Gegen Judenhass und für Demokratie
150 Teilnehmer bei Kundgebung in Buxtehude

Foto: Stadtjugendring
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Rund 150 Teilnehmer versammelten sich am vergangenen Samstag in der Buxtehuder Innenstadt zur Kundgebung „Gegen Judenhass, für Freiheit und Demokratie, in Israel und Deutschland“. Vor dem Hase-und-Igel-Brunnen setzten die Redner Achim Biesenbach, Niels Kohlhaase (beide Stadtjugendring und CDU) und Joachim Fuchs (Lehrer an der Integrierten Gesamtschule Buxtehude und voraussichtlicher Bundestagskandidat der Grünen)  eindrucksvolle Zeichen für Solidarität mit Israel, gegen Antisemitismus und für die Stärkung demokratischer Werte. Die Veranstaltung wurde vom Stadtjugendring Buxtehude organisiert, unterstützt durch zahlreiche Jugend- und Parteienorganisationen: darunter die Deutsch-Israelische Gesellschaft Buxtehude, Freie Evangelische Gemeinde Buxtehude, Jesus-Gemeinde Buxtehude, Junge Union und CDU Buxtehude, Jungsozialisten und SPD Buxtehude, Grüne Jugend und die Grünen Buxtehude sowie die Jungen Liberalen und FDP Buxtehude.

Engagement und Solidarität im Stadtjugendring

Achim Biesenbach, Vorsitzender des Stadtjugendrings Buxtehude, eröffnete die Kundgebung mit einem Einblick in die langjährige Partnerschaft mit Israel. Der Stadtjugendring organisiert seit beinahe einem Jahrzehnt einen Jugendaustausch mit der israelischen Stadt Netanya, in dessen Rahmen Jugendliche Einblicke in die Kulturen und Lebenswelten beider Länder erhalten. „Unsere Jugendlichen kommen gestärkt und mit neuem Selbstvertrauen aus Israel zurück“, so Biesenbach. Er betonte, wie wichtig es sei, durch Austausch und persönliche Begegnungen Vorurteile abzubauen und das Verständnis für die Vielfalt Israels zu fördern. Der Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 habe die diesjährige Austauschgruppe dazu veranlasst, nach Frankfurt auszuweichen, wo die Begegnung dennoch wertvolle Eindrücke hinterließ. „Wir hoffen, dass die Freundschaft zwischen beiden Ländern in eine friedlichere Zukunft führen wird“, erklärte Biesenbach.

Schutz und Wachsamkeit gegen Judenhass

Joachim Fuchs, Lehrer an der Integrierten Gesamtschule Buxtehude und voraussichtlicher Bundestagskandidat der Grünen, rief zu einer klaren Haltung gegen Judenhass und Rassismus auf. Er schilderte das bedrückende Bild jüdischer Schulen in Deutschland, die nur unter Polizeischutz erreichbar sind. „Es ist unerträglich, dass diese Schutzmaßnahmen notwendig sind“, betonte Fuchs, und unterstrich die Verantwortung aller, Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung in der Gesellschaft entgegenzutreten. In seinem emotionalen Appell verurteilte er die Gewalt im Nahen Osten und betonte die Bedeutung der Medienkompetenz im Umgang mit Propaganda und Fehlinformationen.

Niels Kohlhaase: Ein Aufruf zur gesellschaftlichen Verantwortung

Niels Kohlhaase, ebenfalls Vorstandsmitglied im Stadtjugendring, knüpfte in seiner Rede an die historische und gegenwärtige Bedeutung der deutsch-israelischen Solidarität an. Er hob hervor, dass die Sicherheit Israels als einzige Demokratie im Nahen Osten auch für Deutschland von großer Bedeutung sei. „Der Kampf gegen Antisemitismus ist nicht allein die Aufgabe der jüdischen Gemeinschaft, sondern von uns allen“, betonte Kohlhaase und wies auf die verschiedenen Formen von Judenhass hin, die sich teils subtil im Alltag zeigten. Er rief die Zuhörer dazu auf, sich aktiv in der Gesellschaft und Politik zu engagieren und die Werte der Demokratie zu verteidigen. „Der Schutz jüdischen Lebens ist ein Gradmesser für den Zustand unserer Demokratie“, so Kohlhaase.

