Das WOCHENBLATT auf Streife: Warum Polizeibeamte den besseren Blick haben
Das WOCHENBLATT begleitet zwei Polizeibeamte während einer Schicht
tk. Buxtehude. Ich sehe was, was Du nicht siehst: Der Name dieses beliebten Kinderspiel beschreibt genau das, was die Wahrnehmung von Polizeibeamten und Bürgern ohne Uniform unterscheidet. Polizistinnen und Polizisten sehen vieles, was anderen Menschen gar nicht auffällt. Das WOCHENBLATT hat in Buxtehude Polizeikommissarin Catharina Ahrens und ihren Kollegen Polizeioberkommissar Björn Schlichtmann eine Schicht lang im Streifenwagen begleitet. Dass allein die Haltung am Steuer in Verbindung mit einer leicht geröteten Gesichtsfarbe ein Hinweis auf eine Alkoholfahrt sein kann, hätte WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Tom Kreib nicht geahnt. Die erfahrenen Beamten lagen goldrichtig: 1,86 Promille bei der Atemalkoholkontrolle.
Ausbildung und Erfahrung seien wichtig, sagen die beiden Polizeibeamten. Sie fahren über die A26 Richtung Horneburg. Ein Lkw soll liegen geblieben sein. Der ist allerdings verschwunden. Björn Schlichtmann und Catharina Ahrens sagen auch: "Neben dem professionellen Blick sind Intuition und Bauchgefühl wichtig." Die Polizeikommissarin berichtet von einer Kollegin, die ein Gespür dafür hatte, wohin ein Einbrecher flüchten könnte. "Ein Täter der flieht, handelt häufig auch intuitiv und denkt nicht lange nach", sagt sie.
Es gibt allerdings auch bei den Profis keine Garantie dafür, sofort etwas auf den ersten Blick zu entdecken. Die Streifenwagenbesatzung wird zu einer Tankstelle in Buxtehude gerufen. Eine Frau soll an einem Vormittag dort zum dritten Mal Alkohol gekauft haben - und sei jedes Mal mit dem Auto vorgefahren. Nein, getrunken habe sie nicht, erklärt die Dame den Beamten. Beim Pusten kommt heraus: 1,13 Promille. Auf zum Polizeikommissariat, Blutentnahme und der Führerschein ist erst einmal weg.
"Das war auf den ersten Blick nicht erkennbar", sagt Björn Schlichtmann. Der Wagen war zum Beispiel tipptopp. Wer häufiger betrunken Auto fahre, habe oft Dellen und Kratzer im Pkw, weil Garage oder Einfahrt ein "echtes Hindernis" seien, erklärt seine Kollegin.
"Ein tschechisches Kennzeichen, das ist bei uns selten", stellen die Polizeibeamten während einer Streifenfahrt im Buxtehuder Süden fest. Kennzeichen sind etwas, worauf sie genau achten. Etwa Ausfuhrkennzeichen, erkennbar durch einen roten Balken rechts. "Wenn die Zeit es zulässt, schauen wir uns Auto und Insassen besonders abends oder nachts an", sagt Björn Schlichtmann.
Tipp an alle, die den TÜV-Termin fürs Auto "vergessen" haben: Auch auf diese Plakette blicken die beiden beim Vorbeifahren. Wer länger als acht Monate überfällig ist, zahlt 60 Euro und kassiert einen Punkt in Flensburg.
Catharina Ahrens und Björn Schlichtmann sind auf den geschulten Blick, Erfahrung und Intuition auch aus einem anderen Grund angewiesen: "Wir wollen abends heil nach Hause kommen", sagt die Polizeikommissarin. Einsatz bei einem jungen Mann, der angeblich eine Cannabis-Pflanze auf dem Fensterbrett haben soll. Die entpuppt sich allerdings als Tomate. "Haben Sie den Hammer auf dem Tisch und den riesigen Messerblock gesehen", fragt mich Björn Schlichtmann auf dem Weg zurück zur Wache. Nein, beides ist mir nicht aufgefallen. Weil seine Kollegin den Buxtehuder kannte, blieb die Situation entspannt. "Aus Gründen der Eigensicherung muss uns so etwas sofort ins Auge springen", so ihr Kollege.
Kleiner Erfolg für mich als Laien: Dass bei einem Golf das vordere Kennzeichen fehlt, hatte sogar ich bemerkt. Björn Schlichtmann kurbelt das Seitenfenster im Streifenwagen runter und spricht den jungen Mann an. Der ist angeblich gerade auf dem Weg zum Baumarkt, um den fehlenden Nummernschildträger zu besorgen. "Zum nächsten Baumarkt geht es aber rechtsherum", bringt er den Fahrer auf die richtige Spur, der links blinkt.
Mit dem richtigen Blick und der Intuition fällt den Beamten auch der alkoholisierte Fahrer mit stolzen 1,86 Promille auf. Der will morgens eine Flasche Wein getrunken haben. Mittlerweile ist es 19 Uhr. Leicht unsicher tappst er den kurzen Weg zum Streifenwagen. Und ich stelle mir die Frage, wie viele Autofahrer derart "getankt" haben, ohne dass ich es merke.
Der wachsame Blick ist etwas, das sich nach Dienstende nicht abstellen lässt. "Wenn ich einen Lieferwagen sehe, den ich in meiner Siedlung noch nie zuvor gesichtet habe, bleibt mein Blick schon daran hängen", sagt Catharina Ahrens. Gut für ihre Nachbarn. Genau das ist etwas, das aber jeder kann: Nicht wegschauen, sondern hinschauen. Dann ließe sich manche Straftat eventuell verhindern.
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