreis von 2,10 Euro auf 2,60 Euro. Aber selbst das sei zu wenig, um die gestiegenen Betriebskosten seit 2019 auszugleichen. (ts/cbh)
Preise gibt der Landkreis vor
Mit der möglichst schnellen Einführung höherer Tarife in den Kommunen stellt sich die Taxi-Branche in ganz Deutschland gegen drohende Insolvenzen. In Hamburg haben seit März 2020 etwa 160 Taxiunternehmen aufgegeben. 500 Taxis weniger seien auf den Straßen unterwegs, berichtete der NDR.
In den Landkreisen Harburg und Stade zeigt sich das Taxi-Gewerbe noch stabil: im Landkreis Stade sind 30 Taxiunternehmen tätig - so viele wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020. Im Landkreis Harburg sind 26 Taxi-Unternehmen auf dem Markt - drei weniger als 2019.
Damit das Taxigewerbe in der Region überleben kann, müssen auch die Kunden ihr Verhalten überdenken: Oft würden Fahrgäste den Preis drücken und einen Festpreis aushandeln wollen, sagt Gerhard Köncke. Er wünscht sich, dass Kunden ohne zu Feilschen den Taxitarif bezahlen. "Denn der Taxitarif ist so berechnet, dass er den Erhalt des Betriebs gewährleistet."
Auch nachts werden weiterhin Taxis fahren, aber Fahrgäste müssen ihre Fahrten planen: "Wer ausgeht und feiert, sollte rechtzeitig ein Taxi vorbestellen", empfiehlt Jari Elfers.
Im Restaurant und oder in Bar am späten Abend Alkohol genießen und anschließend spontan ein Taxi rufen, um nach Hause zu gelangen, das ist derzeit schwierig.
Ein Gastronom aus dem Landkreis Harburg, der mit seinem Namen nicht in der Zeitung genannt werden möchte, sagt: "Im Großraum Buchholz gibt es an den Werktagen nach 22 Uhr keine Taxis mehr. Entweder Gäste lassen sich von Familienangehörigen abholen - oder ich fahre sie nach Hause."
Information: Taxi-Tarif
In Deutschland gibt es keine einheitlichen Tarife für das Taxi. Jede Kommune liegt ihre eigenen Gebühren fest. Taxitarife sind je nach Kommune und Tageszeit unterschiedlich. Der Taxipreis setzt sich aus dem Grundpreis und dem Kilometerpreis und eventuellem Nachtzuschlag zusammen. Der Tagestarif gilt in der Regel wochentags von sechs bis 22 Uhr, der Nachttarif von 22 bis sechs Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen.
Ein Trinkgeld von zehn Prozent des Fahrpreises gilt als angemessen.
Redakteur:Thomas Sulzyc aus Seevetal | |
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