Bei einem Psychiater nachgefragt
Wie tickt ein Brandstifter?
tk. Buxtehude. Ein 18-Jähriger gesteht, dass er sechs Mal am vergangenen Samstag in Buxtehude Feuer gelegt hat. Er wird aus dem Polizeigewahrsam entlassen und zündelt sonntags sofort weiter. Das erscheint völlig widersinnig. Wie ticken Brandstifter, wollte das WOCHENBLATT von Dr. Dirk Hesse, ärztlicher Direktor des Maßregelvollzugs in Moringen, wissen. Der Psychiater betont: "Den einen Typus Brandstifter gibt es nicht." Es handele sich um eine heterogene Persönlichkeitsstörung. Neben hirnorganischen Veränderungen und Psychosen (die Stimme, die befielt, Feuer zu legen) gebe es bei Brandstiftern jedoch einige Merkmale, die häufiger anzutreffen seien, so Hesse.
Der Psychiater nennt mangelndes Selbstwertgefühl und schwache Persönlichkeit als mögliche Motive. "Diese Menschen erleben sich als nicht selbstwirksam." Wer Feuer lege, erfahre eine Art Auftrieb. "Dadurch wird eine ganze Handlungskette in Gang gesetzt", sagt Hesse. Feuerwehr und Polizei rücken aus, Medien berichten. "Eine Aufmerksamkeit, die mit nur einem Zündholz entstanden ist", so der Fachmann.
Dass ein Brandstifter seine Taten wiederholt, könne mit dem Verhalten von Suchtkranken verglichen werden. Hesse spricht von einem dynamischen Prozess. "Die Dosis reicht nicht mehr", sagt Hesse.
Der Psychiater kann natürlich keine Bewertung über den aktuellen Fall des Buxtehuder Brandstifters abgeben. Dass bei Straftaten jemand ein Geständnis ablege und nach der Entlassung aus dem Polizeigewahrsam weiter mache, könne aber erklärbar sein. Wenn jemand erwischt werden wolle und wieder auf freien Fuß gesetzt werde, könne er den Eindruck bekommen, dass "noch richtig was draufgesetzt" werden müsse, um schließlich doch aus dem Verkehr gezogen zu werden.
Dass der 18-Jährige nicht sofort in U-Haft genommen wurde, liege daran, dass Juristen an ihre Gesetze gebunden seien. "Aus gutem Grund soll Willkür verhindert werden." Eine Bewertung durch Psychiater könne aber davon abweichen.
Als seine persönliche Meinung zur Faszination des Feuers fügt Dr. Dirk Hesse hinzu: Flammen hätten etwas Archaisches. Manche Menschen würden darin auch eine reinigende Kraft sehen. "Da kommt bei uns der Neandertaler wieder durch." Hesse nennt das "unbewusste archaische Gefühle".
Dass ein junger Mann als Brandstifter auffalle, könne mit Auffälligkeiten auf der Schwelle zum Erwachsenwerden zu tun haben. "So etwas erleben wir häufiger", sagt Hesse. Eine Situation spitze sich zu, es fehlen Vertraute und Ansprechpartner. "Was läuft da schief, ist die Frage, die gestellt werden muss." Ziel einer Therapie sei es in diesen Fällen, dass die Betroffenen ihre Problemlage erkennen und sie sich selbst Hilfe holen, ohne dass es zu einer Intervention Dritter oder zu Aussetzern komme.
Brandstiftung ist übrigens ein Delikt, das weit häufiger vorkomme als vermutlich von vielen Menschen angenommen. Zehn Prozent der Patienten im Maßregelvollzug in Moringen seien wegen dieser Straftaten dort. Die Zahl liege bei 20 bis 30 Patienten, so Hesse.
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