Zahlen für Buxtehude und Stade
Die Kitaplatz-Misere und wie es besser werden kann

In Stade und Buxtehude entstehen in den kommenden Jahren viele neue Kitaplätze | Foto: pexels/cottonbro
  • In Stade und Buxtehude entstehen in den kommenden Jahren viele neue Kitaplätze
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Diese Zahl ist der Hammer: In Deutschland fehlen im kommenden Jahr 384.000 Plätze in Kita und Krippe. Das belegt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung. Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ist für Hunderttausende Kinder und ihre Eltern so etwas wie ein frommer Wunsch, der nicht erfüllt werden kann.

Experten sind sicher: An der Misere wird sich nichts ändern. Würden die fehlenden Plätze geschaffen werden, müssten rund 98.600 Fachkräfte für Krippe und Kita gewonnen werden. Die zusätzlichen Personalkosten würden pro Jahr rund 4,3 Milliarden Euro betragen und die Kräfte sind schlichtweg nicht da.

Wenn das schon katastrophal ist, wird es ab 2026 noch katastrophaler: Ab dann soll nämlich die ebenfalls gesetzlich garantierte Ganztagsbetreuung in Grundschulen schrittweise kommen. Auch dafür braucht es Personal.

Stand heute fehlen in Buxtehude 180 Plätze im Elementarbereich und 150 Krippenplätze. In Stade sind es ebenfalls 180 Elementar-Plätze und rund 110 Plätze im Krippenbereich. Die gesetzliche Garantie auf einen Betreuungsplatz ist damit nur ein theoretischer Anspruch.

In der Estestadt wird sich die Notlage in den kommenden zwei bis drei Jahren deutlich entspannen, denn mehrere Kitas und Krippen werden geplant bzw. befinden sich schon im Bau. In Stade sieht es ähnlich aus. Dort wird im ersten Quartal 2023 die Kita Benedixland eröffnet, die Platz für 105 Kinder bietet. Die gleiche Anzahl an Plätzen wird auch die Kita auf dem Bildungscampus Riensförde (BCR) haben, die im September 2023 in Betrieb gehen soll.

Mit beiden Einrichtungen werde sich die Situation bei der Stader Warteliste entsprechend verbessern, meint Stades Pressesprecher Stephan Voigt - unter der Voraussetzung, ausreichend Personal für die beiden Kitas zu finden. Denn fehlende Plätze bedeuten nicht nur fehlende Gebäude. Das Hauptproblem sind die Fachkräfte. "Der Markt ist leergefegt", erklärt Andrea Lange-Reichardt. Die Leiterin der Fachgruppe Kinder und Familie der Buxtehuder Stadtverwaltung beschäftigt sich seit Jahren mit Anspruch und Wirklichkeit bei der Kinderbetreuung.

Ein einfaches Rechenbeispiel: Wenn Buxtehude alle Kitas neu gebaut und eröffnet hat, sind 30 zusätzliche Vollzeitstellen notwendig. Wobei 30 Vollzeitstellen deutlich mehr als 30 Mitarbeitende bedeuten. Denn nicht alle Fachkräfte wollen Vollzeit arbeiten und für die Betreuungszeiten morgens und spätnachmittags werden ohnehin Mitarbeitende mit weniger Stunden gebraucht.

Mit den Erfahrungen aus jüngster Vergangenheit und Gegenwart glaubt Andrea Lange-Reichardt nicht an einen Kurswechsel, der für genügend Personal sorgt. Der Knackpunkt sei nach wie vor die fehlende Vergütung in der Ausbildung. "Welcher 17- oder 18-jährige Schulabsolvent will eine vier Jahre dauernde Ausbildung absolvieren, ohne dass es ein Gehalt gibt?" Zudem müsse die Ausbildung viel stärker dual, also mit mehr Praxis, ausgerichtet sein.

Wenn es auf diesem Themenfeld nicht deutschlandweit eine andere Lösung gebe, werde der Fachkräftemangel bleiben. Alle Kitas in kommunaler Trägerschaft könnten zudem nicht in Eigenregie an den Tarifen drehen, um Fachkräfte besser zu bezahlen.

Natürlich könne jede Kommune daran arbeiten, die Jobs in den eigenen Kitas und Krippen attraktiver zu machen. In Buxtehude will eine Arbeitsgruppe das Thema angehen. Verbesserungen können zum Beispiel mehr Fortbildungen sein, oder - ganz lebenspraktisch - eine andere Möblierung für ältere Mitarbeitende, die nicht mehr stundenlang auf kleinen Kinderstühlen sitzen wollen. "Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir handeln", sagt Andrea Lange-Reichardt.

Die von Bildungsexperten nach der niederschmetternden Bertelsmann-Studie (in Deutschland fehlen 2023 rund 400.00 Kitaplätze) gemachten Vorschläge zur Reduzierung der Betreuungszeit findet die Fachfrau abwegig. Das ergebe höchstens eine Handvoll Plätze mehr. Die meisten Eltern haben Bedarf an Betreuung für ihre Kinder von morgens bis in den Nachmittag, wenn beide berufstätig sind.

"Solange die Ausbildung des Nachwuchses nicht verbessert und vor allem vergütet wird, werden wir immer Mangelverwaltung betreiben."

Kita-Öffnung: Wieso redet niemand über das Personal?
Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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