WOCHENBLATT-Serie Anonyme Alkoholiker
Alkoholiker Siegfried wollte sich niemandem mehr zumuten
wd. Landkreis. Ein Tor zur Freiheit - das könnte der Leitspruch von Siegfried (Name von der Redaktion geändert) trockenem Leben sein. "Ich war der typische Gardinensäufer - das ist jemand, der hinter verschlossenen Gardinen alleine Zuhause trinkt", so der trockene Alkoholiker, der seine Geschichte im Rahmen der WOCHENBLATT-Serie mit den Anonymen Alkoholikern erzählt. "Gerade am Ende meiner Saufzeit hatte ich mich in die Isolation gesoffen. Mein Minderwertigkeitsgefühl war so stark, dass ich mich keinem mehr zumuten wollte." Siegfried hatte Angst - vor allem und jedem. Nach seinem ersten Entzug sei er der Meinung gewesen, alles über den Alkoholismus zu wissen. Den Besuch einer Selbsthilfegruppe fand er überflüssig und er wollte auch keine Vorschriften hören, wie er zu leben hätte. "Es dauerte nicht lange und ich soff schlimmer als je zuvor." Es folgte ein zweiter Entzug und Siegfried war so verunsichert und verzweifelt, dass er nach jedem Strohhalm griff, um nicht mehr trinken zu müssen, und auch keine Bedingungen mehr stellte. So kam er zu den Anonymen Alkoholikern (AA).
"Schön, dass du da bist", bekam er dort zur Begrüßung zu hören. Dann wurde er in Ruhe gelassen. Es gab keine Vorschriften, aber ein paar Vorschläge. So wurde ihm zum Beispiel vorgeschlagen, mit dem Trinken des ersten Glases zu warten und zuerst ins "Meeting" gehen. Danach könne er ja immer noch etwas trinken. Nach dem Treffen stellte er fest, dass er gar keinen Zwang verspürte, Alkohol zu konsumieren. Siegfried fühlte sich verstanden und so angenommen, wie er war. "Das war genau der richtige Weg für mich", sagt er. Dass sich alle Pläne nur auf das Heute bezogen, nahm ihm das Angst vor dem Morgen. "Ich schaffte mit den AA, was ich alleine nicht hinbekam - jeden Tag aufs Neue trocken zu bleiben."
Durch die Trockenheit lösten sich viele seiner Ängste und Einschränkungen auf und Siegfried erfuhr - wie es ihm zuvor von den AA prophezeit wurde - ein ganz neues Gefühl der Freiheit. "Ich habe auch nicht bewusst in einzelnen Schritten an mir gearbeitet. Es ist vielmehr so, dass sich die Schritte so ergeben haben, sie sind zu mir gekommen." Wenn er Probleme habe und diese mit der Gruppe teile, dann würden ihm die Angelegenheit klarer und er könne anders damit umgehen. "Die Anonymen Alkoholiker geben mir die Freiheit, mich in meinem eigenen Tempo zu entwickeln, wie es mir möglich ist." Die AA seien ein fester Bestandteil in seinem Leben geworden. "Was ich nie für möglich gehalten hätte, ist dank der Gemeinschaft für mich zur Realität geworden: Ich lebe jetzt ein trockenes und meist zufriedenes Leben."
• In und rund um Hamburg treffen sich rund 120 Gruppen der Anonymen Alkoholiker, auch in den Landkreisen Stade und Harburg. Willkommen sind alle, die sich von ihrer Alkoholsucht befreien möchten. Auch für Angehörige von alkoholkranken Personen gibt es Gruppen. Infos unter Tel. 0162-2633044 und www.anonyme-alkoholiker.de.
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