Die gravierenden lokalen Auswirkungen eines deutschlandweiten Problems
Pflegenotstand: Im Elbe Klinikum Buxtehude müssen Patientenzimmer abgeschlossen werden
tk. Buxtehude. Der Pflegenotstand ist schon seit längerer Zeit ein Problem, das immer wieder von der Politik und Betroffenen thematisiert wird. Was passiert, wenn er nicht nur ein Schlagwort, sondern bittere Wirklichkeit wird, lässt sich derzeit am Elbe Klinikum in Buxtehude erleben: Seit rund einem halben Jahr fehlen so viele Pflegekräfte, dass Patientenzimmer auf den Stationen dichtgemacht werden müssen. Es ist schlichtweg niemand da, der sich um die Kranken kümmern kann.
Nach WOCHENBLATT-Informationen war die Geriatrie vorübergehend komplett geschlossen und auf drei Stationen wurden jeweils zehn Betten eingemottet. Auch die Notaufnahme soll für zwei Tage nicht arbeitsfähig gewesen sein. "Ein Riesenproblem und eine schlimme Situation", sagt ein Insider.
Die Gründe, warum es bei der ohnehin dünnen Personaldecke zu einer weiteren Abwanderung der Pflegefachkräfte kommt, sind vielfältig und liegen nicht nur daran, dass die Elbe Kliniken nicht nach TVöD bezahlen. Der Nachbar Hamburg zahlt schlichtweg ein höheres Gehalt. "Das lohnt sich sogar noch, wenn man das HVV-Ticket selbst bezahlen muss", sagt der Insider. Um sieben bis acht Prozent würden die Hamburger Gehälter höher liegen.
Hinzu kommen zwei Stolpersteine, die sowohl Bund als auch Land den Pflegefachkräften beschert haben: In Niedersachsen muss der Zwangsbeitrag zur Pflegekammer entrichtet werden. Bei einer oberen Pflege-Gehaltsstufe sind das bis zu 170 Euro im halben Jahr. Das entfällt in Hamburg. Und: Der Bund hat zwar zugesichert, dass er die Pflege am Bett voll refinanzieren wolle, doch eine Einigung gibt es noch nicht.
"Der Mangel an Fachkräften in der Pflege ist ein bundesweites Problem", sagt Arturo Junge, Betriebsleiter am Elbe Klinikum Buxtehude. "Trotz eines effizienten Ausfallmanagements und dem Einsatz von ausgebildeten Pflegekräften auf Leihbasis, ist es in unserem Haus, wie in nahezu allen Krankenhäusern bundesweit, bei steigenden Patientenzahlen zeitweise zu Nichtbelegung gekommen. Wir konnten diese jedoch zeitnah wieder in Betrieb nehmen", sagt Junge. Die Notfallversorgung sei aber immer gewährleistet worden. Wobei das Problem in der Notaufnahme dadurch verschärft worden sei, dass die Klinik in Buxtehude zunehmend Versorgungsaufgaben aus dem Bereich der niedergelassenen Ärzte habe übernehmen müssen, so Junge.
Der Betriebsleiter erinnert daran, dass die Vergütung der Pflegekräfte in diesem Jahr deutlich verbessert worden sei (das WOCHENBLATT berichtete). Was derzeit aber noch problematisch ist: Der Bund habe angekündigt, die Kosten für das Pflegepersonal zu refinanzieren. "Es sind aber noch viele Fragen offen", sagt Arturo Junge. Es sei daher noch unklar, was diese Refinanzierungsregelung für die Standorte Stade und Buxtehude konkret bedeute. Klar sei aber, dass diese Summe an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege am Bett zu einhundert Prozent weitergegeben werde.
Wobei ein Krankenhaus-Insider bei diesem Thema anmerkt, dass es Pflegekräfte gebe, denen das zu lange dauere. Sie üben Druck auf Geschäftsführung und Aufsichtsrat aus und wollen wissen, wann es wie viel Geld zusätzlich gibt. Druck heißt: Die Fachkräfte sollen erklärt haben, dass sie sich auch anderswo umsehen könnten - was die angespannte Personalsituation mutmaßlich drastisch verschärfen würde. "Wobei in der Tat noch niemand weiß, wann es welche Summen gibt", so der Insider, der mit Fakten und Zahlen erst Mitte 2020 rechnet. Dann allerdings werde das zusätzliche Geld mit Sicherheit rückwirkend den Fachkräften gezahlt. "Die Krankenhausfinanzierung ist ein sehr komplexes Feld", ergänzt Betriebsleiter Junge.
Der Klinik-Insider sieht aber trotz der zu erwartenden Bundesmittel noch ein Problem: Die Pflege am Bett werde dann besser vergütet. Dadurch werde aber die Differenz zu bislang schon höher bezahlten Fachkräften, etwa im OP, der Notaufnahme oder der Intensivpflege geringer. Es könne also sein, dass sich dort dann Unzufriedenheit rege.
Die Geschäftsführung setzt für die Zukunft noch stärker darauf, dass das Personal für eine Vielzahl von Bereichen selbst ausgebildet wird. "Die Elbe Kliniken sind mit 400 Ausbildungsplätzen der größte Ausbildungsbetrieb im Landkreis Stade", so Arturo Junge. Davon entfallen jährlich 150 Plätze auf die Pflege. So genannte Recruiting-Maßnahmen sollen in Zukunft noch stärker ausgeweitet werden. Etwa durch Zielgruppenansprache. Außerdem wollen die Elbe Kliniken die positiven Seiten eines Jobs in Buxtehude und Stade hervorheben: individuelle Arbeitszeiten oder ein bezuschusstes E-Bike.
Wie dringend notwendig eine auskömmliche Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist, zeigt die Tatsache, dass an beiden Standorten die Patientenzahl ambulant und stationär zunehmen.
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