Lieferengpässe bei Fiebersaft und Co.
Bittere Pille: Medikamente sind Mangelware
Seit Tagen macht der Engpass von einigen Medikamenten Schlagzeilen: Kein Fiebersaft für Kinder, Cholesterinsenker und viele andere Mittel sind ebenfalls knapp, mitunter sogar in der Apotheke vergriffen. Eine bittere Pille für Menschen, die chronisch krank und auf ihre Medikamente angewiesen sind. "Sogar Penicillin fehlt manchmal", sagt der Buxtehuder Apotheker Alexander Stüwe. Er schätzt, dass aktuell zehn Prozent der Produkte von Engpässen betroffen sind.
Wer sich jetzt beschwert, dass Fiebersaft und Co. zur Mangelware werden, muss nach den Ursachen fragen, sagt Christian Splett, Pressesprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Es ist nämlich kein überraschender Mangel an Wirkstoffen, sondern ein hausgemachtes Problem, das jetzt zu den Engpässen führt. "Kostendruck und Globalisierung", nennt Splett die Treiber der Verknappung. Das WOCHENBLATT hat mit Apothekern aus den Kreisen Stade und Harburg gesprochen und sich vom Bundesverband die Hintergründe erklären lassen.
Für viele Wirkstoffe gibt es nur einen Hersteller
- in Indien und China
Der Kostendruck, unter dem alle Akteure im Gesundheitswesen leiden, mache vor Apotheken, und vorgelagert den Pharmaunternehmen, nicht Halt, so Splett. "Viele Hersteller in Europa haben oft nur einen einzigen Lieferanten für einen Wirkstoff", so der ABDA-Sprecher. Und diese Lieferanten sitzen häufig in China und Indien. "Wenn in China ein Schiff nicht ablegt, hat das für uns spürbare Konsequenzen." Forderung des Branchenverbands: Die Produktion von Medikamenten muss nach Europa zurückverlagert werden. Das würde jedoch zu höheren Kosten führen, die von Krankenkassen nicht übernommen werden.
Kein Kranker kann vier Wochen warten
Der ABDA sieht den einzelnen Apotheker in der Bredouille: "Wir können zu einem Kunden mit einem Rezept schließlich nicht sagen, kommen Sie in vier Wochen wieder", so Christian Splett. Der Buxtehuder Apotheker Alexander Stüwe spricht daher von einem "enormen Mehraufwand", den er derzeit betreiben müsse. "Die Situation ist schwierig", sagt er.
Der Beratungsaufwand sei derzeit sehr hoch und die Notwendigkeit zu Rücksprachen mit Ärzten nehme viel Zeit in Anspruch. "Gemeinsam müssen wir die Patienten mitunter auf andere Mittel umstellen", erklärt Stüwe. Wobei die Ärztinnen und Ärzte, deren Wartezimmer voll seien, nicht immer ausreichend Zeit für lange Gespräche haben - "was ich angesichts des aktuell hohen Krankenstandes gut verstehen kann", so Stüwe.
Manchmal hilft auch schon das Gespräch in der Apotheke. Wenn ein Antibiotikum als Saft für Kinder fehle, dann könne man mit den Eltern überlegen, wie eine Kapsel als vorhandene Alternative am besten verabreicht wird, so der Buxtehuder Apotheker.
Viel Zeit für Beratung nötig
Apothekerin Barbara Lüdtke von der Buchholzer Sonnen-Apotheke : "Die Ursachen von Nichtverfügbarkeit von Medikamenten ist vielfältig. Aufgrund des Kostendrucks der Krankenkassen stellen manche Hersteller bestimmte Produkte nicht mehr her. Auch die Verpackungen spielen eine Rolle. Nicht sämtliche Glasflaschen oder Kartonagen sind stets verfügbar. Und manchmal ist es ein Container, der auf seinem Transportweg in einen Hafen festsitzt." Die Apothekerin versucht für ihre Kunden, auf andere Hersteller auszuweichen, was bei der Kostenübernahme durch die Krankenkassen nicht immer leicht ist.
Was niedergelassene Apotheker und der ABDA fordern: Mehr Entscheidungsfreiheit für die Pharmaexperten. So müsse es möglich sein, dass ein Mittel, das vom Arzt verschrieben worden ist, durch ein Gleichartiges ersetzt werden dürfe, auch wenn das teurer sei. "Ich muss von zehn Herstellern ein Medikament in der jeweils identischen Dosierung vorrätig haben, damit ich die Kostenvorgaben aller Kassen berücksichtigen kann", sagt Alexander Stüwe. Was sich für den Laien wie ein Auswuchs an Bürokratie anhört, ist laut ABDA-Sprecher Christian Splett ein Dauerbrenner: Rücke ein Apotheker nämlich das zweitbilligste Mittel raus, weil das für diese Kasse günstigste Medikament vergriffen ist, bekomme er sein Geld nicht wieder.
Der Buxtehuder Apotheker Stüwe sieht angesichts der aktuellen Probleme den großen Mehrwert, den die Apotheke vor Ort dem Onlinehandel gegenüber habe: "Wir beraten und suchen auch gemeinsam mit Ärzten nach Alternativen. Bei der Online-Apotheke erscheint die Antwort 'nicht verfügbar'."
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