Ein starkes Zeichen für Frieden und Zusammenhalt

Die Kundgebung in Buxtehude verdeutlichte, wie dringlich das Thema Antisemitismus auch heute ist und wie wichtig eine solidarische Haltung gegenüber Israel und allen Minderheiten ist. Auch wenn Achim Biesenbach deutliche Kritik an der Politik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu äußerte, machten alle drei Redner klar, dass der Schutz demokratischer Werte und der Einsatz gegen Judenhass gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind.
Die Veranstaltung endete mit einem eindringlichen Appell zur gesellschaftlichen Verantwortung, die Werte Freiheit, Toleranz und Frieden zu bewahren und für die kommende Generation zu stärken.
"Wir haben nach der Veranstaltung sehr viel positives Feedback bekommen und planen, die Kundgebung im kommenden Jahr zu wiederholen", so Achim Biesenbach.

https://www.sjr-buxtehude.de/


Die Rede von Achim Biesenbach:

Liebe Buxtehuderinnen und Buxtehuder, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde Israels und ein herzliches Moin Moin an alle Freunde der Jugendarbeit,

mein Name ist Achim Biesenbach und ich spreche heute als Vorsitzender des Stadtjugendring Buxtehude. Der Jugendring ist der Dachverband der Organisationen und Vereine, die in Buxtehude Jugendarbeit machen. Unsere Mitglieder sind kleine und große Sportvereine, konfessionelle und politische Jugendgruppen, die Blaulicht-Organisationen und einige mehr – insgesamt 53 Vereine bilden die Vielfalt der Angebote in der Stadt ab.

Die Mitveranstalter der heutigen Kundgebung sind allesamt mit dem Stadtjugendring freundschaftlich verbunden:

Deutsch-Israelische Gesellschaft Buxtehude
Freie Evangelische Gemeinde Buxtehude
Jesus-Gemeinde Buxtehude
Junge Union & CDU Buxtehude
Jungsozialisten & SPD Buxtehude
Grüne Jugend & die Grünen Buxtehude
Junge Liberale & FDP Buxtehude
Ich darf Sie daher auch in ihrem Namen willkommen heißen.

Heute erwarten Sie zwei weitere Redebeiträge: Nach mir spricht Joachim Fuchs, er ist Lehrer der Integrierten Gesamtschule Buxtehude und voraussichtlicher Bundestagskandidat der Grünen. Den Schluss macht Niels Kohlhaase, mein Vorstandskollege im Stadtjugendring und ebenfalls langjähriger Israel-Freund.

Der SJR ist das Buxtehuder Netzwerk der Jugendarbeit. Der SJR ist überparteilich und unkonfessionell, aber alles andere als unpolitisch: Der SJR bezieht Position im Interesse der Vereine, der Ehrenamtlichen und Nutzer – also der Kinder und Jugendlichen unserer Hansestadt.

Als freier Träger bieten wir Freizeitoptionen und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten für junge Mitmenschen. Dazu gehören das Kinderforum im Märchenviertel, die Ausbildungsmesse im Schulzentrum Süd, eine Jugendleiterausbildung – und eben auch der außerschulische Austausch mit Israel.

Israel-Austausch
Seit knapp zehn Jahren engagiert sich der Stadtjugendring im Austausch mit Israel. Jedes Jahr fährt eine Jugendgruppe, bestehend aus einem Dutzend Buxtehuder, nach Netanya – und erhält im Anschluss einen Gegenbesuch zu Hause. Die Jugendlichen übernachten in Gastfamilien, wodurch quasi auch die Familien am Austausch teilhaben.

Beim internationalen Austausch lernen Jugendliche viel über ihren Austauschpartner, über das Gastland Israel und erleben sprachliche und kulturelle Herausforderungen. Wer beim Austausch mitmacht, legt automatisch Stereotype ab. Gleichzeitig lernt man dabei etwas über die eigene Kultur, über einen selbst, und gewinnt Selbstvertrauen.

Unsere Jugendlichen kommen größer aus Israel zurück, selbstbewusst, neugierig und häufig auch sozial engagiert. Fast alle sind positiv überrascht von Israel, beschreiben ihre Austauscherfahrungen als lebensverändernd und einige haben dort bereits ein Freiwilligenjahr verbracht.

