Verbraucherschützer warnen vor Haustürgeschäften mit Photovoltaik
Abzocke mit der Kraft der Sonne

Photovoltaik boomt. Fachbetriebe sind ausgelastet und Verbraucherschützer warnen vor schwarzen Schafen in der Solarbranche | Foto: Gustavo-Fring
  • Photovoltaik boomt. Fachbetriebe sind ausgelastet und Verbraucherschützer warnen vor schwarzen Schafen in der Solarbranche
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tk. Landkreis. "Die sind zäh wie Kaugummi. Am Telefon wird man die überhaupt nicht mehr los. Es hilft nur noch aufzulegen", sagt ein WOCHENBLATT-Leser. In den vergangenen sechs Wochen haben drei unterschiedliche Anrufer ihm den Besuch eines Beratungsteams für Photovoltaik-Anlagen (PV) angekündigt. "Das letzte Telefonat kam aus München", sagt der Mann. Auf die klare Ansage, kein Interesse zu haben, folge immer ein "Ja, aber" der ungebetenen Anrufer. Klimawandel ist ein Riesenthema und PV-Anlagen boomen, wissen Experten. Doch Vorsicht ist geboten: "Die haben irgendwo ein Büro, wollen nur verkaufen", sagt etwa Christian Hoffmann, Mitinhaber der Bohlmann & Hoffmann GmbH aus Rosengarten. Bei ihm melden sich mitunter Kunden, die seine Hilfe brauchen, wenn die Solartechnik auf dem Dach nach einem Haustürgeschäft nicht funktioniert.

Die Anrufe, so der WOCHENBLATT-Leser, laufen immer gleich ab: Gerade sei zufällig ein Team im Ort unterwegs. Das könne schnell mal vorbeikommen, um über die Vorteile einer PV-Anlage zu informieren. Das Ziel: die Unterschrift unter einen Kaufvertrag.
Die EWE ist einer der großen Anbieter von PV-Anlagen in der Region. "Das Phänomen dieser Anrufe kennen wir", sagt Pressesprecher Mathias Radowski. Es sei sozusagen eine neue Variante der Strom- und Gas-Drückerkolonnen, die an der Haustür oder am Telefon vermeintliche Schnäppchen anbieten. Weil die eigene Stromproduktion ein "ganz großes Ding für die Zukunft ist", rufe das auch Anbieter auf den Plan, bei denen Vorsicht geboten sei.

Die WOCHENBLATT-Recherche bei Unternehmen, die PV-Anlagen planen und installieren, in den Landkreisen Stade und Harburg zeigt: Die Aktivitäten der penetranten Werber sind derzeit noch regional beschränkt. Im Kreis Stade haben Firmen davon noch nichts gehört, im Kreis Harburg und dem Nachbarlandkreis Rotenburg findet die Telefon-Akquise für "Beratungstermine" dagegen öfter statt. PV-Experte Christian Hoffmann aus Rosengarten kennt Fälle, bei denen die Anlage seit einem halben Jahr auf dem Dach montiert, aber nicht angeschlossen ist. "Die Kunden rufen dann irgendwann bei uns an." Aus seiner Erfahrung weiß er, dass häufig Montagetrupps aus Osteuropa, die mit den Verkäufern zusammenarbeiten, den Aufbau übernehmen. "So etwas nervt mich", sagt Hoffmann, denn er müsse ausbaden, was andere anrichten.

Ein Problem aus seiner Sicht: PV boomt und die Fachbetriebe sind "ausgelastet bis zur Oberkante". Das vermeintliche PV-Anlagen-Schnäppchen beim Haustürgeschäft könne am Ende den Kunden aber teuer zu stehen kommen.

Die Verbraucherzentrale Niedersachsen (VZN) hat mit PV-Anlagen-Abzocke vor ungefähr zwei Jahren intensiv zu tun gehabt. Ein Anbieter wurde verklagt und ist danach in die Insolvenz gegangen, so VZN-Juristin Tiana Preuschoff. Mal wurden Teile einfach im Garten liegengelassen und nicht montiert, mal funktionierten sie gar nicht und angeschlossen wurden die PV-Anlagen auch nicht. Ihre Kollegen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz warnen aktuell: "Mit dubiosen Methoden sollen Hausbesitzer zu schnellen Geschäftsabschlüssen bewegt werden." Die Verbraucherschützer aus den beiden Bundesländern warnen vor "grenzwertigen Vertriebsmaschen, Verweigerung von Widerrufsrechten sowie falsch eingebauten Varianten."


TIPPS VON VERBRAUCHERSCHÜTZERN

(tk). Verbraucherschützer raten, vor dem Kauf einer PV-Anlage immer mehrere Angebote einzuholen. "Informieren Sie sich aktiv", rät Verbraucherschutz-Juristin Tiana Preuschoff. Und EWE-Sprecher Mathias Radowski verweist auf die Seite www.ewe-solar.de, die neben Infos auch einen kostenlosen Solarrechner für potenzielle PV-Investoren bietet

Außerdem warnen Verbraucherschützer davor, dass sich dubiose Unternehmen immer mal wieder als Vertreter örtlicher Energieversorger ausgeben. Ein Problem, das auch die EWE kennt. "Im Zweifel immer bei uns nachfragen", sagt Sprecher Radowski.

Weitere Tipps der Verbraucherschützer: Am Telefon oder an der Haustür nie sensible Daten zu bestehenden Stromverträgen rausgeben. Und - ganz wichtig - wer einen Vertrag unterschrieben hat und kündigen möchte, muss schnell handeln. Nur innerhalb von 14 Tagen kann widerrufen werden. "Konsequent und immer mit der Forderung nach einer Bestätigung der Kündigung", sagt Tiana Preuschoff.

Juristin Preuschoff weist noch auf einen weiteren Punkt hin: Ein Anbieter, der am Telefon den Besuch einer "Info-Drückerkolonne" ankündigt, handelt rechtswidrig. Ohne Einverständniserklärung ist schon dieser erste Anruf ein Verstoß. "So etwas bei der Bundesnetzagentur melden", rät sie. Die könne hohe Bußgelder verhängen. Und: Weil die schwarzen Schafe der Branche auf die Frage nach der Einverständniserklärung vorbereitet sind - die angebliche Einwilligung durch ein Gewinnspiel ist natürlich eine faustdicke Lüge.

Schwarz Cranz macht für immer dicht
Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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