Bittere Pille für Apotheken
Das Kippen der Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente könnte Folgen haben
(ab). (ab/ce). Bisher hat die Preisbindung in Deutschland dafür gesorgt, dass jedes verschreibungspflichtige Medikament das gleiche kostet. Dies gilt auch für den deutschen Online-Versandhandel. Gestoppt hatte die Preisbindung kürzlich der Europäische Gerichtshof (EuGH), und zwar für den Versandhandel aus dem europäischen Ausland: Sie verstoße gegen europäisches Recht, denn sie könnte anderen europäischen Anbietern den Zugang zum deutschen Markt erschweren, hieß es. Könnte bald deutschlandweit die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente gekippt werden? Und was würde das für Apotheken aus unserer Region sowie für Kunden und Patienten bedeuten?
Rezeptpflichtige Medikamente werden in kurzer Zeit versandkostenfrei verschickt, es gibt Boni und Rabatte: Die Verlockung, sich Medikamente bei einem günstigen Online-Versandhändler innerhalb der EU zu bestellen, ist groß. Vor allem chronisch Kranke können durch den Wegfall der Preisbindung erheblich sparen.
Ungerecht, findet Apothekerin Andrea Kröger von der Delm-Apotheke in Apensen. „Für Apotheken in Deutschland ist das verboten. Wenn ich meinen Kunden Boni einräume, werde ich dafür bestraft. Das kann nicht sein“, beschwert sie sich. Den Beschluss sehe sie mit großer Sorge, ebenso ihre Angestellten, die um ihren Arbeitsplatz fürchten. Denn kippt die Preisbindung auch innerhalb Deutschlands, werden gerade im ländlichen Raum Apotheken von Schließungen bedroht sein: Ohne Preisbindung kann u.a. das erforderliche Fachpersonal nicht mehr finanziert werden. „Es wird nur noch in großen Städten einen Not- und Nachtdienst geben. Kunden müssten unter Umständen dann nach Geschäftsschluss bis nach Hamburg fahren“, vermutet Andrea Kröger.
Auch Dr. Mathias Grau von der Rats-Apotheke aus Horneburg sieht die flächendeckende Versorgung durch das Kippen der Preisbindung bedroht. Der stellvertretende Vorsitzende des Landesapothekerverbandes Niedersachsen verweist noch auf ein weiteres Problem: „Mehr Rezepte, mehr Boni. Wer auf das Rezept eines verschreibungspflichtigen Medikamentes einen Bonus erhält, wird sich wahrscheinlich mehr Rezepte holen, als er tatsächlich Medikamente benötigt“, meint er. Seine optimistische Prognose: „Ich setze darauf, dass der Gesetzgeber seine schützende Hand über die Bevölkerung hält und den Online-Handel für verschreibungspflichtige Medikamente komplett verbietet“, sagt der Experte und nennt noch ein paar erschreckende Zahlen: Bei 20 Prozent aller Apotheken innerhalb Deutschlands verdiene der Apothekenleiter weniger als seine Angestellten. Insgesamt 300 Apotheken müssten pro Jahr schließen, das ist ca. eine am Tag. „Noch gibt es 20.000 Apotheken in Deutschland, doch bald werden wir darunter liegen“, befürchtet er. Grau hofft, dass sich die Kunden die Vorteile der regionalen Apotheken gegenüber dem Versandhandel weiterhin bewusst machen: „Wir sind direkt vor Ort, bestellte Medikamente kommen binnen weniger Stunden, wir bilden aus und bieten kompetente Beratung durch Fachpersonal.“
„Die Preisbindung gewährleistet auch für kleinere Apotheken auf dem Lande das Auskommen“, betont Helmut Gericke von der Markt-Apotheke im Winsener Gesundheitszentrum. „Mit der Bindung würde die wirtschaftliche Grundlage für die Pharmazeuten wegfallen und somit die medikamentöse Grundversorgung gefährdet“, warnt Gericke. Sollte der deutsche Gesetzgeber dem Aus für die Preisbindung zustimmen, wäre die Markt-Apotheke vorbereitet. „Dann geben wir Boni auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, um weiter attraktiv für die Kunden zu bleiben. Bereits heute gewähren wir Boni für
die Selbstmedikation“, erklärt Helmut Gericke.
Redakteur:Alexandra Bisping |
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