Warum 100 Prozent nicht reicht: Das WOCHENBLATT informiert zum Thema Unterrichtsversorgung
(jd). Das Thema ist ein Klassiker auf jedem Elternabend: Immer wieder taucht die Frage nach der Unterrichtsversorgung auf. Und stets aufs Neue müssen die Klassenlehrer erläutern, dass es sich bei den Zahlen zur Unterrichtsversorgung um statistische Größen handelt, die nur bedingt etwas mit dem tatsächlichen Ausfall von Schulstunden zu tun haben. Da im Moment die Debatte um die schlechte Versorgungsquote an den niedersächsischen Schulen wieder im vollen Gange ist, klärt das WOCHENBLATT die Frage, warum eine 100-prozentige Versorgung nicht ausreicht, um Unterrichtsausfälle zu vermeiden.
Vor wenigen Tagen verkündete Bildungsministerin Frauke Heiligenstadt (SPD), dass die Unterrichtsversorgung im laufenden Schuljahr bei 99,5 Prozent liege. Was für den unbedarften Betrachter fast nach Vollversorgung und damit alles andere als nach einem Aufreger klingt, brachte Opposition sowie Lehrer- und Elternverbände in Rage. Am gestrigen Freitag war das Thema erneut Gegenstand einer Debatte im Landtag: Die CDU hatte eine mündliche Anfrage gestellt. Deren schulpolitischer Sprecher Kai Seefried verweist darauf, dass die Unterrichtsversorgung zu Zeiten der CDU/FDP-Regierung bei 102 Prozent lag.
Doch wären die Schulen dann nicht überversorgt? Nein, denn eine Unterrichtsversorgung von 100 Prozent bedeutet erst einmal nur, dass an einer Schule genau die Mindestzahl an Lehrkräften vorhanden ist, die erforderlich ist, um die Pflichtstunden abzudecken. So weit die Theorie. Doch die Praxis sieht anders aus: Berücksichtigt ist dabei nicht, dass Lehrer auch mal krank werden, an Fortbildungen teilnehmen, auf Klassenfahrten gehen oder Praktika von Schülern begleiten. Auch die Tatsache, dass in einigen Fächern akuter Lehrermangel herrscht, bleibt unberücksichtigt. So kann es sein, dass eine Schule auf dem Papier eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung aufweist, tatsächlich aber Fachunterricht ausfällt, weil es beispielsweise zu wenig Physiklehrer im Kollegium gibt.
Zwar gibt es in Niedersachsen seit Jahren keine statistischen Erhebungen mehr zum Krankheitsstand von Lehrern, doch Experten halten es für realistisch, eine sogenannte Krankheitsreserve von mindestens 2,5 Prozent einzuplanen. Das entspricht fast der Forderung, die die frisch gegründete Volksinitiative "Bessere Schule" auf ihre Fahnen geschrieben hat: Die von Eltern initiierte Aktion will eine Unterrichtsversorgung von 103 Prozent erreichen. Einige Lehrer-Funktionäre gehen sogar noch weiter: So verlangt der Verband niedersächsischer Lehrkräfte "eine Vertretungsreserve von mindestens fünf Prozent an jeder Schule vorzuhalten." Ein Insider erklärte gegenüber dem WOCHENBLATT, dass eine Unterrichtsversorgung von 103 Prozent ausreiche, um "im Tagesgeschäft gut über die Runden zu kommen".
Woher das Land dafür die Lehrer nehmen will, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
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