Seit vier Jahren vermisst
Familie Schulze: Ohnmacht, Trauer, Fragen
Neue Podcast-Serie beschäftigt sich mit dem Verschwinden der Familie Schulze aus Drage
thl. Drage. Es ist der 23. Juli 2015 - in dem kleinen Ort Drage in der Elbmarsch wird die gesamte Familie Schulze aus der Hein-Block-Straße als vermisst gemeldet. Die Polizei findet im Wohnhaus keine Hinweise auf einen Aufenthaltsort, wohl aber die Geldbörsen der Familie sowie wichtige Papiere. Sofort läuft eine größere Maschinerie mit diversen Suchaktionen an, die aber alle im Sande verlaufen. Auch eine Öffentlichkeitsfahndung und ein Beitrag in der TV-Sendung "Aktenzeichen XY" bringt keine brauchbaren Hinweise.
Neun Tage nach dem Verschwinden wird Vater Marco Schulze (41) tot aus der Elbe bei Lauenburg gezogen. Die Polizei legt sich schnell fest: Suizid. Doch die Leichen von Mutter Sylvia (damals 43) und Tochter Miriam (damals 12) werden nicht gefunden – bis heute.
Der Fall der Familie Schulze ist seitdem einer der rätselhaftesten Kriminalfälle. Denn bis heute sind immer noch viele Fragen offen.
In der mehrteiligen Podcast-Reportage "Drage – Dimensionen des Verschwindens" spüren die Journalistinnen Johanna Steiner und Hannah Rau vor Ort dem Verschwinden nach. Dabei rekonstruieren sie nicht nur den Fall und die Ermittlungen, sondern richten den Blick auf die Gefühlswelt der Hinterbliebenen: die Ohnmacht, die Trauer, die Fragen. Für die Serie sprachen sie mit Angehörigen, dem ermittelnden Kommissar, berichtenden Reportern und Privatermittlern. "Ihrer Sicht auf das Verschwinden Raum zu geben und von der Leerstelle zu erzählen, die der Tod bzw. das Verschwinden ihrer Freunde und Verwandten hinterlassen haben, ist das vornehmliche Anliegen unseres Podcasts", sagen die beiden Frauen.
• Der Podcast erscheint ab sofort wöchentlich in sechs Folgen und ist unter www.podcasts.apple.com/de/podcast/drage/id1472707505 zu hören.
Der Fall der verschwundenen Familie Schulze im Überblick:
Seit genau vier Jahren gelten Sylvia Schulze (re.) und ihre Tochter Miriam aus Drage in der Elbmarsch als vermisst. Zahlreiche Suchaktionen der Polizei verliefen im Sand. Dabei haben die Beamten für den 22. Juli 2015, den Tag, an dem die Familie das letzte Mal gesichert gesehen wurde, eine Art "Timeline" erstellt.
6.50 Uhr: Nachbarn sehen die Familie beim Frühstück am Küchentisch sitzen.
7.40 Uhr: Vater Marco fährt mit dem Familienauto, einem grauen Dacia Sandero, weg. Wohin, ist bis heute unklar. Fakt ist, dass ihn eine Zeugin zehn Minuten später im vier Kilometer entfernten Stove sieht, wo er wieder Richtung Drage fährt.
8.15 Uhr: Mutter Sylvia meldet Tochter Miriam auch für den letzten Schultag vor den Sommerferien in der Schule krank. Dort fehlt das Kind bereits seit über einer Woche.
10 Uhr: Sylvia fährt zur Arbeit nach Geesthacht. Vater Marco hat frei und bleibt zu Hause bei der Tochter. Bereits einen Tag zuvor hatte die Mutter Miriams Schulspind ausgeräumt und Bücher abgegeben. Der Grund ist für die Polizei bis heute ein Rätsel.
13.45 Uhr: Sylvia Schulze erhält von ihrem Mann eine SMS, dass es Miriam wieder schlechter gehe. Er bittet seine Frau, nach Hause zu kommen. Sylvia Schulze muss allerdings erst auf eine Ablösung warten und kann um 16.20 Uhr ihre Arbeitsstelle verlassen.
16.50 Uhr: Sylvia Schulze kommt zu Hause an. Ihr Handy loggt sich in das heimische WLAN-Netz ein.
17.25 Uhr: Marco Schulze bekommt einen Anruf vom Reiterhof, auf dem er einen Aushilfsjob hat. Er wird gefragt, ob er am nächsten Tag arbeiten könne. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit sagt er aber nicht sofort zu, sondern zögert mit der Antwort. "Vielleicht wusste er da schon, dass irgendwas passieren wird", sagt Polizeisprecher Jan Krüger.
19.30 Uhr: Marco Schulze wird auf dem Reiterhof gesehen, wie er einen Stall ausfegt.
19.33 Uhr: Marco Schulze ruft seinen Schwiegervater zurück, der zwischenzeitlich angerufen hatte. Schulze sagt, seine Frau und seine Tochter würden bereits schlafen.
20.58 Uhr: Das Handy von Marco Schulze meldet sich aus dem Funknetz ab.
Was dann passierte, ist bis heute ein großes Rätsel. Fakt ist nur: „Wir können ausschließen, dass es in dem Haus zu einem Verbrechen kam“, so Krüger.
Ebenso unklar wie das Schicksal von Mutter und Tochter ist der Wahrheitsgehalt einer Aussage einer Zeugin, die die Familie am Tag ihres Verschwindens am Seppenser Mühlenteich in Buchholz gesehen haben will. Dabei hörte die Frau mehrfach einen Namen für die in der Nähe lebende ältere Tochter von Sylvia Schulze, der nur von der Familie benutzt wurde. Wenig später hörte sie Schreie. „Was soll das? Spinnst du?“ und „Papa, lass das“, sagte die Zeugin später der Polizei. Dann habe sie einen Knall gehört, als ob ein Luftballon zerplatzen würde. Da diese Beobachtung zeitlich überhaupt nicht in den rekonstruierten Tagesablauf passt, gehen die Beamten davon aus, dass sich die Zeugin im Tag geirrt hat.
• Derzeit hat die Polizei keine neuen Spuren. "Es kommen zwar hin und wieder Hinweise rein, die von uns bewertet werden. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 13 Stück", so Polizeisprecher Torsten Adam auf WOCHENBLATT-Nachfrage. Weitergebracht haben diese die Beamten aber auch nicht.
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