Buxtehude
"Der Melkerstieg soll unsere Heimat sein"
tk. Buxtehude. Das Reihenhaus von Gerhard Weiß am Melkerstieg ist top in Schuss. So wie diese Wohnung wollen er und andere Mitglieder seiner Familie auch vier andere Reihenhäuser sanieren. "Auf eigene Kosten", sagt er. Daraus wird nichts werden, wenn die Stadt ihre Pläne umsetzt: Die derzeit vier leerstehenden Häuser sollen renoviert und für Asylbewerber bereit gestellt werden. Die Haushaltsmittel von rund 470.000 Euro hat der Rat dafür freigegeben. "Kampflos geben wir nicht auf", sagt Gerhard Weiß.
Die Familien Weiß und Ernst, die dort einziehen wollen, sind Sinti. Zwei der insgesamt sechs Häuser bewohnen sie seit Anfang der 80er Jahre. Die übrigen vier waren auch ihr Zuhause. "Dort sind wir aufgewachsen", sagt Roberto Ernst. Die Stadt hat diese Reihenhausanlage für Sinti gebaut. Vorher lebten sie am Alten Postweg.
Melanie Weiß berichtet, dass ihre Familie den Wunsch, die Häuser wieder zu beziehen, schon vor einem Jahr geäußert habe. Auch damals sei deutlich gemacht worden, dass die Sanierung durch die Mieter erfolgen solle. "Viele unserer Enkel haben Handwerksberufe wie Maurer, und Klempner erlernt", sagt Gerhard Weiß.
Dass er mit vielen Familienmitgliedern auf einem Fleck leben will, ist für Gerhard Weiß keine Frage. Außenstehenden mag das wie eine Form der Ghettobildung erscheinen - für die Sinti, betont Weiß, ist das aber ein entscheidender Teil ihrer kulturellen Identität. "Früher sind wir auch zusammen gereist und nicht alleine."
Dass die Planungen der Stadt in eine völlig andere Richtung gehen, hätten sie aus der Zeitung erfahren, so Melanie Weiß "Niemand hat uns gesagt, das ist beschlossene Sache." Anfang April hat es Gerhard Weiß auch offiziell aus einem Brief der Stadtverwaltung erfahren. Weil Buxtehude verpflichtet ist, Asylbewerber unterzubringen, sollen die stadteigenen Häuser dafür hergerichtet werden. Bis zu 24 Menschen sollten dort eine vorübergehende Bleibe bekommen.
Der Grundsatzbeschluss der Politik steht: die Häuser werden für Asylbewrrber hergerichtet. Alternativen haben sich als teurer oder aus Sicht von Verwaltung und Politik als wenig praktikabel herausgestellt.
Ob damit das letzte Wort gesprochen ist, bleibt derzeit noch offen. Gerhard Weiß hat den Niedersächsischen Verband Deutscher Sinti eingeschaltet. Und Melanie Weiß sammelt Unterschriften. Nicht gegen Asylbewerber, sondern für den Wiedereinzug ihrer Familie am Melkerstieg. Was sie dabei in der Nachbarschaft erlebt, ist das Gegenteil dessen, was Anfang der 80er Jahre geschah: damals gab es Einsprüche bei der Bezirksregierung von Anwohnern gegen das städtische Bauprojekt. "Heute sagen viele, wir wollen unsere Zigeuner wiederhaben", berichtet Melanie Weiß. Das politisch wenig korrekte Wort "Zigeuner" betrachtet sie dabei als Kompliment von Menschen, die ihre Nachbarn schätzen. "Das ist nett gemeint", sagt Melanie Weiß.
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