"Die Mitnutzung ist in Einzelfällen möglich"
Projektleiter Walter Füchsel erzählt, warum die Polizei einen Funkturm in Wesel aufstellen möchte.
mum. Wesel. Die "Autorisierte Stelle Digitalfunk Niedersachsen" der Polizeidirektion Niedersachsen plant die Errichtung eines Funkturms für das Digitalfunknetz der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in der Gemeinde Wesel. WOCHENBLATT-Redakteur Sascha Mummenhoff sprach mit Projektleiter Walter Füchsel über die Hintergründe.
WOCHENBLATT: Was ist die ASDN?
Walter Füchsel: Das bundesweite Digitalfunknetz der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) wird in Niedersachsen durch die "Autorisierte Stelle Digitalfunk Niedersachsen" (ASDN) überwacht und administriert. Die ASDN ist organisatorisch der Abteilung "Informations- und Kommunikationstechnologie" der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD) zugeordnet. Hier werden aber nicht nur die Belange des Digitalfunks der Polizei, sondern aller BOS bearbeitet. Die ASDN sorgt dafür, dass der Digitalfunkbetrieb im Zuge der Vorgaben für alle BOS-Partner reibungslos funktioniert.
WOCHENBLATT: Was ist der Zweck des Funkturms?
Füchsel: Aktuell kommunizieren Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben - wie Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst und Zoll - in einem bundesweit einheitlichen digitalen Sprech- und Datenfunksystem miteinander. Der Digitalfunk BOS erfüllt wichtige operativ-taktische Anforderungen an eine moderne BOS-Kommunikation und ermöglicht den Einsatzkräften im Einsatzfall die Wahrnehmung ihrer Aufgaben. BOS gewährleistet, unabhängig von den kommerziellen Mobilfunknetzen, eine verlässliche Kommunikation ausschließlich für die Einsatzkräfte. Die Eigenständigkeit stellt sicher, dass bei einem besonders hohen Gesprächsaufkommen während einer Einsatzlage eine verlässliche Kommunikation der Einsatzkräfte gewährleistet bleibt. Das Digitalfunknetz in Niedersachsen wurde zunächst mit rund 440 Basisstationen geplant. Die Überprüfung insbesondere in den ländlichen Gebieten veranlasste die ASDN, Maßnahmen zur Verbesserung der Funkversorgung zu ergreifen. Im Endausbau werden etwa 500 Basisstationen errichtet sein.
WOCHENBLATT: Welche Technik kommt dort zum Einsatz?
Füchsel: Die Systemtechnik des Digitalfunks BOS basiert auf dem TETRA-Mobilfunkstandard. "TETRA Terrestrial Trunked Radio" (TETRA) bezeichnet den vom European Telecommunications Standards Institute (ETSI) entwickelten Systemstandard für ein digitales Bündelfunksystem.
WOCHENBLATT: Welche ASDN-Standorte gibt es noch im Landkreis Harburg?
Füchsel: Insgesamt gibt es derzeit 14 weitere Digitalfunkstandorte und vier Richtfunkstandorte des Digitalfunknetzes im Landkreis Harburg. Die Weitergabe der genauen Standorte und der Standort-Bezeichnungen ist aufgrund des besonderen Schutzbedarfs nicht möglich.
WOCHENBLATT: Bekommen andere Anbieter die Möglichkeit, den Funkturm zu nutzen? Etwa für 5G?
Füchsel: Wir arbeiten eng mit den öffentlichen Mobilfunkanbietern und Mobilfunknetzbetreibern zusammen. Entscheidend ist für die ASDN die Gewährleistung einer flächendeckenden Mindestversorgung mit BOS-Digitalfunk. In Einzelfällen kommt eine Mitnutzung durch öffentliche Mobilfunkanbieter zustande.
WOCHENBLATT: Ist dieses bereits an anderen Standorten geschehen?
Füchsel: Ja.
WOCHENBLATT: Wie ist der aktuelle Planungsstand?
Füchsel: Im Zuge der Netzplanung und der Standortakquise wurden verschiedene Standortalternativen bewertet und betrachtetet. Aus diesen Alternativen, in Abhängigkeit mit den Rahmenbedingungen vor Ort (etwa Naturschutzgebiete) und in Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den Eigentümern, der unteren Naturschutzbehörde, der Kommune und dem Bürgermeister haben wir einen Standort ausgewählt. Im nächsten Schritt erfolgt die eigentliche Planung des Standortes, die Durchführung der notwendigen Genehmigungs- und Zustimmungsverfahren und dann anschließend der Bau des Standortes.
WOCHENBLATT: Halten Sie auch gegen den Willen der Bürger am Standort fest?
Füchsel: In ihrer täglichen Arbeit sind die Behörden mit Sicherheitsaufgaben regelmäßig auf eine gegenseitige Unterstützung, Kooperation und sichere Kommunikation angewiesen. Der Digitalfunk BOS dient unmittelbar der Sicherheit der Bürger. Wir suchen entsprechend nach geeigneten Standorten. Berücksichtigt werden neben den topographischen Gegebenheiten vor Ort auch die vom Gesetzgeber festgelegten Grenzwerte für die elektromagnetische Umweltverträglichkeit (EMVU). Zum anderen werden hierbei ebenfalls die baurechtlichen, landschaftsschutzrechtlichen und naturschutzrechtlichen Anforderungen umgesetzt. Sofern der Neubau eines Funkmastes erfolgt, gelten die Regelungen der jeweiligen Landesbauordnungen. Baurechtlich nehmen Standorte des Digitalfunks BOS grundsätzlich keine Sonderstellung gegenüber anderen Bauvorhaben ein. Um die tägliche Arbeit der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im Sinne der Sicherheit der Bürger gewährleisten zu können, werden wir, sofern die rechtlichen Rahmenbedingungen vorliegen, das Genehmigungs- und Zustimmungsverfahren positiv durchlaufen wird und der Grundstückseigentümer zustimmt, den Standort errichten.
WOCHENBLATT: Warum findet im Vorfeld keine Info-Veranstaltung statt?
Füchsel: Der Kommunikationsbedarf in der täglichen Arbeit der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben ist sehr häufig bereits bekannt und präsent. Daher kommen derartige Informationsveranstaltungen zwar in Ausnahmefällen vor, sind jedoch nicht generell erforderlich. In der Anfangsphase des Netzaufbaus haben wir durchaus regelmäßig an solchen Informationsveranstaltungen teilgenommen. Mit Abschluss des Netzaufbaus, im Zuge der aktuellen Netzoptimierung ist dies nur noch sehr selten der Fall.
WOCHENBLATT: Danke für das Gespräch.
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Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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