Kehdinger Feuerwehren üben Großtierrettung
Einsatzmeldung „Kuh in Güllegrube“
„Mein Pferd ist in einen Graben gerutscht und kommt nicht mehr raus." "Verkehrsunfall mit einem PKW mit Pferdeanhänger." "Ein Rind ist in die Güllegrube gefallen.“ Jeden Tag gehen solche oder ähnliche Anrufe bei den Leitstellen der Feuerwehren ein. Die Zahl der Rettungseinsätze für große Tiere, die in eine Notlage geraten sind, nimmt kontinuierlich zu. Tierbesitzer – ob Landwirt oder Freizeitreiter – vertrauen in solchen Situationen auf die Feuerwehr. Die große Mehrheit der Einsatzkräfte ist jedoch nach wie vor nicht auf die speziellen Anforderungen und Risiken von Großtierrettungseinsätzen vorbereitet, denn anders als beispielsweise in England steht die technische Großtierrettung nicht auf dem Standardausbildungsplan für Rettungskräfte.
Noch nicht, muss man sagen, denn das ändert sich gerade. Immer mehr Feuerwehren entwickeln ein Bewusstsein für die speziellen Gefahren und Herausforderungen von Großtierrettungseinsätzen und entscheiden sich, ihre Einsatzkräfte schulen zu lassen. So auch kürzlich im Land Kehdingen. 20 Rettungskräfte verschiedener Feuerwehren sowie Reiter und Tierärzte trafen auf der Reitanlage Lichtenberg in Drochtesen auf Michael Böhler, Großtierrettungstrainer aus Schleswig-Holstein, und seinen professionellen Rettungsdummy „Hope“.
Zu Beginn des Trainingstages erhielten die 21 Frauen und Männer zunächst wichtige Hintergrundinformationen, z.B. zur richtigen Einschätzung des Verhaltens von Menschen und Tieren unter Stress. Der Bezug zur Praxis wurde anschaulich anhand mehrerer, teils haarsträubender Einsatzvideos hergestellt. Nach zwei Stunden ging es dann raus ins Gelände, um das erlernte Wissen bei verschiedenen Einsatzszenarien zu üben.
Einsatzübungen mit lebensgroßem Rettungsdummy „Hope“
Bevor es zur ersten Übung ging, legten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre persönliche Schutzausrüstung an, die auch im Einsatz unbedingte Pflicht ist. Dann wurde der lebensgroße Rettungsdummy des Trainers entladen. Die Stute „Hope“ ist ein professioneller Pferdedummy, wiegt zirka 200 Kilogramm und hat bewegliche Gelenke wie das lebendige Vorbild. Ihr großer Vorteil: Sie lässt alle Übungen und auch Fehler, die beim Training gemacht werden dürfen, geduldig über sich ergehen.
Die Teilnehmer lernten an und mit Hope, wie eine Großtierrettung ablaufen sollte. Dabei kamen auch Spezialwerkzeuge zum Einsatz. Diese wurden für die technische Großtierrettung entwickelt und sind geeignet, Tiere schonend und schmerzfrei zu befreien, ohne dass die Rettungskräfte dem Tier zu nahe kommen müssen.
Geübt wurden verschiedene praxisnahe Situationen wie die Rettung aus einem Graben, die Rettung aus einem verunfallten Transporter und auch eine Rettung mittels Hebegeschirr unter Einsatz eines Krans. Der kann übrigens in den allermeisten Fällen in der Fahrzeughalle bleiben. „90 Prozent aller Rettungen lassen sich mit reiner Muskelkraft bewältigen“, bestätigt Michael Böhler.
Hintergründe
Bis vor wenigen Jahren gab es in Deutschland keine qualifizierte Ausbildung zur Vorbereitung auf Großtierrettungseinsätze. 2016 lernte Lutz Hauch das in England entwickelte Konzept der technischen Großtierrettung kennen und begann, es in Deutschland bekannt zu machen. Heute gehört das Konzept in vielen Ländern weltweit zur Standardausbildung für Rettungskräfte.
In Deutschland verfügen bis heute 394 von insgesamt rund 22.300 registrierten Feuerwehren über in der technischen Großtierrettung ausgebildete Einsatzkräfte.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.