Herzlos-Entscheidung wird revidiert
Buxtehuder Fahrstuhlmord: Enkel wird als Opfer anerkannt
tk. Buxtehude. An Maßstäben der Moral gemessen, ist diese Amtsentscheidung mehr als überfällig: Alan (14) wird endlich als das anerkannt, was er tatsächlich ist: das Opfer eines schrecklichen Verbrechens. Nach dem Opferentschädigungsrecht stehen ihm Leistungen zu. Das, worunter er vermutlich sein Leben lang leiden wird, hat als "Fahrstuhlmord" im November 2014 bundesweit für Entsetzen gesorgt. Der damals fünfjährige Junge musste mit ansehen, wie sein Großvater von einem psychisch kranken Täter mit einem Messer im Fahrstuhl des Buxtehuder Hochhauses Schröderstraße 9 erstochen wurde.
"Ohne Begründung und ohne mir das der Entscheidung zugrunde liegende Gutachten zu schicken, hat das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie jetzt Alans Anspruch akzeptiert", sagt Christian Au. Der Buxtehuder Fachanwalt für Sozialrecht hatte den Jugendlichen vertreten.
Im Mai 2021 hatte das WOCHENBLATT über den tragischen Fall von Alan berichtet. Der Mord an seinem Großvater hat ihn traumatisiert. Sein bisheriges Leben in Deutschland konnte er nicht fortsetzen. Er sprach zum Beispiel kein Wort Deutsch mehr. "Er verbindet Deutsch mit der schrecklichen Tat", hatte Sylvia Köhnken im WOCHENBLATT erklärt. Die ehemalige CDU-Ratsfrau hat sich für Alan eingesetzt. Er zog zurück zu seinem Vater nach Polen, seine Mutter samt Geschwistern blieb in Buxtehude. Die Behörde, das hatte Köhnken damals besonders erzürnt, zog eine geistige Beeinträchtigung als Grund für das Verweigern der deutschen Sprache in Betracht.
Das Landesamt spielte bei dem Antrag auf Opferentschädigung keine ruhmreiche Rolle, hatten Christian Au und Sylvia Köhnken kritisiert: Bei einem Termin fehlte der dringend erforderliche Dolmetscher, den zweiten Termin konnte der Junge nicht wahrnehmen, weil ihn niemand von Polen nach Deutschland begleiten konnte. Folge: Das Amt entschied nach Aktenlage und ohne Gutachten. Der Antrag auf Opferentschädigung wurde abgelehnt.
"Das nehme ich nicht hin", hatte Christian Au im Mai vergangenen Jahres gesagt und Widerspruch eingelegt. Und jetzt die Kehrtwende: Alan ist für die Landesbehörde nun doch das Opfers einer Straftat und erhält für die vergangenen zweieinhalb Jahre Zahlungen. "Eine Verhandlung vor Gericht gab es nicht", sagt Au. Die für seinen jungen Mandanten erfreuliche Wendung kam auch für den Juristen überraschend.
• Markus S., der den Rentner 2014 erstochen hatte, wurde im April 2015 nach nur zwei Tagen Verhandlung auf unbestimmte Zeit in den Maßregelvollzug, also eine psychiatrische Einrichtung für Straftäter, geschickt. Nach Überzeugung des Gerichts war S. schuldunfähig, stellt aber weiterhin eine erhebliche Gefahr für andere dar.
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