Die meisten treffen beim Austausch das erste Mal in ihrem Leben auf jüdische Menschen – und stellen überrascht fest, dass jüdische Jugendliche auch einfach nur Jugendliche sind – mit ähnlichen Herausforderungen im Erwachsenwerden und im Alltag.

In diesem Jahr stand der Jugendaustausch im Schatten des 7. Oktober: Wir hofften lange auf ein Ende des Krieges – und entschieden dann im Frühjahr, dass das normale Programm nicht umsetzbar ist. Wir wollten aber auch nicht untätig bleiben und organisierten eine Austausch-Woche in Frankfurt am Main, die Stadt bietet deutsch-jüdische Geschichte im Laufe der Jahrhunderte und ist wirklich einen Besuch wert.

Or, eine israelische Teilnehmerin, sagte uns:
„Die Woche in Frankfurt war sehr bedeutungsvoll für mich. Ich war noch nie außerhalb Israels und es während eines Krieges zu tun, war eine gute Auszeit und sehr interessant.“

Hila, eine weitere Teilnehmerin schreibt:
„Meine Hoffnung für die gemeinsame Zukunft unserer beiden Länder und die deutsch-israelische Freundschaft ist, dass wir alle Vorurteile und Stereotypen hinter uns lassen und gemeinsam in die Zukunft blicken können.“

Im Rahmen unserer Austauschprogramme war ich drei Mal in Israel und hatte immer wieder verblüffende Aha-Momente. Lassen Sie mich Ihnen anhand eines Beispiels erläutern, weshalb das in Deutschland verbreitete Israel-Bild schlicht und ergreifend unterkomplex ist.

Israel ist nicht weiß
Bei Staatsgründung 1948 lebten rd. 650k überwiegend europäisch-stämmige Juden im Land (Aschkenasim). Sie stammten aus Mittel- und Osteuropa, insbesondere aus Deutschland, Polen und Ungarn – zu dieser Zeit war die Bevölkerung tatsächlich weiß.

Doch unmittelbar nach dem überraschenden Sieg im Unabhängigkeitskrieg setzte eine Einwanderungswelle ein: Orientalische Juden (Mizrachim) kamen aus Nordafrika – von Marokko bis Ägypten – aber auch aus der anderen Richtung – aus Indien, Pakistan, Iran, Irak, Syrien und Jordanien. Innerhalb einer Generation siedelten nahezu alle orientalischen Juden nach Israel über – und stellten ab Mitte der 1970er Jahre die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung.

In den 1980ern begann die Einwanderung der äthiopischen Juden, der Beta Israel oder Falaschen. Ein spannendes Kapitel, da die Einwanderer überwiegend Analphabeten waren und bis heute große Integrationsprobleme haben. Die größte äthiopische Community lebt in unserer Partnerstadt Netanya und wir freuen uns sehr, wenn äthiopische Jugendliche unser Austauschprogramm bereichern.

Schließlich setzte in den 1990ern die große Einwanderungswelle aus der Sowjetunion ein: Über 1 Mio. Russen und Ukrainer siedelten in wenigen Jahren über und bilden heute die größte Landsmannschaft in Israel.

Kurzum: Die jüdische Bevölkerung Israels ist ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und weit weniger homogen als der Blick aus der Ferne suggeriert.

Diese Vielfalt setzt sich im Glauben fort: Säkularen Juden, die das Land gründeten, stehen zunehmend religiöse und orthodoxe gegenüber. Die verarmte Gruppe der kinderreichen Ultra-Orthodoxen wächst rasant. Diese Spannungen führen zu sozialen Konflikten.

Als problematisch erachte ich die zweifelhafte Person des langjährigen immer mal wieder Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, der es sich inzwischen mit so ziemlich jedem vernünftigen Koalitionspartner verscherzt hat und sich nur noch mittels zweier rechtsextremer Parteien im Amt halten kann. Die Wirrköpfe dieser ultrareligiösen rechtsextremen Parteien tätigen regelmäßig Äußerungen zur religiösen Landnahme im Westjordanland und in Gaza.

Netanyahu kann sich dagegen nicht durchsetzen, ohne seine Regierung zum Platzen zu bringen. Er erweist Israel damit einen Bärendienst und untergräbt die Glaubwürdigkeit des Landes. Im Interesse der israelischen Demokratie wird es Zeit für Netanyahus Ruhestand.

