Sondersitzung des Kreisschulausschusses
Teuer, teurer, (Kreis-)Schulpolitik

Keimzelle vieler Fehlentwicklungen in der Schulpolitik: die Oberschule Jesteburg | Foto: os
  • Keimzelle vieler Fehlentwicklungen in der Schulpolitik: die Oberschule Jesteburg
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(mi). Positiv könnte man es so formulieren: Der Landkreis Harburg investiert in den kommenden Jahren bis 2026 rund 148 Millionen Euro in seine Schulen. Die Gründe für die Investition sind allerdings ein umfassender Sanierungsstau, eine unstete Landesschulpolitik und eine Kreispolitik, die den Elternwillen zum Entscheidungsprimat erhoben hat.
Wenn der Kreisschulausschuss am kommenden Montag, 15. April, um 15 Uhr im Kreishaus in Winsen zusammentritt, dann steht auf der Agenda der Investitionsplan für den Schulbau. Der Plan sieht bis 2024 Ausgaben in der Höhe von rund 110 Millionen Euro vor. Bis 2026 sind es sogar 148 Millionen Euro. Die Summe im Investitionsplan (bis 2024) verteilt sich auf ca. 46 Aus-, Um- oder Erweiterungsbauten.
Rund 25 Millionen Euro kostet den Landkreis Harburg dabei allein das Hickhack in der Landespolitik um G8 (Abitur nach der 12. Klasse) und G9 (Abitur nach der 13. Klasse). Durch die Rückkehr zu G9 und den gleichzeitig eingeführten Ganztag werden an fast allen Gymnasien im Landkreis umfangreiche Erweiterungsbauten notwendig.
Ein weiteres Beispiel für Kosten, die die Landesschulpolitik den Kommunen verursacht, ist der Umgang mit den Förderschulen. Wollte die Rot-Grüne Regierung die Schulen noch abwickeln, setzte die CDU in der großen Koalition einen Bestandsschutz bis 2028 durch. Das Problem: Viele Kommunen - auch der Landkreis Harburg - hatten die vermeintlich bald leerstehenden Förderschulräume schon anderen Schulen zugeschlagen. So verteuert sich die Erweiterung des Gymnasiums in Winsen jetzt zum Beispiel um 3,3 Millionen Euro, weil die Räume der Wolfgang-Borchert-Schule nun doch nicht für das Gymnasium nutzbar sind.
Ein weiterer Kostentreiber ist die Bauwirtschaft. Wegen der massiven Kostensteigerung rechnet man beim Kreis für alle Projekte pro Jahr mit fünf Prozent Teuerungsrate.
Ein großer Teil der anfallenden Kosten ist aber auch hausgemacht. Der Grund: Im Landkreis Harburg gibt es trotz stabiler oder teilweise sogar leicht sinkender Schülerzahl immer mehr Schulen. Das hängt mit der politisch gewollten Abschaffung der Schuleinzugsbezirke zusammen. Heute werden den Schulen nicht mehr die Kinder ihres Einzugsgebiets zugeordnet, sondern jede Bildungseinrichtung muss ganz im Sinne einer kapitalistischen Konkurrenzlogik um ihre Schüler buhlen. Das mag für den sogenannten positiven Wettbewerb förderlich sein, kommt aber nachweislich vor allem den Steuerzahler teuer zu stehen. Denn Schulen entstehen nicht mehr dort, wo sie am effektivsten ein bestimmtes Gebiet abdecken, sondern dort, wo Eltern den besten Draht zur Politik haben.
Das Beispiel Oberschule Jesteburg: Weil sie in der Kreispolitik gut vernetzt sind, setzten die Jesteburger 2012 für ihre kleine Samtgemeinde eine Oberschule durch. Kosten: 13 Millionen Euro. Dank einer intensiven PR-Kampagne gelang es der kleinen Samtgemeinde, in den umliegenden Orten so viele Schüler abzuwerben, dass die vierzügig geplante Oberschule siebenzügig startete und damit bereits vor der Eröffnung zu klein war. Kooperation mit Zukunftswerkstatt und Universität Lüneburg, innovativer Unterricht und moderne Medien überzeugten damals Eltern bis nach Tostedt, ihre Sprösslinge lieber in Jesteburg beschulen zu lassen. Die Kehrseite: Während teilweise jeder zweite Jesteburger Oberschulschüler nicht aus der Samtgemeinde kam, standen im benachbarten Hanstedt und nahen Rosengarten Schulräume leer. Die ebenfalls fast neuen Schulen kämpften zeitweise um ihre Existenz.
Viel Geld hat auch schon die IGS Seevetal verbrannt. Rückblick: Politisch gewollt und durch ein fragwürdiges Gutachten begründet, entschied der Kreistag, die IGS in der ehemaligen Realschule Hittfeld (Baujahr: 1976) unterzubringen, anstatt in der modernen Oberschule Rosengarten (Baujahr: 2002). Die Kosten für Hittfeld wurden inklusive Erweiterung damals mit 2,3 Millionen Euro beziffert. In Rosengarten hätte ein notwendiger Erweiterungsbau rund sieben Millionen Euro verschlungen. Auf die vergleichsweise geringen 2,3 Millionen kam man aber nur aufgrund der Annahme, dass die IGS Seevetal Räume des angrenzenden Gymnasiums nutzen könnte, das - so behaupteten die Gutachter - durch die IGS einen Zug verlieren würde. Heute ist das Gymnasium so beliebt wie eh und je. Die Kosten für die IGS Seevetal sind dabei von 2,3 auf acht Millionen Euro geklettert. Im Investitionsplan sind jetzt weitere 70.000 Euro eingestellt. Planungsmittel für einen größeren Umbau, dessen Kosten noch nicht feststehen.
Die Mitglieder des Schulausschusses müssen sich am kommenden Montag auch noch einem anderen Problem widmen: Rund zehn Jesteburger Oberschüler, die das Abitur machen wollen, haben noch keinen Platz an einer Oberstufe. Nicht weil es zu wenig Plätze gibt - allein an den Gymnasien in Buchholz und Hittfeld gibt es rund 30 freie Plätze -, sondern weil die Jesteburger noch keine Zusage von ihren Wunschschulen, der IGS Hittfeld oder Buchholz, haben. Jetzt muss sich die Politik damit beschäftigen, ob an den Integrierten Gesamtschulen für die Jesteburger Container aufgestellt werden sollten. Kosten: unbekannt! (mi).

Kommentar

Das sollte ein Weckruf sein
Die teilweise selbst verschuldeten Investitionen von 148 Millionen Euro sollten der Politik Weckruf genug sein. Dahingehend, dass es auf Dauer für die Allgemeinheit nicht bezahlbar ist, wenn das wichtigste (einzige?)
Entscheidungskriterium in der Kreisschulpolitik die Wählergunst bzw. der Elternwille ist. Eine mutige Schulpolitik ist eine, die rationale Entscheidungskriterien, sprich Schuleinzugsbezirke, schafft. Sollte eine solche Wende hin zur Rationalität den Politikern zu radikal erscheinen, wäre es ein erster Schritt, der Jesteburger Forderung nach der Wunsch-Oberstufe eine klare Absage zu erteilen. Rechtlich ist das kein Problem. Denn der Anspruch, das Abitur an der Schule des eigenen Gustos zu absolvieren, besteht nicht. Wer solche Eskapaden möglich macht, verschleudert das Geld der Steuerzahler
Mitja Schrader 

Redakteur:

Mitja Schrader

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