Gespräch mit Beraterinnen von "Lichtblick"
Missbrauch auch bei uns, nicht nur irgendwo anders

Colette Schiwietz (li.) und Birgit Staggat beraten bei "Lichtblick" Menschen, die von sexueller Gewalt betroffen sind | Foto: tk
  • Colette Schiwietz (li.) und Birgit Staggat beraten bei "Lichtblick" Menschen, die von sexueller Gewalt betroffen sind
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tk. Buxtehude. Sexueller Missbrauch ist noch immer ein Thema, das in der Gesellschaft stark tabuisiert ist. "Das geschieht anderswo, in einem anderen Land, aber doch nicht bei uns", sagt Colette Schi-wietz über das Verdrängen eines real existierenden Problems. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Birgit Staggat ist sie bei "Lichtblick", der Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt in Buxtehude, Ansprechpartnerin für Menschen, die diese Form massiver Übergriffe erlebt haben.

Das WOCHENBLATT hat bei den beiden Expertinnen aufgrund der aktuellen Berichterstattung und vieler Leserreaktionen zu einem Prozess wegen sexuellen Missbrauchs in Buxtehude nachgefragt. Der Täter, der seine Enkelin und zwei Nichten missbraucht hatte, ist mit einer Bewährungsstrafe glimpflich davongekommen. "Manches Mal wünschen wir uns, dass der mögliche Strafrahmen auch ausgeschöpft wird", sagt Staggat.

Dass die Betroffenen noch zu wenig im Fokus stehen und es deutlich mehr Angebote zur Prävention geben müsste, habe aber nichts mit einer Verschärfung von Gesetzen zu tun. "Wir brauchen eine Veränderung in der Gesellschaft und der Politik", sagt Staggat. In der Politik, weil dort die Mittel für Institutionen wie "Lichtblick" bereitgestellt werden. Rechnerisch bräuchte die Beratungsstelle, die für den gesamten Landkreis Stade mit Ausnahme der Stadt Stade zuständig ist, sieben bis neun Fachkräfte. Staggat und Schiwietz haben je eine Halbtagsstelle und keine Kollegen. "Wir suchen händeringend Verstärkung", sagt Staggat.
"Prävention ist ein Thema der gesamten Gesellschaft", sagt Schiwietz. Das beginne in der Kita und ende bei den Großeltern. "Wir müssen Kinder ernst nehmen", sagt Staggat. Ernst nehmen heiße auch, ihnen zu glauben, wenn sie über einen mutmaßlichen Missbrauch berichten. Damit Prävention funktioniert, braucht es aber nicht nur Geld, sondern auch die Bereitschaft, sich einzulassen. "Wenn wir an einem Infoabend für Eltern ein Theaterstück vor nur zwei Menschen aufführen, ist das traurig", so Staggat.

Damit die Betroffenen nicht allein bleiben, müsse sich der Blick auf Missbrauch endlich wandeln, ergänzt Schiwietz. Noch immer würden Sätze fallen wie "Die hat doch selbst schuld, weil sie einen kurzen Rock trug", berichtet sie aus ihrer Beratungspraxis. Und noch immer würden manche Betroffene sich  nicht zur Anzeige entscheiden, weil sie gerade im überschaubaren ländlichen Raum Stigmatisierung fürchten.
Für die beiden Lichtblick-Mitarbeiterinnen bedeutet ein besserer Fokus auf die Betroffenen von Missbrauch auch, sich Sätze wie "Ist doch schon so lange her, nun hab' dich nicht so" nicht zu sagen. Grundsätzlich wünschen sich Staggat und Schiwietz, dass es eine größere Plattform in der Gesellschaft gibt, um über sexuellen Missbrauch zu reden. "Wir brauchen so etwas wie einen roten Faden, wie wir als Gesellschaft damit umgehen", sagt Staggat. Denn Übergriffe und Missbrauch geschehen hier bei uns vor der Haustür und nicht irgendwo in einer anderen Welt.
Lesen Sie: Leserreaktionen zu einem aktuellen Missbrauchsfall

Hier gibt es Hilfe für Betroffene

Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt für Kinder und Jugendliche in der Stadt Stade: ( 04141-43646
Beratungsstelle "Lichtblick" für Jugendliche ab zwölf Jahren und Erwachsene in der Stadt Buxtehude und im Landkreis Stade: ( 04161-714715, E-Mail: lichtblick@awostade.de
Dunkelziffer e.V. für Kinder und Jugendliche im Landkreis Harburg: ( 040-421070010
Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" (kostenfrei und anonym): ( 0800-2255530, www.hilfetelefon-missbrauch.de

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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