Flüchtlinge im Landkreis Stade: So geht es weiter

Die Sporthalle der Fröbelschule in Stade wird so hergerichtet, dass dort maximal 60 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vorübergehend leben können
  • Die Sporthalle der Fröbelschule in Stade wird so hergerichtet, dass dort maximal 60 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vorübergehend leben können
  • hochgeladen von Björn Carstens

bc. Stade. Landrat Michael Roesberg verkündet in der Flüchtlingsfrage eine neue Phase für den Landkreis Stade. Die Nothilfe für das Land, infolgedessen die Kreisverwaltung seit Mitte Oktober insgesamt 1.250 Flüchtlinge in vier Sporthallen im Landkreis untergebracht hat, geht zu Ende. Ab April plant der Landkreis, keine „Amtshilfe“-Flüchtlinge mehr in Turnhallen einzuquartieren.

Soweit die gute Nachricht. Die weniger gute: Zwei der Hallen werden weiter gebraucht, um unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern (UMA) ein Dach über dem Kopf zu stellen. Seit November 2015 wird auch diese Gruppe nach dem sog. Königssteiner Schlüssel auf die Kommunen verteilt. Derzeit leben im Landkreis Stade ca. 110 UMA. Zuständig ist das Jugendamt. „Die Zahl wird sich erhöhen“, so Roesberg.

Die Halle der Friedrich-Fröbel-Schule, die schon jetzt leer steht, und die alte Halle an den Berufsbildenden Schulen (BBS) in Stade sollen bis Mitte April zu Notunterkünften für UMA umgebaut werden. Die meisten stammen aus Syrien und Afghanistan, sind 15 bis 17 Jahre alt. Maximal 60 sollen in einer Halle Platz finden. Zu zweit müssen sie sich ein „Zimmer“ (ausgestattet mit Bett, Tisch und Schrank) teilen. Die Räume, besser gesagt Parzellen, werden mit Bauzäunen und Planen in der Halle abgesteckt.

Die Unterbringung der UMA in Hallen soll jedoch keine Dauerlösung sein. Der Landkreis hat bereits ein sog. Interessensbekundungsverfahren vorbereitet, bei dem Eigentümer Gebäude vorschlagen sollen, die zu einer Unterkunft für minderjährige Asylbewerber umgebaut werden könnten. Auch Grundstücke werden gesucht, auf denen der Landkreis dann selber baut.

Jedes Haus sollte mindestens 30 UMA Platz bieten. Roesberg: „Wir brauchen vier bis fünf solcher Einrichtungen, bestenfalls nicht in abgelegenen Dörfern. Und wir brauchen sie möglichst schnell.“ Der Landkreis befände sich nach wie vor im Krisenmodus“, konstatiert er.

Der Betreiber der UMA-Unterkünfte steht schon fest: der „B&S Pflegedienst“ aus Hamburg
Die neue Halle im hinteren Bereich der BBS in Stade soll laut Plan des Landkreises nach den Osterferien wieder für den Schul- und Vereinsport zur Verfügung stehen, sofern der Boden saniert ist. Voraussichtlich Ende März wird die Halle am Harsefelder Gymnasium als Notunterkunft aufgelöst. Ob diese aber nicht auch noch für die Unterbringung der UMA genutzt wird, ist unklar. Roesberg: „Die endgültige Entscheidung lassen wir uns offen.“

Landkreis arbeitet an Leistungsgrenze

(bc). Landrat Michael Roesberg mahnt, dass auf politischer Ebene immer noch kein Durchbruch erzielt wurde, die Anzahl der Flüchtenden zu reduzieren. Für den Fall, dass das Land abermals per Amtshilfe beim Landkreis um Hilfe ruft, findet Roesberg deutliche Worte: „Es wird nicht lange dauern, bis wir sagen müssen: Wir können nicht mehr.“ Schon jetzt bleiben viele Aufgaben im Kreishaus liegen. Z.B. könne sich derzeit niemand intensiv um das Problem des zunehmenden Schwerlastverkehrs im Alten Land kümmern.
Ende März 2016 rechnet Roesberg mit 4.400 Flüchtlingen im Landkreis. Zum Vergleich: Ende 2014 waren es 850. Steigen die Zahlen weiter, müssten auch die Kommunen im Landkreis über Notunterkünfte in Turnhallen oder Dorfgemeinschafthäusern nachdenken.
Zudem werden die wenigsten Asylbewerber sofort eine Arbeit finden, viele werden Sozialleistungen („Hartz IV“) beziehen. Auch das sei Aufgabe des Landkreises, so Roesberg.
Hinzu komme die seelische Belastung. „Es war schlimm für meine Mitarbeiter mit so viel Elend konfrontiert zu werden. Fast jeder ankommende Flüchtling sei in einem bemitleidenswerten Zustand gewesen“, sagt Detlef Wiggers, Chef der Ausländerbehörde.


Keine Abschiebung in vier Monaten

(bc). Nach Auskunft der Kreisverwaltung leben im Landkreis 600 unanfechtbar abgelehnte Asylbewerber, die „vollziehbar ausreisepflichtig“ sind. Von denen haben nach Beratungsgesprächen 55 Deutschland freiwillig wieder verlassen. Der Rest müsste laut Detlef Wiggers, Chef der Ausländerbehörde beim Landkreis, abgeschoben werden. Die Realität sieht so aus: Von Oktober bis Januar habe es keine einzige Abschiebung gegeben. Aus verschiedenen Gründen.
Auf Landesebene wird aktuell ein Abschiebekonzept vorbereitet. Ein Problem sei derzeit, so Wiggers, dass Abschiebungen in den Balkan nur noch per Flugzeug möglich seien, weil Ungarn seine Grenzen in beide Richtungen dicht gemacht habe. Zudem gebe es Asylbewerber, die ihre Papiere vernichten würden. Dann müsse zunächst einwandfrei die Identität geklärt werden.
Landrat Michael Roesberg betont, dass der Landkreis bei Abschiebungen nur die Vollstreckungsbehörde sei und nicht die Entscheidung treffe.

Redakteur:

Björn Carstens aus Buxtehude

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