Nach zwei Vergewaltigungen in Buxtehude: Wie tickt ein Sextäter?
(tk). Ein Unbekannter hat innerhalb von drei Wochen eine Schülerin (14) und eine junge Frau (20) vergewaltigt. Die Polizei ist überzeugt, dass es sich denselben Täter handelt. "Dreckskerl, krankes Hirn" sind nur einige der Äußerungen, die im Internet über den Sextäter kursieren. Wie tickt so ein Mensch, der am helllichten Tag zwei Opfer auf Schulhöfen vergewaltigt? Das WOCHENBLATT hat bei Dr. Dirk Hesse nachgefragt. Der Psychiater und Psychotherapeut leitet den Maßregelvollzug in Moringen. Dort sitzen auch Sexualstraftäter ein.
Es gebe verschiedene Gründe, warum ein Mann zum Sexualstraftäter werde. Den Prototyp des Vergewaltigers gebe es nicht, so Hesse. Vergewaltigungen nur mit Hass auf Frauen zu begründen, greife zu kurz. "Hass ist die Kehrseite des Wunsches nach Geliebtwerden", sagt der Psychiater.
Häufig könne man bei Sexualstraftätern ein geringes Selbstwertgefühl feststellen. "Sie kommen sich zumindest in Teilbereichen ihres Lebens klein vor." Es sei allerdings eine Fehleinschätzung, dass diese Täter grundsätzlich isolierte Einzelgänger sind. "Diese Menschen können durchaus in einer funktionierenden Partnerschaft leben", sagt Hesse.
Was für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen ist: Sehr oft gehe es den Tätern nicht nur um Macht, die sie über ihr Opfer ausüben, sondern auch um Nähe. "Liebe auf eine pervertierte Form", nennt der Psychiater das. Im Hintergrund spielten unerfüllte Sehnsüchte nach Nähe und Geliebtwerden eine Rolle, sagt der Therapeut, der in Moringen auch mit Sexualstraftätern arbeitet.
Ein anderer Tätertyp habe selbst Missbrauch und das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit erlebt. Als Problemlösung schlage deren Psyche vor, selbst zum Täter zu werden, so Hesse. Frauenhass, erklärt der Psychiater, seien "zwei Seiten einer Medaille". Es gebe Sexualstraftäter, die von der Mutter missbraucht wurden oder sich zumindest nicht ausreichend von ihr geschützt fühlten. Hass sei in solchen Fällen mit Gefühlen des nicht-wahrgenommen-werdens und ungeliebt-fühlens gleichzusetzen. Vergewaltigung als Delikt gegen Frauen könne der Versuch sein, diese Form des Hasseas in ein Geleibtwerden zu verwandeln.
"Ein sehr schwieriges Feld", sagt Psychiater Dirk Hesse über die Motive, die aus aus Männern Vergewaltiger machen. Die Menschen in Buxtehude schauen vor allem fassungslos auf das, was der Unbekannte seinen beiden Opfern angetan hat.
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