Ländliche Krankenhäuser brauchen mehr Geld
tk. Landkreis. Das passt nicht zusammen: Nach den Ergebnissen einer neuen Studie schreibt fast die Hälfte der ländlichen Krankenhäuser Verluste und kämpft ums Überleben. Der private Klinik-Konzern Asklepios hingegen kann es sich aufgrund seiner guten Erträge leisten, mit dem Hamburger Luxusherberge "Atlantic" ein weiteres Renommierhotel seinem Immobilienportfolio hinzuzufügen. Hier können die Angehörigen internationaler Patienten demnächst im Fünf-Sterne-Ambiente logieren.
Die Schere klafft weit auseinander: Kliniken, die in den Landkreisen Stade und Harburg die medizinische Versorgung, auch im Notfall, auf hohem Niveau aufrecht erhalten, bekommen für ihre Leistungen zu wenig Geld. Private Klinikkonzerne richten ihre Schwerpunkte sehr viel stärker am betriebswirtschaftlichen Nutzen aus. 40 Prozent der Kliniken in Deutschland erwarten für das kommende Jahr eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der "BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft" in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krankenhausinstitut. Die Studie prognostiziert Marktbereinigungen, Fusionen und Schließungen.
Die Erosion der Klinik-Landschaft hat die Landkreise Stade und Harburg längst erreicht: Das Krankenhaus in Salzhausen wird - das Land hat gerade zugestimmt - in ein ambulantes Gesundheitszentrum umgewandelt. Einige Abteilungen werden in die Krankenhäuser Winsen und Buchholz integriert. Die Elbe Kliniken im Landkreis Stade verhandeln über eine Fusion mit dem Krankenhaus in Bremervörde. Diese Klinik ist in die roten Zahlen gerutscht.
Besonders betroffen seien Kliniken im ländlichen Raum. Dazu zählen - auch wenn sie in Städten liegen - die Kliniken in den Landkreisen Stade und Harburg. Laut BDO schreiben rund 44 Prozent der ländlichen Kliniken Verluste. Von den 2.000 Krankenhäusern in Deutschland gehören 600 in die Kategorie ländlicher Kliniken. Sie spielen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung eine besonders wichtige Rolle. Die Studien-Autoren fordern daher "gesundheitspolitische Strukturmaßnahmen im ländlichen Raum."
"Rosinenpickerei", so nennen Experten das lukrative Abschöpfen von gewinnbringenden medizinischer Leistungen, wie z.B. planbarer OPs.
Petra Tiemann, Gesundheitsexpertin der niedersächsischen SPD, aus dem Landkreis Stade übt Kritik an dieser Entwicklung: "Die Krankenhauslandschaft wurde den Kräften des freien Marktes überlassen. Krankheit wurde zum Wirtschaftsfaktor degradiert", so Tiemann. Es gebe aber Bereiche der Gesellschaft, in denen die freie Marktwirtschaft allein nicht funktioniere.
Sie kündigte an, dass das Land Niedersachsen Verbesserungen vornehmen werde: Die Bund-Länder-Kommission, die die Krankenhausfinanzierung regelt, habe neue Beschlüsse gefasst. Der Landesbasisfallwert (er dient als Abrechnungsgrundlage für stationäre Krankenhausleistungen) wird ab 2015 schrittweise steigen. Außerdem wurde ein sogenannter Sicherstellungsauftrag erarbeitet. Die Kriterien dafür werde das Land definieren. Darunter fällt u.a., dass ein Krankenhaus in 30 Kilometern Entfernung oder mit maximal 30 Minuten Fahrzeit erreichbar sein muss. Tiemann: "Das wird für einige Standorte Sicherheit bedeuten
Siegfried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken, fasst die Situation für sein Haus zusammen: "Wir befinden uns aktuell nicht in wirtschaftlichen Nöten, aber die Zukunft sieht nicht rosig aus." Ristau erwartet Probleme, wenn es zu keinen Veränderungen in der Krankenhausfinanzierung kommt. Konkrete Forderungen: Die rund-um-die-Uhr dienstbereite Notfallversorgung muss vergütet werden. Operationssäle, Ärzte, Pflegepersonal seien ständig einsatzbereit. Doch dafür gebe es keinen Cent.
Außerdem blieben die Krankenhäuser auf steigenden Personalkosten sitzen. Der Fachkräftemangel verschärfe die Situation. Zudem müsse der Investitionsstau behoben werden. Hier sei das Land gefordert. Für Personal- und Sachkosten kommen die Kassen auf, Investitionen zahlt jedoch das Land. Wichtig, damit mehr Geld in den Kassen der Kliniken lande, sei vor allem die Erhöhung des Landesbasisfallwerts. Der regelt, wie viel Geld eine Klinik pro stationärer Behandlung für einen Patienten bekommt. Niedersachsen ist bislang ein Schlusslicht.
Was die Zukunft für gemeinnützige Einrichtungen wie das Elbe Klinikum schwierig macht, so Siegfried Ristau, sei die "Rosinenpickerei" der privaten Gesundheitskonzerne. Sie ziehen so viele planbare und lukrative Eingriffe, z.B. Hüftgelenks-OPs, wie möglich an Land. Diese fehlen dann anderen Kliniken auf der Einnahmeseite.
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