Ruprecht Eysholdt wird als Leiter des Buxtehuder Gymnasiums Süd verabschiedet
"Spielräume werden kleiner": Ein Schulleiter zieht Bilanz
tk. Buxtehude. "Einen kritischen Blick muss man haben, wenn man aus Überzeugung Schulleiter geworden ist", sagt Ruprecht Eysholdt. Er hat das Gymnasium Süd in Buxtehude geleitet und wird in wenigen Tagen in den Ruhestand verabschiedet. Der scheidende Schulleiter war immer einer, der sich nicht scheute, Fehler in der Bildungspolitik klar zu benennen. "Bitte nicht nur Negatives schreiben", sagt Eysholdt im WOCHENBLATT-Gespräch. Denn vieles, was mit Schule und Schülern zu tun habe, sei rundweg positiv. Das Aber kommt natürlich schnell: "Wir haben es bei Lehrern und Schülern mit Menschen zu tun. Das wird zu oft von der Politik vergessen."
Ruprecht Eysholdt nennt ein Beispiel, das ihn Jahr für Jahr auf die Palme bringt: die Abordnungen von Lehrkräften an andere Schulen. Das habe an Intensität deutlich zugenommen. So werde kaputt gemacht, was Kollegien aufgebaut haben. Nur damit das Land auf eine insgesamt zufriedenstellende Quote bei der Unterrichtsversorgung verweisen könne. "Warum müssen wir einen Kunstlehrer an die IGS abgeben, wenn die keinen hat?", fragt Eysholdt.
"Spielräume, die wir brauchen, werden enger", so die Grundsatzkritik des Schulleiters. Schule könne nicht zentral entworfen, sondern müsse vor Ort gestaltet werden. Schulidentität bedeute, dass aus Überzeugung Dinge gemacht werden. Auch notwendige Rückkopplungen zwischen Schülern und Lehrern leiden darunter. "Wir müssen Talente und Schwächen unserer Schülerinnen und Schüler erkennen, gezielt und individuell arbeiten können." Je enger der Spielraum dafür werde, desto größer sei die Gefahr, dass Kolleginnen und Kollegen ihre innere Kündigung formulieren. Etwas, das nach Eysholdts Überzeugung langfristig doppelt negative Folgen haben wird: Schüler, die heute erleben, wie ihre Lehrer Probleme durch zu viele bürokratische Vorgaben haben, würden wohl kaum auf Lehramt studieren wollen.
An einem Punkt stellt Ruprecht Eysholdt der Kultusbürokratie übrigens eine hervorragende Note aus: Dass es durch die eigenverantwortliche Schule möglich sei, selbst Lehrkräfte auszuwählen "ist hervorragend". So sehe man, ob jemand ins Team passe. Was er zuvor bei Bewerbungsgesprächen in Lüneburg miterlebt habe, sei mehr das Abfragen von Fachwissen und weniger das Schauen auf eine persönliche Eignung für genau diese Stelle gewesen. Ansonsten sei es mit der Eigenverantwortlichkeit von Schulen nicht weit her, so Ruprecht Eysholdt. Schule, die eigenverantwortlich sein wolle, brauche mehr Zeit, etwa für Steuerungsgruppen, und deutlich mehr Spielräume. "Wo wollen wir hin und wo stehen wir auf diesem Weg", seien Fragen, die viel zu wenig gestellt und beantwortet werden, weil Zeit und Freiraum fehlen.
Bei der Frage, wie ein Gymnasium der Zukunft aussehen müsste, führt der Schulleiter sofort kleinere Klassen an. "30 Kinder in einer fünften Klasse sind zu viel." 20 bis 25 wäre eine gute Zahl, um besser arbeiten zu können.
An einem Punkt stört es Ruprecht Eysholdt überhaupt nicht, dass ihn seine Position sehr schnell ihn in den Fokus der Kritik rückt: "Ich bin vom Gymnasium als Schulform überzeugt", sagt er. Und drückt gleichzeitig seine Befürchtung aus, dass das in der Bildungspolitik anders gesehen werde.
Was sich ohne Zutun aus der Politik sehr stark verändert hat: Schülerinnen und Schüler seien heute sehr viel handzahmer und weitaus weniger diskussionsfreudig als früher. "Schule muss kritisches Denken fördern", findet Ruprecht Eysholdt - gerade in Zeiten von digitaler Überflutung und Fake News. Schule muss wieder stärker ein Ort werden, der kritisches Denken und Hinterfragen fördere. "Wenn nicht in der Schule, wo dann?"
Ein Artikel über Schule in dieser Zeit kommt an der Pandemie nicht vorbei. "Wir sind da so reingeschliddert", meint Eysholdt trocken. Was ihn in dieser Krise beeindruckt hat: Es habe sich sofort ein engagiertes Team am Gymnasium Süd gefunden, das die Umsetzung der mitunter sehr spät eintrudelnden Weisungen aus Hannover praktikabel gestaltet hat.
Wenn es einen Satz gibt, der seinen Wunsch für schulische Zukunft ausdrückt, dann wohl dieser: "Bildung ist unsere Zukunft und in die muss man investieren." Was andersherum auch bedeutet: Heute wird noch viel zu wenig Geld für gute Schule ausgegeben.
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