WOCHENBLATT-Artikel von 2002 aktuell wie heute: Stillstand seit 15 Jahren in Sachen Kita-Reform
WOCHENBLATT hat 2002 über Kita-Zukunft berichtet / Probleme sind heute noch größer
tk. Landkreis. Eklatanter Fachkräftemangel in Krippen und Kitas, Eltern, die lange auf einen Betreuungsplatz für ihren Nachwuchs warten, Erzieherinnen und Erzieher, die während ihrer vier Jahre dauernden Ausbildung keinen einzigen Cent verdienen. Das sind gravierende Probleme, die heute - auch in vielen WOCHENBLATT-Artikeln - immer wieder thematisiert werden. Was erschreckend ist: Die Probleme sind nicht neu. Vor 15 Jahren hatte die Redaktion über eine Podiumsdiskussion in Buxtehude berichtet. Die Probleme damals sind die Probleme von heute.
Vor 15 Jahren saß der Bildungsforscher Prof. Dr. Matthias von Saledern auf dem Diskussionspodium. Der ehemalige Dozent der Leuphana Universität Lüneburg hatte 2002 unter anderem gefordert, dass die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher besser werden muss, weil die Anforderungen stetig wachsen. Und der Job in den Kitas brauche mehr gesellschaftliche Anerkennung, Das könnte etwa durch die Akademisierung des Berufs gefördert werden. Das WOCHENBLATT hat nach 15 Jahren erneut bei dem Bildungsforscher nachgefragt. Sein Fazit ist ernüchternd: "Ich rege mich nicht mehr auf, ich wundere mich nur noch", sagt er. Der Bildungsforscher stellt mit Bedauern fest: "Es hat sich in den vergangenen Jahren viel zu wenig getan."
Er nennt ein Beispiel: Damals wurde gefordert, dass es Studiengänge fürs Kitapersonal geben muss. Zumindest aber, dass die Leitung ein Studium absolviert hat. Tatsächlich gebe es inzwischen zwei bis drei passende Studiengänge in ganz Deutschland. Doch die meisten Einrichtungsleitungen würden nicht studieren. "Der Grund ist für mich verständlich", sagt der Experte, "trotz Studiums verdienen sie hinterher nicht mehr als die nicht-studierten Kolleginnen und Kollegen."
Auch das Thema Sprachförderung spielte 2002 spielte eine wichtige Rolle. "Das Problem hat sich durch die Flüchtlinge potenziert", sagt von Saldern. Es sei aber noch viel mehr notwendig - vor allem Personal - um tatsächlich in den Kitas Sprachförderung zu betreiben. "Ich ziehe als Außenstehender vor denen, die das jetzt schon engagiert machen, den Hut", sagt von Saldern.
Weitere Schwachpunkte, die damals wie heute aus Sucht des Fachmanns zu kritisieren sind: Zu große Gruppen und zu wenig Mitarbeiter.
Warum in 15 Jahren nicht mehr verbessert wurde? "Die Eltern machen zu wenig Druck", sagt Matthias von Saldern. Darum hätte sich so wenig getan. Viele seien froh, überhaupt einen Betreuungsplatz für den Nachwuchs zu haben. Eltern würden zudem stärker den Fokus auf die Schule richten und nicht auf die frühkindliche Bildung in den Kitas.
Hinzu komme ein finanzielles Problem: Laut OECD-Bildungsstudie gibt Deutschland zwar viel Geld für den Bereich der Sekundarstufe II aus, doch bei Grundschulen und Kindergärten sei das Land nur Mittelmaß. Das war 2002 so und sei heute nicht anders, so der ehemalige Uni-Dozent.
Was 2017 ein wesentlich größeres Problem als noch 2002 ist: der Personalmangel in den Kitas. Die Krippen und Kindergärten suchen händeringend nach Fachkräften. Dass es die zuwenig gibt, liegt unter anderem an der schlechten Bezahlung. Auch das wurde schon 2002 thematisiert. "Wir brauchen gute Leute und müssen die gut bezahlen", sagt von Saldern. Mal sehen, ob sich diese Erkenntnis in den kommenden 15 Jahren durchsetzt.
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