Stader Babyboom trifft auf Hebammen-Mangel
Im Landkreis Stade fehlen Hebammen und die Zahl der Geburten steigt
tk. Landkreis. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein: Eltern, die gerade ein Kind bekommen haben, werden anschließend noch für ein paar Wochen von einer Hebamme begleitet. Die Wirklichkeit im Landkreis Stade sieht aber anders aus: Es gibt Mütter und Väter, die keine Hebamme mit freien Kapazitäten finden. Und: Wer sich nicht ganz früh während der Schwangerschaft um eine Hebamme kümmert, findet keine mehr. Auf der anderen Seite aber steigen die Geburtenzahlen in den Elbe Kliniken in Stade und Buxtehude.
"Wir haben einen echten Hebammen-Mangel", sagt Manuela Raydt. Sie ist Kreisvorsitzende des Hebammenverbands Niedersachsen. Das WOCHENBLATT hatte schon mehrfach über diesen Mangel berichtet. Inzwischen ist er fast ein Notstand. Daher hat der Diakonieverband in Buxtehude ein Pilotprojekt gestartet: Ein Kursus für werdende Mütter, der von einer Hebamme begleitet wird. Immer wieder würden Frauen berichten, dass sie keine Hebamme finden, begründen die Projekt-Initiatorinnen der Diakonie ihr Vorhaben.
"Selbst eine frühzeitige Suche ist kein Garant dafür, eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung zu finden ", sagt Manuela Raydt. Gründe für die Situation: Es fehlt der Nachwuchs an diesen Fachkräften und die Hebammen, die sowohl in den Kreißsälen der Kliniken als auch freiberuflich in der Betreuung arbeiten, seien immer stärker in den Krankenhausalltag eingebunden, weil sie dort händeringend gebraucht werden.
"Wir haben einen Mangel an Hebammen und die Zahl der Geburten steigt", sagt Manuela Raydt. Und ihre Kollegin Dörte Heyn vom "Geburtshaus Stade" stellt fest: "Wir haben es versäumt, genug Nachwuchs für diesen wunderbaren Beruf zu begeistern." Leidtragende sind vor allem Eltern, die gerade Nachwuchs bekommen haben und in einer zunehmenden Zahl von Fällen keine Fachkraft für die Wochenbettbetreuung finden.
Vor einigen Jahren sorgten die exorbitant hohen Versicherungen, die Hebammen zahlen müssen, wenn sie Hausgeburten anbieten, bundesweit für Schlagzeilen. Auch im Kreis Stade wurde vehement von den Fachkräften dagegen protestiert. "Hausgeburten gibt es nicht mehr", stellt Dörte Heyn nüchtern fest. Ein Umstand, den sie sehr bedauert. Doch das ist nicht das einzige Problem.
In die Bredouille geraten viele Hebammen - und in Folge junge Eltern -, weil die Rechnung, Arbeit im Kreißsaal und freiberuflich in der vor- und nachgeburtlichen Betreuung "nicht mehr aufgeht". Die Hebammen würden gleichsam im Kreißsaal feststecken, weil sie dort weitaus stärker als noch vor einigen Jahren gebraucht werden. "Klinik und gleichzeitig freiberufliches Engagement funktionieren in vielen Fällen nicht mehr", sagt Dörte Heyn.
Der Landkreis Stade erlebt außerdem einen kleinen "Babyboom": Im Jahr 2017 kamen im Stader Elbe Klinikum 1.191 Babys auf die Welt, 2018 waren es 1.208. In Buxtehude waren es in diesen beiden Jahren 980 bzw. 968.
Die im Landkreis tätigen Hebammen beobachten außerdem, dass es eine wachsende Zahl von Frauen aus Hamburg gebe, die in den Nachbarlandkreis zur Entbindung kämen. Grund: In Hamburg seien Kreißsäale geschlossen worden oder arbeiten knapp oberhalb der Kapazitätsgrenze. Arturo Junge, Geschäftsführer des Elbe Klinikums in Buxtehude spricht zwar von "Einzelfällen", bestätigt aber grundsätzlich, dass die Hebammen im Landkreis Stade sehr gut ausgelastet seien.
Manuela Raydt freut sich angesichts des Fachkräftemangels darauf, dass die Hebammen-Zentrale für den Landkreis Stade kommt. Die Politik habe dafür grünes Licht gegeben. Es würden nur noch letzte Verhandlungen geführt und dann könne das Projekt starten. "Das löst zwar nicht alle Probleme, hilft frischgebackenen Eltern aber konkret." Etwa dadurch, dass die Suche nach einer Hebamme zentral an dieser Stelle erfolgt. Außerdem sei das Telefon immer von einer Fachfrau besetzt. Die könne Fragen beantworten und kompetent entscheiden, ob sie schnell eine Kollegin suchen muss oder selbst Zeit hat, mit vielleicht einem einzigen Hausbesuch ein Problem zu lösen oder Ängste zu nehmen.
Bleibt als große Zukunftsaufgabe das, was auch die Herausforderung beim Bewältigen des Ärztemangels auf dem Land ist: Die Fachkräfte von morgen davon zu überzeugen, dass Leben und Arbeiten zwischen Rübker Moor und dem Land Kehdingen reizvoll ist. "Hebamme ist ein wunderbarer Beruf", sagt Dörte Heyn. Sie würde ihn jederzeit wieder ergreifen.
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