Zu allem Überfluss ist Netanyahu im Amt, während Israel vom Iran und seinen Terroristen-Proxys Hamas, Hisbollah und Huthi angegriffen wird.

Schwarzer Sabbat
Am 7. Oktober 2023, es ist Samstag, also Sabbat, die meisten Handys sind aus, es ist Feiertag, viele Israelis sind auf Familienbesuch. Nur die jungen Besucher des Nova Festivals sind noch wach, als die Sonne aufgeht – ein Highlight bei dem Rave. Um 6.29 Uhr sehen sie Raketen am Himmel und freuen sich zunächst über das Feuerwerk des Iron Dome. Die Terroristen der Hamas überwinden den Grenzzaun und beginnen eine grausame Serie von Angriffen auf zivile Gebiete und Familien.

Israel hat im Frühjahr einen gesetzlichen Gedenktag zum Jahrestag des Schwarzen Sabbat beschlossen – heute finden im ganzen Land Gedenkveranstaltungen statt. Mein Freund Nitzan wohnt in einem Vorort von Tel Aviv und berichtet, dass er jeden Samstag Abend an den Kundgebungen in Tel Aviv teilnimmt, wo sich zehntausende versammeln, um die Rückkehr der Geiseln zu fordern.


Die Rede von Joachim Fuchs:

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

jeden Morgen geht es gegen halb 8 los: Kinder und Jugendliche strömen von überall her, haben sich mit Freund
verabredet, um gemeinsam mit der Bahn, dem Rad oder zu Fuß zur Schule zu kommen oder werden von den Eltern auf deren Weg zur Arbeit vor der Schule abgesetzt.

Eine Situation, die sicher alle von euch kennen! Und ich finde, das ist ein wunderbarer Moment, mit dem ich gerne meinen Tag an der Schule starte: Die unterschiedlichsten Menschen kommen von überall her, um gemeinsam zu lernen, spielen, lachen und ja, manchmal auch zu weinen und ein wenig zu leiden.

Weil ich diese Situation so schön finde, macht mich ein Gespräch mit einer Polizistin aus Hamburg als Lehrer, aber auch als Vater, nach wie vor sprachlos: Sie erzählte mir von ihrer Aufgabe, sich täglich um die Sicherheit an der jüdischen Schule in Hamburg zu kümmern.

Jeden Morgen sichert sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen das Ankommen der Schulkinder ab. Immer sind vier Polizeibeamtinnen und -beamte vor Ort, um das Gebäude zu schützen – und zu Schulbeginn sowie -schluss wird die Sicherheit durch zusätzliche Kräfte verstärkt.

Was muss das für Eltern, Lehrende und Familien bedeuten, wenn sie ständig in der Angst leben, dass ihren Kindern etwas passieren könnte – nur weil sie eine jüdische Schule besuchen? Wenn ihre Kinder nur unter Polizeischutz zur Schule gehen können? Und sie jeden Morgen von teils schwer bewaffneten Polizist
begrüßt werden. Ich kann es mir ehrlich gesagt - wie sicher viele von Euch - nicht vorstellen!

Trotzdem ist das Realität - nicht nur in Hamburg - sondern an sehr vielen Orten in Deutschland!

Lasst mich eines klarstellen: Ich bin dankbar, in einem Land zu leben, in dem wir uns das leisten können, Einrichtungen, Menschen zu schützen. Dankbar für die Polizist
, die sich jeden Tag für den Schutz und die Sicherheit - auch jetzt und hier - einsetzen. Ich finde es aber unerträglich, dass wir uns das leisten müssen!

Heute stehen wir hier zusammen, um ein starkes Zeichen zu setzen – gegen Judenhass und Antisemitismus, für Freiheit und Demokratie. Wir dürfen uns nicht wegducken, wenn es um diese wichtigen Themen geht, vielmehr müssen wir uns dem Judenhass und Antisemitismus und jeder Form von Rassismus und Ausgrenzung in unserer eigenen Gesellschaft bewusst werden.

Und wir müssen laut und klar unsere Stimme dagegen erheben! Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dafür einzustehen, dass jeder Mensch in Deutschland angstfrei leben kann – unabhängig von seiner Religion, Herkunft oder Kultur.

