Nicht-öffentliche Sitzungen: Die Türen bleiben viel zu oft geschlossen
Nicht-öffentliche Sitzungen: Gängige Praxis, die Experten kritisieren / Beispiele aus Buxtehude
tk. Buxtehude. Viele Themen, die von der Politik beraten und letztendlich beschlossen werden, gehen an der Öffentlichkeit vorbei. Diskutiert und abgestimmt wird im nicht-öffentlichen Teil der Rats- und Ausschusssitzungen. In manchen Fällen zu Recht, in vielen aber nicht. Denn: Die Niedersächsische Kommunalverfassung (NKomVG), ihre Auslegung sowie Gerichtsurteile machen deutlich: Das Demokratieprinzip, sprich die Beteiligung der Öffentlichkeit, ist ein so hohes Gut, dass nur in wenigen und begründeten Ausnahmefällen hinter verschlossenen Türen beraten werden darf. Die Praxis in Politik und Verwaltung sieht aber ganz anders aus. In Buxtehude und in vielen anderen Kommunen. Was müsste öffentlich diskutiert werden, bleibt aber geheim?, fragt das WOCHENBLATT daher. Hintergrund: Die Fraktion der Buxtehuder Grünen will mit einem Antrag erreichen, dass viel mehr Themen öffentlich beraten werden.
Fachbereichsleiter Ralf Dessel, selbst Jurist im Buxtehuder Stadthaus, bezieht Stellung. Außerdem geht es anhand von Protokollen aus nicht-öffentlichen Sitzungen, die der Redaktion vorliegen, um die Frage: Warum wird das nicht öffentlich beraten? Und schließlich: Wie bewerten Kommentatoren der NKomVG den Konflikt zwischen öffentlicher und nicht-öffentlicher Beratung?
In den vergangenen Jahren habe sich durch die Rechtssprechung viel verändert, sagt Jurist Ralf Dessel. "Wir müssen darüber nachdenken, diesen Wandel stärker zu vollziehen", meint er. Sprich: Mehr Öffentlichkeit bei vielen Themen der Politik. Der alte Grundsatz, alles was Personal- und Grundstücksangelegenheiten betreffe, müsse hinter verschlossenen Türen bleiben, sei laut Dessel heute nicht mehr aufrechtzuerhalten. Als Beispiel führt er an, dass der Stellenplan der Stadtverwaltung öffentlich beschlossen wird.
Aber: Kommentatoren der Kommunalverfassung fordern noch viel mehr Transparenz. Beispiel: Wenn es sich um herausgehobene Positionen in der Verwaltung handelt, muss öffentlich beraten und vor allem gewählt werden. Demzufolge hätte die Diskussion über die Kündigung des Vertrags mit Ex-Fachbereichsleiterin Sophie Fredenhagen zum Ende ihrer Probezeit auch öffentlich erfolgen können. Ihre Wahl auf den Posten ohnehin.
Dessel unterscheidet differenzierter: Wenn er eine Rüge kassiere, weil er sich vier Mal nicht ordentlich ausgestempelt hätte, wäre das kein Fall für die Öffentlichkeit. Hätte er dagegen in die Stadtkasse gegriffen, wäre das durchaus ein Thema, das öffentlich beraten werden könnte. "In jedem Fall muss abgewogen werden", sagt er.in bei Einzelfällen begründbar, bei Grundstücksangelegenheiten wird das schon schwieriger. Fast alles, was damit zu tun hat, findet in Buxtehude aber hinter verschlossenen Türen statt. Die grundsätzliche Umgehensweise mit Erbpachtverträgen wird nicht-öffentlich diskutiert. Ebenso das Expansionsinteresse eines Logistik-Unternehmens, dessen Flächenverbrauch im Widerspruch zu den Grundsätzen der Gewerbeansiedlung in der Hansestadt steht. Auch die Probleme bei der Investorensuche für die Mehrfamilienhaus-Bebauung am Schützenhofweg sind topsecret.
Dass Namen von Käufern oder Verkäufern genannt werden, reiche jedoch nicht aus, um die Öffentlichkeit auszuschließen, argumentiert Peter Blum in seinem Kommentar zur Kommunalverfassung. Öffentlichkeit gewährleiste Transparenz. Auch bei Bauvoranfragen gebe es ein öffentliches Interesse, so Blum. Es gehe schließlich um die Kontrolle der Bautätigkeit in einer Kommune, so der Experte. Und NKomVG-Fachmann Robert Thiele bezieht sich auf ein Urteil aus Köln, das grundsätzlich die öffentliche Beratung von Bauvoranfragen fordert, auch wenn den Beteiligten Nachteile entstünden - das sei hinzunehmen. Wenn es tatsächlich bei Bauthemen schützenswerte Interessen Einzelner gebe, so Thiele, könne ein Thema in öffentlich und nicht-öffentlich getrennt werden. Das geschieht in Buxtehude so wenig wie in anderen Kommunen. Fachbereichsleiter Ralf
Dessel sieht das etwas anders: Wenn eine öffentliche Diskussion dazu führe, dass ein Projekt letztendlich scheitere, sei der Öffentlichkeit damit nicht gedient.
Fakt ist: Vieles, was geheim beraten wird, müsste öffentlich sein. Aber - weil die Tagesordnung mit den nicht-öffentlichen Punkten in der Regel nicht vorher bekannt wird, ist Widerspruch zwecklos. Wer nicht erfährt, was geheimgehalten werden soll, kann dagegen nicht protestieren. Ob tatsächlich jede Entscheidung zur Geheimhaltung als Einzelfall sorgfältig geprüft wird? Zweifel daran sind angebracht.
Die Politik ist zudem teilweise selbst schuld daran, dass die Türen so oft geschlossen bleiben. Wer die nicht-öffentlichen Protokolle liest, stellt erstaunt fest, dass unter Anfragen der Rats- und Ausschussmitglieder vieles angesprochen wird, was wirklich spannend und auch wichtig ist. Wer baut wo was, wo gibt es Probleme im Verkehr, wie läuft es mit dem einen oder anderen Bauvorhaben? Leider erfährt das fast nie ein Bürger.
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