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Neue Behandlungsmethoden für chronische Schlafstörungen

Erschöpfungszustände wegen fehlenden Schlafs kennen viele Menschen | Foto: Drobot Dream/Stock.adobe.com
  • Erschöpfungszustände wegen fehlenden Schlafs kennen viele Menschen
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Wir schlafen erholsam in der Nacht und sind am Tag leistungsfähig und fit? Für immer mehr Menschen ist dies nur noch Wunschdenken. Bei ihnen geriet die innere Uhr aus dem Takt - ein Fall für die "Chronobiologie", einen relativ neuen Bereich medizinischer Wissenschaft. Sie konnte kürzlich immense Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ging doch der 2017er Nobelpreis für Medizin an US-amerikanische Chronobiologen. Ihre Forschungen geben Hoffnung für viele, deren Tag-Nacht Steuerung aus dem Takt geraten ist und zu schwerwiegende Folgen wie Schlaf-, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen bis hin zur Demenz führen kann. Als vielversprechendes Therapeutikum zur nachhaltigen Harmonisierung gestörter Schlaf-Wach-Zyklus gilt unter Schlaf-Experten heute "retardiertes Melatonin".

Wie viele Stunden Schlaf wir benötigen, ist nicht pauschal zu beantworten. Bei Erwachsenen liegt der Richtwert zwischen 6 und 8,5 Stunden. Dabei ist es ganz normal, nachts immer wieder aufzuwachen. Meist bleibt das unbemerkt, weil kurze Wachphasen nicht ins Langzeitgedächtnis übergehen. Dies gilt natürlich nur für Menschen ohne Schlafstörungen. Aber inzwischen leidet jeder fünfte Erwachsene unter gestörtem Schlaf. Eine Schlafstörung liegt dann vor, wenn das Einschlafen Schwierigkeiten bereitet und die Nachtruhe durch zu häufiges Aufwachen unterbrochen wird. Vor allem ein Gefühl von Erschöpfung, Ermattung sowie nachlassender Leistungs- und Erinnerungsfähigkeit am nächsten Tag sind Symptome einer behandlungsbedürftigen Schlafstörung.

Leistungsfähigkeit und guter Schlaf sind eng miteinander verknüpft, bestätigt der renommierte Experte für Schlafbiologie, Prof. Dr. Klaus Wahle. "Wir sprechen bei der Schlaf/Wach-Abfolge von einem circadianen Rhythmus, ein Wort, das auf das lateinische 'circa dies', also 'ungefähr ein Tag' zurückgeht. Ist dieser natürliche Ablauf gestört, gerät der Wechsel zwischen Tiefschlaf- und Traumphasen aus dem Takt und damit die notwendige Erholung von Körper und Gehirn. Vor allem das psychische Wohlbefinden leidet, Aggressivität wechselt ab mit Selbstzweifeln, Depressionen kommen auf. Auch unsere Hirnleistung leidet unter einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus: Konzentrationsvermögen und Gedächtnisleistung sind massiv betroffen, das Risiko für das Entstehen von Demenzerkrankungen ist deutlich erhöht.

Lange war unbekannt, was unseren Schlafablauf steuert. Inzwischen steht fest: Für ein reibungsloses Funktionieren der circadianen Rhythmik kommt dem Schlafhormon Melatonin eine entscheidende Bedeutung zu. Da seine Ausschüttung kurz nach Anbruch der Dunkelheit beginnt, wird das in der Zirbeldrüse des Zwischenhirns gebildete Hormon auch "Dunkelheitshormon" genannt. Etwa zwei Stunden nach Beginn der Melatonin-Produktion setzt im Normalfall eine gesunde Müdigkeit ein, die den Körper auf den kommenden Schlaf einstimmt. Ihr Maximum erreicht der Melatonin-Spiegel zwischen drei und vier Uhr. Gegen Ende der zweiten Nachthälfte sinkt er wieder ab, das Aufwachen beginnt.

Also Melatonin in Form von Tabletten zuführen? Das kann durchaus sinnvoll sein, wie Prof. Wahle bestätigt. Allerdings: "Um chronobiologische Prozesse zu harmonisieren, muss die natürliche, körpereigene Melatonin-Versorgung über einen Zeitraum von mehreren Stunden hinweg möglichst exakt imitiert werden. Wird das Hormon zu schnell oder in zu hoher Konzentration freigesetzt, hat dies eher eine schädigende Wirkung. Vor Melatonin aus dem Internet will ich aus diesem Grund ganz ausdrücklich warnen!" Für eine langsame, kontrollierte Melatonin-Freigabe verordnen daher immer mehr Ärzte eine speziell entwickelte, sogenannte Retard-Tablette. Regelmäßig zur gleichen Uhrzeit vor dem Schlafengehen eingenommen, wird der Wirkstoff verzögert freigesetzt und stellt so das Schlafmuster auf natürliche Weise wieder her. Die Wirksamkeit konnte zuvor einer groß angelegten Studie mit mehr als 600 Patienten eindrucksvoll nachgewiesen werden: Schon nach einer dreiwöchigen Behandlung zeigte sich eine sehr deutliche Verbesserung der Schlafqualität, eine Verbesserung, die über den Behandlungszeitraum hinaus anhielt - ohne Gewöhnungseffekte oder Abhängigkeiten.

Patienten, die unter leichter bis mittelschwerer Demenz (Alzheimer) leiden, scheinen von einer Therapie mit retardiertem Melatonin in besonderem Maße zu profitieren. Im Verlauf einer erst kürzlich durchgeführten 6-Monats-Studie zeigten sich aufgrund des harmonisierten Schlafmusters nicht nur eine signifikante Steigerung von Hirnleistung und Erinnerungsvermögen - auch das Ausmaß der sogenannten Alzheimer-Plaques wurde positiv beeinflusst. Da es sich bei circadianen Störungen meist um komplizierte Gesundheitsprobleme handelt, gehört ihre Therapie grundsätzlich in die Hand erfahrener Ärzte. Retardiertes Melatonin ist daher trotz seiner sehr guten Verträglichkeit rezeptpflichtig.

Redakteur:

Axel-Holger Haase aus Buchholz

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