Das Bauen wird immer teurer: Warum das so ist und was die Folgen sind
Was treibt die Preise in die Höhe und gibt es einen Ausweg? Das WOCHENBLATT hat Experten gefragt
tk/kb. Landkreis. Von Mai 2017 bis Mai 2018 sind die Preise für den Neubau von Wohnungen und Häusern in Deutschland um 4,2 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Anstieg seit dem Jahr 2007. Bauen wird immer teurer. Wird der Traum von den eigenen vier Wänden oder zumindest von bezahlbaren Mietwohnungen bald unerfüllbar sein? Das WOCHENBLATT hat mit Experten gesprochen.
Einer der Hauptgründe für die nach oben offene Preisspirale sind die vollen Auftragsbücher der Handwerksbetriebe. "Die Betriebe können sich ihre Aufträge inzwischen aussuchen", sagt der Buxtehuder Architekt Tim Schulenburg. Verschärft wird das Problem, weil eine anhaltend hohe Nachfrage auf den Fachkräftemangel trifft. "Offene Stellen können nicht mehr besetzt werden und als Folge nehmen Betriebe nicht mehr alle Aufträge an", so Schulenburg.
Sven Geertz, Geschäftsführer des Wohnungsbauunternehmens HBI aus Nottensdorf (Kreis Stade) ergänzt: In Ballungszentren wie Hamburg, wo jährlich 12.000 Wohnungen neu gebaut werden müssten, werden mitunter höhere Preise für die einzelnen Gewerke gezahlt als im norddeutschen Umland. Es sei nicht erstaunlich, wenn sich Betriebe die lukrativsten Aufträge aussuchen würden.
Wie alle anderen Investoren ist auch die Kommunale Wohnungsbaugesellschaft (KWG) im Landkreis Harburg von den Preissteigerungen betroffen. Mit dem geplanten Bau von rund 800 Wohnungen in fünf Jahren zu erschwinglichen Mietpreisen verfolgt die KWG ambitionierte Ziele. "Dabei zählt natürlich auch der wirtschaftliche Erfolg. Das führt dazu, dass nicht jeder Baupreis akzeptiert werden kann", so Geschäftsführer Joachim Thurmann.
Weil die Ergebnisse bei klassischen Ausschreibungen absehbar wirtschaftlich nicht umzusetzen seien, setze die KWG deshalb auf serielles Bauen, erklärt Thurmann. "Wir holen uns Angebote von Bauunternehmern und Projektentwicklern für bereits genehmigte und gebaute Objekte ein und errichten diese dann mehrfach im Landkreis Harburg." Die Zusammenfassung von Baumassen erhöhe die Chancen auf bessere Preise, die wiederum kleinere Mieten zuließen.
Dass die Nachfrage auf dem Bau so enorm groß ist, ist nach Auffassung der Experten zum einen durch den Wohnungsmangel begründet und zum anderen damit, dass aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsen nach wie vor ins "Betongold" investiert werde. "Der enorme Anlagedruck freien Kapitals, z.B. institutioneller Anleger, Fonds oder aus internationalen Finanzmärkten, führt zu der Neigung, jeden Baupreis zu akzeptieren. Das kann ein klassisches Wohnungsunternehmen mit langfristiger Ausrichtung und kleiner Marge kaum schultern", so Joachim Thurmann. Die Wertstabilität von Immobilien sei derzeit aber noch ein guter und überzeugender Grund, in diesem Bereich sein Geld anzulegen, sagt auch Sven Geertz. Nach seinen Erfahrungen würden auch private Bauherren - zumindest mit einem ausreichend guten Finanzpolster - bei Preissteigerungen eher mitgehen.
Wobei Tim Schulenburg als Problem der privaten Häuslebauer bei ständig steigenden Baupreisen die Finanzierung sieht. Er befürchtet, dass es Bauherren schwerer fallen werde, Banken von einer Immobilienfinanzierung zu überzeugen. Das Baukindergeld werde daran wenig ändern, befürchtet der Architekt. Das stärke eher die, deren Eigenkapital ohnehin für eine Finanzierung ausreiche.
Was Schulenburg, Geertz und Thurmann übereinstimmend als Preistreiber - unabhängig von vollen Auftragsbüchern bei Handwerksbetrieben - nennen: Die Energiesparverordnung (EnEV) mache das Bauen grundsätzlich teurer. "Das ist inzwischen überreguliert", sagt Sven Geertz. Auch die Verschärfung der Lärmschutzanforderung treibe den Planungsaufwand und die Kosten in die Höhe, so Joachim Thurmann. Er hofft, dass das geplante Bündnis über "Bezahlbares Wohnen in Niedersachsen" zwischen Politik und Immobilienwirtschaft die Situation zumindest in diesem Segment entschärft: "Dazu gehört eine Entschlackung der Niedersächsischen Bauordnung und von Verordnungen sowie Verfahrensverkürzungen und die Schaffung marktattraktiver Förderungen im sozialen Wohnungsbau."
Was nach Meinung des HBI-Geschäftsführers Geertz jetzt unbedingt geschehen müsse: Eine massive deutschlandweite Offensive, um Nachwuchs für das Handwerk zu gewinnen. Joachim Thurmann wünscht sich außerdem dämpfende Mechanismen und Regeln auf Bundes- und Landesebene, um der drohenden Immobilienblase zu begegnen.
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