Mindestlohn - Schausteller fragt: "Wo soll das hinführen?"
(bim). Seit das Mindeslohngesetz gilt, müssen Arbeitgeber viel Zeit in die geforderten Arbeitszeit-Aufzeichnungen investieren. Für manche Berufsgruppen gibt es zudem unklare Definitionen, weil der Gesetzgeber bei einigen Branchen schlicht die Begebenheiten nicht berücksichtigt hat. Ein Beispiel ist der Schaustellerbetrieb Wienberg aus Hollenstedt.
"Ich weiß nicht, wohin das noch führen soll. Politiker sind so weltfremd", sagt Hans-Heinrich Wienberg (70). Er reist mit Kinder- und Kettenkarussell über die Dorffeste und Jahrmärkte der Region und ist auf Saisonkräfte angewiesen. Langjährigen, bewährten Kräften zahle er ohnehin bereits 8,50 Euro, sagt der Schausteller. Vor ihnen könne er nicht rechtfertigen, wenn er einem neuen Mitarbeiter, den er erst einarbeiten muss und der in dieser Zeit noch nicht voll einsetzbar ist, das gleiche zahlen muss.
Anders als in anderen Branchen, gibt es im Schaustellergewerbe keine festen Freizeit- und Bereitschaftszeiten. Eine Trennung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz gibt es auch nicht.
Während etwa bei einem Fabrikarbeiter die Arbeitszeit mit dem Stempeln in der Stechuhr beginne und ende und die Pausen klar geregelt sind, kann man das in seinem Gewerbe nicht so einfach trennen, so Hans-Heinrich Wienberg. "Beginnt die Arbeitszeit meines Gehilfen, wenn wir mit dem Karussell von Hollenstedt aus losfahren oder wenn wir aufbauen?, fragt er sich. Die Anfahrtszeiten zu den Festen und Märkten variieren zwischen 20 Minuten und drei Stunden.
"Bei schlechtem Wetter, wenn weit und breit keine Karussellnutzer in Sicht ist, sitzen wir auch mal längere Zeit im Packwagen und warten den Regen ab. Ist das auch Arbeitszeit?", möchte er wissen.
Ein weiteres Problem: Seine Schaustellergehilfen dürfen maximal bis zu zwölf Stunden pro Tag arbeiten. Ein Straßenfest dauere in der Regel auch von morgens um 10 bis abends um 22 Uhr. "Mit Auf- und Abbau und Abtransport sind wir manchmal aber auch deutlich länger auf den Beinen", erklärt Wienberg.
Unschlüssig ist Hans-Heinrich Wienberg noch, ob er wegen des Mindestlohns an der Preisschraube dreht. "Das kann ich noch nicht sagen. Irgendwann ist die Schmerzgrenze für die Kunden erreicht", weiß er.
Zugeständnisse für das Schaustellergewerbe
Auf die Besonderheiten seiner Branche hatte das Präsidium des Deutschen Schaustellerbundes bei einem Termin mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (44, SPD) in Berlin im Januar aufmerksam gemacht. Ein Ergebnis: Das Schaustellergewerbe wurde als Saisongewerbe anerkannt. Dadurch dürfen die Arbeitskräfte bis zu zwölf Stunden arbeiten. Nahles habe auch zugebilligt, dass bei unvorhersehbaren Problemen wie einem Unfall oder Sturm auch länger gearbeitet werden darf, berichtet Lucinde Boennecke, Pressesprecherin des Schaustellerbundes. Diese Mehrarbeit müsse dann aber durch Freizeit ausgeglichen werden, sodass die Mitarbeiter im Schnitt auf acht bis zehn Stunden täglich kommen. Allerdings: "Die Schaustellergehilfen sind überwiegend Polen und Rumänen. Die wollen gerne viel und am Stück arbeiten, um schnell wieder zu ihren Familien zurück zu kommen", so Lucinde Boennecke.
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