Skandal um Handballtrainer André F.
Buxtehuder Manager Peter Prior mit klarer Kante / Auch "Luchse" stellen sich hinter Spielerinnen
Die Handball-Bundesliga Frauen wird von einem Skandal um den Bundes- und Vereinstrainer André F. erschüttert. Ihm werden Übergriffe gegen Spielerinnen und eine Form der systematischen Erniedrigung und teilweise auch ins sexuelle gehende Übergriffe vorgeworfen. F. hatte in der Bundesliga Blomberg-Lippe. Metzingen und zuletzt Dortmund trainiert. Dort wurde er freigestellt, auch als Nachwuchstrainer beim Deutschen Handballbund wurde er freigestellt.
Die Aufarbeitung eines offenbar über Jahre gehenden mutmaßlichen Machtmissbrauchs wird noch andauern. Zuerst hatte der "Spiegel" in einer aufwändigen Recherche berichtet. Für den Buxtehuder Bundesligisten BSV bezieht Manager Peter Prior Stellung zum Skandal um F.. Das WOCHENBLATT druckt seine Erklärung im Wortlaut ab.
"Es ist für Außenstehende schwierig bis unmöglich, die Vorwürfe im Einzelnen zu beurteilen. Aber allein die Tatsachen, dass Spielerinnen in den letzten beiden Jahren den BVB in großer Zahl verlassen haben und der Verein Trainer André F. suspendiert hat, sind deutliche Indizien für eklatantes Fehlverhalten. Und spätestens der jüngste "Spiegel"-Bericht macht deutlich, dass die Causa André F. von HBF und DHB nicht einfach zu den Akten gelegt werden darf.
Positiv ist festzuhalten, dass die am 16. Mai ins Leben gerufene unabhängige Anlaufstelle bei Gewalt und Missbrauch im Spitzensport „Anlauf gegen Gewalt“ ganz offenbar ebenso notwendig wie
hilfreich ist. DHB, HBF und ihre Vereine werden sich sehr ernsthaft Gedanken machen müssen, welche Lehren und welche möglichen Konsequenzen aus diesem Fall zu ziehen sind.
Es stellen sich viele Fragen: Neben dem Trainer gibt es in jedem Verein weitere Personen, die eine Fürsorgepflicht gegenüber Spielerinnen haben. In diesem Fall müssen sich die Verantwortlichen in Dortmund, Metzingen und Blomberg fragen, ob sie ihrer Verantwortung gegenüber den Spielerinnen gerecht geworden sind. Das gleiche gilt für den DHB.
Der Trainer-Job ist extrem komplex und anspruchsvoll. Da geht es um weit mehr als nur sportfachliche Fragen. Vielleicht benötigt der ein oder andere Trainer zur Hilfe und Unterstützung auch ein Coaching mit einem Psychologen? Das ist in der Wirtschaft durchaus nicht unüblich.
Ein Großteil der betroffenen Spielerinnen hat einen Berater. Auch diese müssen sich hinterfragen, ob sie sich nicht mehr und nachhaltiger für die Interessen ihrer Spielerinnen hätten einsetzen sollen. Und: Kann in einem freien Land wie Deutschland in solchen Fällen vielleicht auch von den Spielerinnen einer Mannschaft, zumindest aber von gestandenen (National-)Spielerinnen mehr solidarisches Verhalten erwartet werden? Wie zum Beispiel die Frauen der spanischen Fußball-Nationalmannschaft, die geschlossen in einen Streik getreten sind? Oder wie müssen wir junge Mädchen und Frauen noch besser zu selbstständigen und selbstbewussten Spielerinnen ausbilden?
Und: Warum gibt es in diesem Fall eigentlich gleich mehrere, zum Teil strafbewehrte Schweigevereinbarungen?"
Auch Sven Dubau, Geschäftsführer des Handball-Zweitligisten HL Buchholz 08-Rosengarten, bezieht Stellung: "Ein aktueller Artikel im 'Spiegel' exponiert unseren Handballsport der Frauen in einem Ausmaß, der eine Haltung und Stellungnahme gebietet. Und dies nicht nur, weil auch ehemalige Spielerinnen von uns betroffen sind, zwei sind im Artikel namentlich benannt (Anja Ernsberger und Kim Berndt, d. Red.), sondern generell.
Wir unterstützen die Äußerungen und den gewählten Weg der geschädigten Spielerinnen; wir wollen ihnen unser Mitgefühl ausdrücken und wünschen ihnen einen Weg, das Erlebte für sich zu verarbeiten und einen guten Weg auch mit unserem Sport für die Zukunft zu finden.
Da wir uns einen guten Weg für die Zukunft auch für alle weiteren beteiligten Personen, Vereine und Verbände wünschen, erwarten wir von ihnen, wie von uns selbst, eine Selbstreflektion, die den eigenen Anteil ins Bewusstsein rückt, herausstellt und damit den Weg für einen zukünftigen anderen Umgang mit der Thematik findet und kein In-die-Tasche-lügen oder Schuldabweisung darstellt.
Üblicherweise ziehen derartige Anstöße Beschwichtigungen, Relativierungen und das Abschieben von Verantwortlichkeit nach sich, um damit - vermeintlich - gesichtswahrend und schadlos wieder in den Alltag überzugehen. Entsprechende Reflexe deuten sich in dem Artikel bereits an. Wir sehen dies als falschen Weg an und sind selbstverständlich zu einem Diskurs, zu Mitwirkung an einer Aufarbeitung und einer Gestaltung für die Zukunft bereit.
Die Sachverhalte und Schilderungen müssen Gehör und Reaktionen finden.
Wir sehen es allerdings als absolut grundlegend an, dass die körperliche und psychische Unversehrtheit der Spielerinnen und aller Beteiligter allgemein schützenswerte Rechtsgüter sind. Diese sind auch der Verhandlung der beteiligten Personen, Vereine und Verbände entzogen und können und dürfen nicht hinter irgendwelchen Verschwiegenheitsvereinbarungen zurücktreten und aufgelöst werden. Wir kommen sonst nicht weiter und werden nicht gesunden.
Professionalität, Leistungsprinzip sowie die hierfür notwendigen schonungslosen Analysen sind im respektvollen Umgang und auf Augenhöhe möglich und notwendig."
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