Während wir heute hier stehen, wissen wir, dass die Welt nicht nur in Deutschland, sondern auch in Israel, Gaza, im Libanon, im gesamten Nahen Osten in großer Unruhe ist. Der Angriff vom 7. Oktober auf Israel war ein schreckliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er war ein Angriff auf die Werte, die wir als demokratische Gesellschaften hochhalten: Freiheit, Sicherheit und das Recht auf ein Leben in Frieden. Und das muss und darf verteidigt werden. Wir verurteilen diesen brutalen Terroranschlag aufs Schärfste und können uns kaum vorstellen, welches Leid die Opfer, insbesondere die Geiseln und ihre Familien, durchmachen. Unsere Gedanken sind bei ihnen und ihren Angehörigen.

Wir verurteilen den Angriff auch deshalb, weil er auch ein Angriff auf die Friedensbemühungen der Welt und die Menschen im gesamten Nahen Osten war.

Die Eskalationsspirale, die wir alle seit über einem Jahr mit Schrecken beobachten, vergrößert jeden Tag das Leid. In Israel, wo bei den Angehörigen der Geiseln jeden Tag die Hoffnung mehr schwindet, ihre Angehörigen jemals wieder zu sehen, wo zehntausende Menschen aus ihren Häuser vertrieben wurden.

In Gaza, wo vor allem Kinder und junge Menschen in einer ausweglosen Situation gefangen sind. Wo sie keinen Zugang zu grundlegenden humanitären Bedürfnissen wie Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung haben. Wo sie unter einem Konflikt leiden, den sie nicht verursacht haben und dem sie nicht entkommen können.

Im Libanon, wo Krankenhäuser, Schulen bombardiert und Menschen gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen. Aber auch in allen Nachbarländern, in denen die Angst vor einer weiteren Eskalation wächst und die Menschen vor allem eines wollen: In Frieden und Sicherheit zu leben.

Wir sehen, wie Fronten sich wieder verhärten, wie Menschenrechte und Völkerrecht von den Kriegsparteien ignoriert werden und Freiheit, Frieden und Demokratie so weit weg erscheinen. Das muss ein Ende haben.

Wir sehen aber auch, wie dieser Konflikt seine Auswirkungen hier vor Ort hat. Wie Social Media gezielt als Waffe eingesetzt wird, um Fake News und Terrorpropaganda zu verbreiten. Wie hier auch antisemitische Narrative verbreitet werden.

Ich erlebe in der Schule immer wieder, wie wichtig an dieser Stelle Medienbildung ist, insbesondere für junge Menschen. Wie wichtig das für das Funktionieren einer Demokratie ist.

Und wir sehen auch, wie Debatten unmöglich gemacht werden, weil wir uns entscheiden müssen: Das Existenzrecht Israels oder das Sehen des Leids der Palästinenser.

Bei all dem wird mir ein Satz immer wieder wichtig, den unsere Außenministerin Annalena Baerbock vor ziemlich genau einem Jahr gesagt hat und den ich aus voller Überzeugung teile: „Ohne die Anerkennung des Leids des anderen kann das eigene Leid niemals enden.“

Als Grüne setzen wir uns entschieden dafür ein, dass alle Menschen – in Israel, Gaza, Palästina und weltweit – in Freiheit und Sicherheit leben können. Wir wissen, dass dies in der Region derzeit nur schwer vorstellbar ist. Aber was wir hier, in unserem eigenen Umfeld – in Buxtehude, Hamburg, überall in Deutschland – tun können, ist es, für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der niemand in Angst leben muss.

Wir können uns dafür einsetzen, dass Eltern ihre Kinder mit gutem Gefühl in die Schule schicken können, egal ob sie jüdisch, muslimisch, christlich oder konfessionslos sind.

Wir dürfen nicht vergessen: Demokratie bedeutet, dass wir füreinander einstehen – im Kleinen, wie im Großen. Es bedeutet, dass wir uns gegen Hass, Intoleranz und Gewalt stellen, egal wo sie auftreten.

Und dass jede und jeder einzelne von uns hier dazu beitragen muss!

Vielen Dank, dass ihr alle hier seid, um ein Zeichen zu setzen gegen Judenhass, gegen Antisemitismus und jede Form von Rassismus und Diskriminierung!


Die  Rede von Niels Kohlhaase:


Liebe Buxtehuderinnen und Buxtehuder,

wir alle haben uns heute hier versammelt, um gemeinsam Stellung zu beziehen – gegen Judenhass, für Freiheit und Demokratie in Israel und Deutschland.

