Debatte um "Mord-Paragraf": Rabatt für Totschläger?

Eine Frau ersticht ihre tyrannischen Mann, der sei seit Jahren quält, vom hinten: Vor dem Gesetz wäre das Mord. Erwürgt der Brutalo seine Gattin, käme er unter Umständen mit minder schwerem Totschlag davon | Foto: jd
  • Eine Frau ersticht ihre tyrannischen Mann, der sei seit Jahren quält, vom hinten: Vor dem Gesetz wäre das Mord. Erwürgt der Brutalo seine Gattin, käme er unter Umständen mit minder schwerem Totschlag davon
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Politik diskutiert Reform des "Mord-Paragrafen" / Muss auch "Lebenslänglich" überdacht werden?

(tk). Deutschland diskutiert darüber, ob der Mord-Paragraf im Strafgesetzbuch verändert werden muss. Eine Expertenkommission hat Bundesjustizminister Heiko Mass (SPD) einen Bericht vorgelegt. Die Reaktionen darauf sind vielfältig: "Skandal! Der Straftatbestand Mord wird abgeschafft" bis hin zu "längst überfällig". Das WOCHENBLATT hat mit Juristen aus der Region gesprochen: Ist die Reform sinnvoll oder politischer Aktionismus.

Darum geht es: Im Fokus steht der Paragraf 211 im Strafgesetzbuch (StGB). Der stammt in weiten Teilen seiner Formulierungen aus dem Dritten Reich und beginnt mit den Worten "Mörder ist...". In keiner anderen Rechtsvorschrift im StGB wird der Täter und nicht die Tat beschrieben. Für Maas ist das eine "beklemmende Beschreibung, wie ihn sich die Nazis vorgestellt haben". Als Mörder gilt dabei, wer bestimmte Mordmerkmale wie Heimtücke, niedrige Beweggründe, Verdeckung einer Straftat erfüllt. Dann müsste es "Lebenslang" geben.
Hinzu kommt ein anderer Grund: Manche Juristen wollen eine Reform, weil es Fälle gibt, bei denen eigentlich ein Urteil wegen Mordes fallen müsste, weil die Mordmerkmale erfüllt sind, aber die Tat nur schwerlich als Mord abgeurteilt werden kann.

Ein Beispiel: Ein Mann tyrannisiert, schlägt, vergewaltigt und tötet schließlich seine Frau. Der Tyrann hätte gute Chancen, nur wegen Totschlags verurteilt zu werden.
Tötet ihn seine Frau jedoch nachts schlafend, aus Sorge um ihr eigenes Leben, hat sie heimtückisch gemordet.

"Frauen sind in solchen Fällen eindeutig benachteiligt", sagt die Stader Strafverteidigerin Kartin Bartels. Männer bekämen bei einer Verurteilung wegen Totschlags "Rabatt". Das wäre für die Anwältin aber der einzige Grund, der für eine Reform spräche. "Der Paragraf hat sich in der Praxis bewährt." Von einem politisch motivierten Schnellschuss - genau das befürchtet die Anwältin - hält sie nichts.

Anders der Buxtehuder Strafverteidiger Lorenz Hünnemeyer. Er hält die Reform des Paragrafen 211 für notwendig. "Darüber wird seit 40 Jahren diskutiert." Zum einen spreche für eine Neufassung die Herkunft aus der Nazi-Zeit, zum anderen eine fehlende Klarheit. "Vieles ist zu wischi-waschi." Etwa die Mordmerkmale.
Der Strafverteidiger denkt über neue Formulierungen im StGB weit hinaus. Wenn eine Reform, dann richtig. Auch über den Begriff der lebenslangen Haft müsse nachgedacht werden. Warum nicht eine klare Regelung schaffen, die über - mit Ausnahme von lebenslänglich bei Mord - 15 Jahre Knast hinausgehe? Bei diesem Thema erwartet Lorenz Hünnemeyer aber den größten Widerstand aus konservativen Kreisen. Die Diskussion sollte jetzt geführt werden. "Das Grundgesetz wird so oft geändert, damit andere Gesetze verfassungskonform sind. Dann können wir an diesen Paragrafen erst recht herangehen."

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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