Buxtehuder Stadtverwaltung untersagt Veranstaltung: Syrien ist für die Halepaghenbühne zu politisch
Umstrittene Entscheidung der Stadtverwaltung: Lutz Jäkel darf nicht auf die städtische Bühne / Veranstalter "Stadtteileltern" sind entrüstet
tk. Buxtehude. Die Buxtehuder Stadtverwaltung sorgt derzeit für Negativschlagzeilen mit Widerhall weit über die Estestadt hinaus. Der Grund: Der Multimedia-Vortrag des deutschlandweit bekannten Fotografen, Reisejournalisten und Islamwissenschaftlers Lutz Jäkel aus Berlin, "Syrien. Ein Land ohne Krieg" darf nicht auf der Halepaghenbühne stattfinden. Begründung aus dem Stadthaus: Es handele sich um eine politische Veranstaltung und die sei in Schulen aufgrund der 2017 vom Rat verabschiedeten Regeln nicht erlaubt. Was das Verbot der Bühnennutzung heikel und zum Politikum macht: Veranstalter sind unter anderem die "Stadtteileltern", die sich seit vielen Jahren erfolgreich um die Integration von Geflüchteten kümmern und die für ihr Engagement sogar mit dem "Niedersächsischen Integrationspreis" ausgezeichnet wurden. Die Spitze der Stadtverwaltung sieht sich dagegen missverstanden und an den Pranger gestellt, bleibt aber bei ihrem Nein zur Halepaghenbühne.
Lutz Jäkel will mit seinem Multimediavortrag zeigen, dass Syrien nicht auf das reduziert werden darf, was an Bildern über Krieg und Terror medial immer präsent sei. Er selbst hat lange in Syrien gelebt. "Ich stelle Menschen und ein vielschichtiges Land vor", sagt er. Die Buxtehuder Bedenken kann er nicht nachvollziehen und kritisiert: "Mich hat keiner aus der Stadtverwaltung kontaktiert." Er hätte gerne persönlich erklärt, dass an seinem Vortrag nichts politisch im Sinne von parteipolitisch sei. "Abgesehen davon, dass Syrien aufgrund des Kriegs generell ein politisches Thema ist." Er fragt sich, woher die Stadt-Mitarbeiter überhaupt wissen wollen, dass sein Vortrag per se politisch sei. Was Jäkel zudem aufgefallen ist: Die Halepaghenschule hat den Leitsatz "Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage". Jäkel: "Da hätte ich gut mit meiner Veranstaltung hingepasst."
Lutz Jäkel: "Ich will Brücken bauen"
30 Vorträge habe er schon gehalten und 50 weitere seien fest terminiert. "Probleme wie in Buxtehude habe ich vorher noch nie gehabt", sagt Lutz Jäkel. Er sieht seine Vortragsreise auch als Versuch, Brücken zu bauen. "Hinterher sagen mir Zuhörer oft, dass sie die geflüchteten Menschen aus Syrien jetzt besser verstehen können." Das habe sogar in der "Pegida"-Hochburg Dresden funktioniert.
Die Buxtehuder Stadtverwaltung rechtfertigt die Untersagung mit dem neuen Regelwerk zur Nutzung städtischer Räume durch Dritte. Politische Veranstaltungen in Schulen dürfen daher nicht genehmigt werden. Fachbereichsleiter Ralf Dessel: "Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht." Nach eingehender Recherche sei aber klar gewesen, dass die Diskussion im Anschluss an den Vortrag ganz klar politische Dimensionen habe. Auf Ebene der Verwaltungsleitung sei daher diskutiert und entschieden worden. Dass die "Stadtteileltern" Kritik an der Verwaltung als Verhinderer üben, will Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt entkräften. "Wir haben sofort die Malerschule als Veranstaltungsort für diesen Vortrag reserviert." Sowohl Oldenburg-Schmidt als auch Dessel, die beide zu einhundert Prozent hinter der Absage stehen, räumen aber ein, dass es Ermessenspielräume bei der Auslegung der Regeln gebe. Katja Oldenburg-Schmidt: "Vielleicht müssen wir nachschärfen."
Den Vorwurf, der aktuell im Raum steht, dass die Veranstaltung aufgrund der Sorge vor Protesten von rechts nicht genehmigt worden sei, weist Ralf Dessel ausdrücklich zurück. "Das wurde von uns nie gesagt." Aus Kreisen der "Stadtteileltern" wird allerdings der Ausspruch kolportiert, dass sie doch besser "etwas zu Finnland" machen sollten.
Stadtteileltern appellieren an die Politik
Die "Stadtteileltern" haben inzwischen einen offenen Brief an alle Fraktionen des Rates geschrieben. Dr. Dunja Sabra stellt darin die Frage, ob die Absage des Syrien-Vortrags tatsächlich dem entspreche, was der Rat mit seinem Regelwerk zur Nutzung städtischer Räume habe erreichen wollen. Man hoffe auf Unterstützung aus der Politik, um die Veranstaltung doch noch auf der Halepaghenbühne stattfinden lassen zu können. Die Fraktion der Grünen hat bereits reagiert und mahnt eine ausführliche Erklärung seitens der Stadtverwaltung an. Dass die Politik in dieser sensiblen Angelegenheit außen vor geblieben sei, findet Grünen-Fraktionschef Michael Lemke falsch.
Ingrid Smerdka-Arhelger von der "BI Menschenwürde" ist Mitorganisatorin des Syrien-Vortrags. Sie zieht ein bitteres Fazit der Auseinandersetzung: "Die Buxtehuder Verwaltung ist visions- und mutlos. Sie verwaltet die Verwaltung."
Kommentar: Die Regeln ändern - sofort!
Die Buxtehuder Stadtverwaltung hat hinauf bis zur Führungsebene und der Bürgermeisterin eine Entscheidung getroffen, die falscher nicht sein könnte. Und das ohne Not. Ein Regelwerk wurde so eng ausgelegt, wie es nur eben geht. Die Begründungen, warum das richtig ist, überzeugen mich allesamt nicht. Hat Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt während ihrer Neujahrsansprache nicht eine wertschätzende Diskussionskultur für Buxtehude eingefordert? Der Syrien-Vortrag wäre vermutlich ein solcher Beitrag.
Wenn die alleinige Richtschnur des Handelns das Regelwerk zur Nutzung städtischer Räume ist, müsste übrigens das Jugendtheaterstück "Tigermilch", das am 11. März auf der Halepaghenbühne aufgeführt wird, unbedingt abgesagt werden. Veranstalter ist übrigens die städtische Kulturarbeit. Es geht darin um die Freundschaft zweier Mädchen. Jameelah droht die Abschiebung in den Iran und dann kommt auch noch ein Ehrenmord vor. Wenn das nicht höchst politisch ist! Auf jeden Fall muss jede Diskussion der Besucher im Anschluss an das Stück im Foyer der Bühne dringend verhindert werden - sie wäre ein glasklarer Verstoß gegen die Vorschrift der unpolitischen Raumnutzung.
Für mich hat sich gezeigt, dass die Regeln, die unter anderem getroffen wurden, um Parteipolitik - auch von ganz Rechts - aus Schulen herauszuhalten, so nicht funktionieren. Sie müssen überarbeitet werden.
Und zwar so, dass eine unmöglich zu findende Trennschärfe des Begriffs "politisch" nicht zum K.-o.-Kriterium für wichtige Veranstaltungen wird. Tom Kreib
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