Im vergangenen Jahr starteten wir die Initiative zur Solidaritätskundgebung mit Israel als spontane Reaktion auf den Hamas-Angriff aus dem Gazastreifen auf Israel. Wir konnten uns damals nicht vorstellen, dass die direkten Reaktionen und Folgen immer noch so allgegenwärtig sein würden, dass der von der Hamas ausgelöste Krieg über ein Jahr dauern würde.

Die Welt hat sich am 7. Oktober 2023 schockiert abgewandt, als die radikalislamische Terrororganisation Hamas mit brutaler Gewalt Israel angriff. Es war ein Angriff auf das Leben unschuldiger Menschen, aber auch ein Angriff auf die Werte, die wir so hochhalten: das Recht auf Frieden, auf Freiheit und auf das Streben nach einem sicheren Leben, auf Unversehrtheit. Israel ist die einzig funktionierende Demokratie im Nahen Osten – diese Werte, die Israel täglich verteidigen muss, sind auch unsere Werte.

Was sagte Ehud Barak, ehemaliger Ministerpräsident Israels, einst: „Israel ist eine Villa im Dschungel.“ An dieser Aussage ist etwas Wahres dran.

Und ich stelle bereits zu Beginn meines Redebeitrags klar: Die Sicherheit und die Stabilität Israels müssen deutsche Staatsräson bleiben!

Die Folgen des Angriffs vom 7. Oktober reichen weit über Israels Grenzen hinaus. Auch hier in Deutschland, in unseren Städten und Gemeinden, spüren wir täglich die Erschütterungen. Wir erleben eine bedrückende Zunahme antisemitischer Vorfälle. Seit dem 7. Oktober des vergangenen Jahres wurden der RIAS – der Meldestelle für antisemitische Vorfälle – bundesweit über 4.700 antisemitische Übergriffe gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von rund 80 %. Dass Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Herkunft sich erneut fragen müssen, ob sie hier in Deutschland sicher sind, ob ihre Nachbarn und Kollegen ihnen offen begegnen oder insgeheim Vorurteile hegen – das ist eine Schande und eine Gefahr für uns alle!

Noch bevor die israelische Regierung auf die menschenverachtenden Gräueltaten der Hamas reagierte, schnellte der Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland in die Höhe. In zahlreichen Städten wurden die Terroristen für ihre feigen Taten gefeiert. Es wurde gesungen, gejubelt. Es wurden hasserfüllte Parolen wie „Tod den Juden“ skandiert. Laut Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, zeigt dies, dass „der Antisemitismus mit dem Verhalten von Jüdinnen und Juden und auch letztlich mit dem Verhalten von Israel nichts zu tun hat.“

Bis heute finden israelfeindliche Demonstrationen und Hasskundgebungen statt, auf denen immer wieder Hassrufe wie „Juden ins Gas“ zu hören sind. Synagogen werden angegriffen, Stolpersteine werden zerstört, jüdische Einrichtungen werden mit Hakenkreuzen beschmiert, jüdische Kinder werden bereits in jungem Alter von gleichaltrigen Mitschülern diskriminiert, auf offener Straße kommt es zu Spuckattacken, körperlichen und verbalen Übergriffen. All diese Vorfälle beschreiben den Alltag vieler Juden in Deutschland und zeigen ganz klar, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder mal bedroht ist.

Antisemitismus geht nicht nur von Islamisten, Rechtsextremisten und Linksextremisten aus. Es gibt mehrere Antisemitismusformen. Hier ein paar Beispiele für latent antisemitische Muster im Alltag:

Israel- und Judenhasser werden mit „propalästinensisch“ beschrieben, anstatt sie als beispielsweise Linksradikale zu bezeichnen.

Als Kritik an der israelischen Regierung getarnter Judenhass – niemand will antisemitisch sein, aber Israel-Kritik wird ja wohl noch erlaubt sein.

Die Sippenhaft von jedem einzelnen Juden für das Regierungshandeln in Israel – uns würde doch auch nicht in den Sinn kommen, einem Amerikaner Steine ins Haus zu werfen, wenn Donald Trump am 5. November wieder in das Weiße Haus gewählt werden sollte. Gott bewahre uns davor.

