Ignoriert Hamburg Stader Interessen?
Streit um Deichsicherheit auf Hahnöfersand
Ein gutes, nachbarschaftliches Miteinander sieht anders aus: Hamburg plant die Nachnutzung seiner Gefängnisinsel Hahnöfersand und alle Akteure aus dem Landkreis Stade sollen nur stumme Zuschauer dabei sein. Dem WOCHENBLATT liegen zwei Briefe vor: vom Landkreis und dem Deichverband der II. Meile Alten Landes an Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeld und deren Antwortschreiben ans Stader Kreishaus. Immerhin: Man will demnächst miteinander reden. Wenn dabei keine einvernehmliche Lösung für große Probleme gefunden wird, wird das nachbarschaftliche Miteinander eine Sache fürs Gericht. Denn: Die Hamburger Pläne für Hahnöfersand gefährden die Deichsicherheit und das wird der Deichverband nach WOCHENBLATT-Informationen auf keinen Fall hinnehmen.
Das ist der Hintergrund des Streits: Die Justizvollzugsanstalt auf Hahnöfersand wird 2027 abgerissen und vorher nach Billwerder verlegt. Hamburg will die Elbinsel vornehmlich für Ausgleichsmaßnahmen nutzen. Gebäude weg und Platz für die Natur. Für Akteure im Kreis Stade - in diesem Fall nur ein Nebenkriegsschauplatz im Nachbarschaftsstreit - wäre eine sanfte touristische Nachnutzung die beste Nachfolgeregelung.
Dass Hamburg und Stader überhaupt miteinander streiten, hat folgenden Grund: Die Insel gehört zwar Hamburg, liegt aber auf Jorker Gemeindegebiet - sprich: in Niedersachsen und nicht in Hamburg. Was auch heißt: Hamburg kann nicht nach eigenem Recht planen, schalten und walten und niedersächsisches Bau- und Planungsrecht ignorieren. "Ich bin daher überzeugt, dass die jüngsten Beschlüsse aus Hamburg rechtswidrig sind", sagt ein Insider.
Der jüngste Beschluss ist der Bebauungsplan Billwerder 31, der seit September 2021 Rechtskraft hat und der unter anderem Ausgleichsmaßnahmen auf der Elbinsel regelt. Weder der Landkreis Stade noch der Deichverband seien in die letztendliche Beschlussfassung nach Eingang aller Stellungnahmen eingebunden worden. Allein die Abgabe einer Stellungnahme sei, so steht es im Brief an die Senatorin, nur durch "Insistieren" möglich gewesen. Insgesamt habe Hamburg "eine abwehrende Haltung" eingenommen. "Wir haben Bedenken hinsichtlich der Rechtssicherheit" schreiben die Stader über den B-Plan gen Hamburg. Das sieht Senatorin Stapelfeld anders.
Der Knackpunkt: Flächen von Hahnöfersand sollen als Ausgleichsmaßnahme Brutreviere der Feldlerche werden. Das würde die geplante Deicherhöhung statt vier mindestens acht Jahre andauern lassen, befürchtet der Deichverband. Und Unterhaltungsmaßnahmen kämen größtenteils zum Erliegen. Denn: Deichbau ist nur zwischen April und Ende September möglich. Die Brut- und Setzzeit von April bis Juni würde das ohnehin schmale Zeitfenster weiter reduzieren. "Im Prinzip können wir dann einpacken", sagt ein Insider.
Die grundsätzliche Kritik aus Stade an den Feldlerchen-Ausgleichsmaßnahmen bremst Senatorin Stapelfeld in ihrem Schreiben durch eine Volte aus: Im B-Plan Billwerder 31 gehe es zwar um Ersatzlebensräume für den Vogel, aber nicht auf Hahnöfersand. Das werde im B-Plan Billwerder 30 geregelt - und zwar auf der Elbinsel. Der sei aber noch nicht beschlossen, sondern in Aufstellung. Aus Stader Sicht ist es allerdings egal, ob B-Plan 31 und 30 die Deichsicherheit ausbremsen. Damit die Kritik jenseits der Hamburger Grenze nicht zu laut wird, betont die Senatorin, wie weit Hamburg dem Deichverband der II. Meile Alten Landes schon entgegengekommen sei. So könne der den Schafstall auf der Insel weiter nutzen.
Trotz des Schafstall-Geschenks schließen Akteure aus dem Umfeld des Deichverbands einen Prozess nicht aus - wenn es keinen Kompromiss gibt, der möglich wäre. Ein Rechtsgutachten, das die Verbandssichtweise stützt, soll fertig sein. Und: Bundesrecht kann auch Hamburg nicht brechen. Im Bundesnaturschutzgesetz ist festgelegt, dass Deichbau mitunter Vorrang vor Naturschutz haben kann.
Die Stader Deichbauer gehen aber nicht grundsätzlich auf Kollisionskurs: "Wir arbeiten an einem Vorschlag, der für beide Seiten akzeptabel ist", sagt ein Insider. Der würde der Feldlerche und vielen Bäumen auf Hahnöfersand zugutekommen. Der Vogel will freies Feld. Bäume müssten der Ausgleichsmaßnahme weichen, wenn Hamburg bei seinen Plänen bleibt.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.