Kreislandwirt hält Diskusssion "Tank/Teller" für falsch
Roggen landet in der Biogasanlage
jd. Schwinge. Nachhaltigkeit ist heutzutage ein großes Thema. Dazu gehört auch die Frage, wie sich das Wegwerfen von Lebensmitteln vermeiden lässt. Gerade landwirtschaftliche Erzeugnisse landen im Laden oft im Müll, sobald diese nicht mehr ansehnlich genug für das Verkaufsregal sind. Es gibt aber auch zahlreiche landwirtschaftliche Produkte, die gar nicht als Nahrungsmittel vorgesehen sind - wie etwa sogenanntes Energiegetreide. Dazu zählt auch die Roggensorte, die auf einem Acker bei Schwinge angebaut wurde. Als das Feld kürzlich abgeerntet wurde, brachte das einige Anwohner in Rage. Denn Körner und Halme wandern in eine Biogasanlage.
"So werden einfach Lebensmittel vernichtet", lautet die Kritik eines Lesers, der sich an das WOCHENBLATT wandte. Kreislandwirt Johann Knabbe hält dagegen: "Energiepflanzen gab es schon immer. Früher wurden sie an die Pferde verfüttert."
Die Empörung ist groß: "Letzte Woche haben Landwirte fast reifes Korn nicht ausreifen lassen, sondern es für eine in der Nähe liegende Biogasanlage geschreddert", ärgert sich der Leser aus Schwinge. "Anderswo in der Welt verhungern die Menschen." Man müsse sich die Frage stellen, ob es verantwortbar sei, Getreide in solchen Anlagen zu verarbeiten.
Kreislandwirt Knabbe sieht hier kein ethisches Problem. Der Anbau von Energiepflanzen beeinträchtige in Deutschland wie in der gesamten EU nicht die Erzeugung von Lebensmitteln. Er beruft sich auf aktuelle Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), wonach lediglich 18 Prozent der gesamten Getreideernte für die menschliche Nahrung bestimmt sind. 20 Prozent gehen laut der BLE-Statistik in die industrielle Verwertung, worunter auch Biogasanlagen fallen. Und der mit 57 Prozent weitaus größte Anteil wird für Tierfutter verwendet. Das in Deutschland erzeugte Getreide decke den Inlandsbedarf zu rund 100 Prozent, heißt es im Bericht weiter.
Laut Knabbe muss klar zwischen Brot- und Energiegetreide differenziert werden. Letzteres sei aber immer ein wichtiger Bestandteil der landwirtschaftlichen Produktion gewesen. Früher sei ein Teil des Getreides für Pferdefutter verwendet worden, heute diene es eben der Strom- und Wärmeerzeugung. Knabbe verweist wiederum auf das BLE-Papier. Darin wird am Beispiel des Hafers auf den Wandel bei der Nutzung von Getreide eingegangen: "Der Haferanbau verlor im letzten Jahrhundert nicht deshalb an Bedeutung, weil weniger Haferschleim gegessen wurde, sondern weil mit der beginnenden Motorisierung der 'Treibstoff' Hafer für die Fütterung von Zugpferden keine Rolle mehr spielte."
Nicht zuletzt aufgrund steigender Rohölpreise rechne es sich, Getreide in Form von Bioethanol oder Biogas energetisch zu nutzen, schreibt das BLE. Nach Angaben von Knabbe lohnt es sich inzwischen, auch Roggen in Biogasanlagen zu verwenden. "Aufgrund moderner Häckseltechniken können wir die sehr strohigen Halme aufschließen, sodass diese für die sogenannte Ganzpflanzensilage, kurz GPS, verwendet werden können." Die speziell gezüchtete Roggensorte bringe in dieser Hinsicht einen sehr hohen Ertrag.
Auf dem jetzt abgeernteten Acker in Schwinge gebe es sogar eine Fruchtfolge, so Knabbe. "Im Grunde hätte dort bis weit in den September hinein Mais als Monokultur stehen können." Nun sei auf der Fläche schon Gras eingesät worden. Das werde bis zum Frühjahr stehen bleiben und bis zu drei Schnitte für die Futtersilage bringen. Würden dort Nahrungsmittel angebaut werden, wer solle sie dann abnehmen, fragt sich Knabbe. Wer Tank kontra Teller argumentiere, führt nach seiner Ansicht eine "total verquere Diskussion".
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