Parole für die Zukunft: Spiegel, Blinken, Schulterblick!
bc. Buxtehude. An alle Fahrprüfer der Republik: Bitte diesen Artikel nicht lesen! Eine simulierte Führerscheinprüfung als Reportage - im Nachhinein muss ich, WOCHENBLATT-Redakteur Björn Carstens (32), zugeben: Was für eine Schnapsidee! 15 Jahre nach meiner echten Prüfung habe ich mich erneut hinters Lenkrad gesetzt und unter den strengen Augen von Fahrlehrer Sven Antonczak (41) eine Fahrprüfung abgelegt.
Den Kopf zermartert, was alles passieren könnte, habe ich mir nicht gerade, als ich in den Golf der Buxtehuder „Fahrschule Biele“ einsteige und den Gurt anlege. Vielleicht hätte ich mehr Demut an den Tag legen sollen - so wie vor 15 Jahren, als ich mit schweißnassen Händen den Zündschüssel umdrehte. Gleich nach zehn Metern schieße ich den ersten Bock. In bester Tellerwäscher-Manier lenke ich den Golf vom Fahrschulhof. Sofort trifft mich ein kritischer Blick. Kapiert. Ab sofort kralle ich mich in der Zehn-vor-zwei-Haltung ans Steuer.
Fast schon krankhaft starre ich aufs Tacho. Bloß nicht zu schnell fahren in der Tempo-30-Zone. Klappt lange Zeit ganz gut. Bis, ja bis plötzlich die Zahl 35 im Armaturenbrett aufleuchtet! Schei...genaue Digitalanzeige. Egal, es geht weiter, immer weiter, denke ich an Oliver Kahns Lebensweisheit.
Dann ein Lob meines Fahrlehrers: Die Ampel springt auf Gelb um und ich steige nicht in die Eisen, wie es viele Fahranfänger tun würden, erzählt mir Sven Antonczak. „Gut haben Sie das gelöst“, sagt er und mir huscht ein Lächeln übers Gesicht.
Doch der nächste Patzer folgt sogleich. Den verlangten Spurwechsel starte ich regelkonform nach der durchgezogenen Linie, den Schulterblick deute ich aber offenbar nur an. Für meine Ausrede, ich leide unter einem steifen Nacken, hat mein Beifahrer nur ein müdes Lächeln übrig.
Meine „Tortur“ geht weiter über die Bundesstraße. Achtung beschrankter Bahnübergang! Tempo 50! Ich drossele die Geschwindigkeit und gleite sanft über die Schienen. Waaaas! Schon wieder falsch? „Ja“, sagt Sven Antonczak. Ich hätte noch langsamer fahren und gewissenhafter nach links und rechts blicken müssen. Gleichzeitig rauscht übrigens der Gegenverkehr mit 70 über die Gleise.
Rechts-vor-Links-Situationen löse ich hingegen professionell. Mein „Prüfer“ nickt: Alles richtig gemacht. Auch Einparken stellt mich vor keine große Herausforderung. Meine langjährige Erfahrung in Großstädten kommt mir zugute. Die nächste Aufgabe: Wenden!
Spiegel, Blinken, Schulterblick - alles okay. Doch dann das. Beim Rückwärtsfahren vergesse ich zu blinken. Ahhhh! An was man alles denken muss.
Hürde Stoppschild: Jetzt zeige ich es dem Fahrlehrer aber, feuere mich innerlich an. Ich bringe alle vier Räder zum Stillstand, schaue mich übertrieben genau um und fahre nach einer gefühlten Ewigkeit vorsichtig in die Straße. „Sie haben zu kurz angehalten“, heißt es später in der Analyse. Drei Sekunden seien Pflicht. Na gut, nächstes Mal benutze ich ‘ne Stoppuhr.
Nach 45 überaus stressigen Minuten folgt die Analyse auf dem WOCHENBLATT-Parkplatz. Das nachdenkliche Gesicht Sven Antonczaks lässt Schlimmes erahnen: „Durchgefallen!“, teilt er mir mit. Angesichts der vielen kleinen Fehler würde ich - sofern dies eine echte Prüfung gewesen wäre - keine Fahrerlaubnis erhalten. Angeblich soll ich nur 19 von 31 Schulterblicken gemacht haben. Pah!
Meine Laune sinkt weiter mit dem Ergebnis des theoretischen Prüfteils. Mein Gott! Wie soll ich denn nach 15 Jahren noch wissen, wieweit ich vor einem Andreaskreuz parken darf?
Ich tröste mich mit der Feststellung, dass wahrscheinlich 98 Prozent der Führerscheininhaber nach Jahren des angepassten Fahrens ebenfalls Schwierigkeiten hätten, die Fahrprüfung erneut zu bestehen. Schulterblicke vergesse ich auf jeden Fall nicht mehr.
Redakteur:Björn Carstens aus Buxtehude |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.