Warum Mo Asumang den persönlichen Kontakt zu Rassisten sucht
Allein im Schmelztiegel des Rassismus

Mo Asumang hat einen guten Weg gefunden, mit Rassisten umzugehen und das in einem Buch und einem Film festgehalten | Foto: Fischer Verlag
  • Mo Asumang hat einen guten Weg gefunden, mit Rassisten umzugehen und das in einem Buch und einem Film festgehalten
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ab. Buxtehude. Mo Asumang war die erste afrodeutsche Moderatorin im deutschen Fernsehen. Nach einer Morddrohung von Neonazis hat sie sich intensiv mit dem Thema Rassismus auseinandergesetzt und das Buch "Mo und die Arier" verfasst und den Film "Die Arier" gedreht. Beides stellt sie am kommenden Montag, 2. Dezember, um 19.30 Uhr in der Kreativwerkstatt Deck 2 in der Malerschule Buxtehude (Hafenbrücke 1) vor. Warum Mo Asumang versucht, auch in Rassisten die Menschen dahinter zu sehen, und wie sie ihnen begegnet - und sie dabei oft aus dem Gleichgewicht bringt -, erklärte sie in einem Gespräch mit dem WOCHENBLATT.

Der bloße Gedanke daran, sich, nur von einem Kameramann begleitet, in eine Kundgebung mit 3.000 grölenden Neonazis zu begeben, dürfte bei vielen Menschen Beklemmungen auslösen. Für Mo Asumang, afrodeutsche Moderatorin, Regisseurin und Autorin, war es eine besonders harte Herausforderung. Aber auch die Suche nach einer Lösung, einer neuen Perspektive, um mit dem Thema Rassismus und Fremdenfeindlichkeit umzugehen - und wieder normal leben zu können. 

"Auf dem Weg durch die Menge ging es mir nicht gut", erinnert sie sich. Mit schweißnassen Händen, Übelkeit und Angst bis kurz vor der Panik habe sie sich durchgedrängt, um dann eine erstaunliche Erfahrung zu machen: Sie wurde weder bepöbelt noch attackiert. "Um mich herum haben sich fast alle weggedreht und so getan, als ob sie mich nicht sehen würden. Die konnten das nicht einordnen." Das Experiment hatte sie im Zuge ihrer ersten Recherche zu ihrem Buch unternommen.

Ein schlimmes Erlebnis war Hauptauslöser für Mo Asumang, sich intensiv mit Rassismus und Integration auseinanderzusetzen: Es war die in einem Hasslied der Neonazi-Band „White Aryan Rebels“ verpackte Morddrohung "Die nächste Kugel ist für Dich, Mo Asumang". Dieser Schock inspirierte sie zu der filmischen Spurensuche "Roots Germania" nach ihrer Identität als schwarze Deutsche.

Was sie außerdem motiviert habe, Kontakt zur Neonazi-Szene, zum Ku-Klux-Klan und anderen Rassisten aufzunehmen, erklärt sie unter anderem mit Neugier, begründet in ihrer eigenen Familiengeschichte. Denn der sogenannte "erste Nazi", den Mo Asumang bereits als Baby kennenlernte, war ihre eigene Oma. "Als meine Mutter meiner Oma gestand, ein Kind von einem Ghanaer zu erwarten, hatte die damit gedroht, sich umzubringen, sollte das Baby auf die Welt kommen" - Und es doch nicht getan.

"Dazu muss man wissen, dass meine Oma der Propaganda des Nazi-Regimes als junge Frau zwölf Jahre lang ausgesetzt war und sogar als Schreibkraft der SS gearbeitet hatte." Und der "erste Nazi" war gut zu Mo Asumang: Sie wurde von ihrer Oma großgezogen. "Sie war mein Fels in der Brandung." Es sei eine starke Leistung gewesen, sich zu Liebe hinzuverändern, was ihr Mut mache, aber auch die vorherige Verblendung ihrer Oma zeige, so Mo Asumang.

Ein Verblendeter hat ihr kürzlich eine E-Mail geschrieben, Inhalt: "Wir wissen, wo du w...". Mo Asumang: "In meiner Antwortmail habe ich hinterfragt, worin die Gründe für diese Drohung liegen und ob dieser Mensch sich klar darüber ist, woher sein Hass auf mich kommt."

Die Reaktion habe sie erschüttert: Der Mann offenbarte sich ihr als zutiefst unglücklicher und sogar suizidgefährdeter Mensch, der als Kind Grausames erlebt und von heftigen Schicksalsschlägen heimgesucht wurde. 

Für Mo Asumang steckt dort ein Teil des Problems. In den Gruppen Rechtsradikaler werde nichts hinterfragt, nicht reflektiert. "Mit den anderen reden - verboten! Das darf nur der Anführer, die anderen müssen still sein." Denn zu reden, hieße auch, Lösungen zu finden, sich möglicherweise zu versöhnen. "Das ist nicht gewollt, denn dann würden die Anhänger, die Mitläufer, wahrscheinlich abwandern."

Wer sich vis-à-vis eines Rechten sieht, komme mit Diskutieren nicht weiter. Besser sei es, Fragen zu stellen, und zwar solche, die die Leute in die Reflexion treiben. "Das bringt sie aus dem Gleichgewicht. Und genau diese Gespräche müssen in der Mitte der Gesellschaft gesucht werden." Auf diesem Weg ist es Mo Asumang bereits gelungen, Neonazis zum Ausstieg zu bewegen. Einer von ihnen, Chris, ist heute ein guter Freund von ihr. Chris leistet Aufklärungsarbeit und erzählt seine Geschichte an Schulen.

Für ihren Einsatz gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird Mo Asumang in Kürze in Berlin das Bundesverdienstkreuz verliehen.
• Der Eintritt zu der Veranstaltung, organisiert von der Buxtehuder Initiative "Hand und Herz", ist frei. Eine Hutspende für weitere Projekte ist willkommen. Das Buch "Mo und die Arier" ist als Taschenbuch im Fischer Verlag erschienen und kostet 14,90 Euro.

Redakteur:

Alexandra Bisping

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