Trotz einer großen Unkenntnis in der Sachlage haben viele Bürger eine feste Meinung zum Nahost-Konflikt, sie geben ungefragt Ratschläge. Es gilt zu berücksichtigen, dass sich an der Lösung des Nahost-Konflikts so ziemlich alle US-Präsidenten seit 1948 abarbeiteten, jedoch ohne Erfolg.

Antisemitismus wird in Deutschland gut getarnt:

Von Rechtsextremisten als jüdische Weltverschwörung der Eliten oder als Holocaust-Leugner.
Von Linksextremisten als Israel-Kritik oder Post-Kolonialismus-Debatte – wie beispielsweise die vormalige Klima-Ikone Greta Thunberg.
Von Islamisten, die das Existenzrecht Israels ablehnen und die Morde vom Schwarzen Sabbat als Befreiungskampf legitimieren.
Um es klar auszusprechen: Jede dieser drei Formen des Judenhasses trägt faschistische Züge und ist menschenverachtend.

Hat unsere Gesellschaft, haben wir alle im Kampf gegen Judenhass versagt? Wie kann es sein, dass Islamisten und Extremisten erstarken? Wir sind doch die Mehrheit. Häufig jedoch die schweigende Mehrheit. Wir müssen aufstehen, Haltung zeigen, uns engagieren, unsere Demokratie, unsere Freiheit, unsere Vielfalt verteidigen! Der Kampf gegen Antisemitismus ist nicht die Aufgabe der jüdischen Deutschen, sondern von uns Nicht-Juden!

Demokratie erlaubt jeder und jedem von uns so zu sein, wie man möchte – und auch so zu bleiben. Menschen, die das nicht beachten, gehören nicht in öffentliche Positionen. Zuwanderer, die das nicht akzeptieren, gehören nicht dauerhaft in dieses Land. Wer unsere Toleranz von Religions- und Meinungsfreiheit in Anspruch nimmt, muss die Toleranz für jüdisches Leben in Deutschland aufbringen. Antisemitische Intoleranz muss spürbare Folgen haben.

Schutz jüdischen Lebens in Deutschland ist der Lackmus-Test für das Fortbestehen unserer Demokratie, genauer: für den funktionierenden Schutz von Minderheiten. In Anlehnung an ein Gedicht von Martin Niemöller:

Als sie die Juden vertrieben, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie die Reichen vertrieben, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Reicher.
Als sie mich vertrieben, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

Was können Sie tun?

Informieren Sie sich nicht über Social Media, sondern in seriösen Quellen. Über das aktuelle Geschehen in Israel z.B. in der Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung.
Teilen Sie unsere Aufrufe zur Kundgebung, aber seien Sie sonst wählerisch beim Teilen bestimmter Beiträge. Hinterfragen Sie die Absichten des Verfassers.
Werden Sie Mitstreiter der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Hier in Buxtehude gibt es eine aktive Arbeitsgemeinschaft, die sich über Zuwachs freut und mit dem Aufbau und der Ausgestaltung der Städtepartnerschaft eine interessante Aufgabe vor sich hat. Sprechen Sie mich oder Achim Biesenbach gleich im Anschluss gerne dazu an.
Unterstützen Sie eine politische Partei mit einer Mitgliedschaft oder werden Sie selbst aktiv in der Politik. Erst am Mittwoch berichtete Bundespräsident a.D. Christian Wulff auf einer Veranstaltung in Stade, dass in seiner Jugend rund 3 Mio. Bundesbürger Mitglied einer politischen Partei waren. 2023 waren es nur noch rund 1,1 Mio. Bürger. Es gibt Ortschaften, in denen sich keine Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters finden. In Buxtehude und vielen anderen Städten / Gemeinden wird es immer schwieriger, die Kommunalwahllisten zu füllen. Politik ist fester Bestandteil einer funktionierenden Demokratie und lebt von Menschen, die sich für die Gemeinschaft einsetzen. Christian Wulff betonte am Mittwoch: „Die Demokratie ist die einzige Staatsform, die von den Bürgern selbst abgeschafft werden kann. Sie muss aber auch von ihnen verteidigt werden.“
Seien auch Sie dabei, werden Sie aktiv! Und Spaß macht ein Ehrenamt ja schließlich auch!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch ein angenehmes Wochenende.

Redakteur:

Nicola Dultz aus Buxtehude

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