Die politisch korrekten Pflaster
Shoppen im Supermarkt finde ich toll: Während meine Frau zielstrebig die Einkaufsliste abarbeitet, stöbere ich in den Regalen nach mehr oder weniger nützlichen Dingen. Kürzlich entdeckte ich in einem dänischen Laden eine Packung mit Wundpflastern - aber nicht irgendwelche: Sie sind dunkelbraun. So etwas habe ich noch nie gesehen: Pflaster extra für Menschen mit dunkler Hautfarbe. "Daraus kann ich eine Story machen", schoss es mir durch den Kopf.
Zuhause wanderte die Schachtel von einer Ecke in die andere, bis meiner Frau der Kragen platzte: "Nimm die Dinger endlich mit in die Redaktion. Du wolltest doch darüber schreiben." Ich zeigte die Pflaster den Kollegen. Auch die waren erstaunt, dass es so etwas gibt. Wohl doch ein interessantes Thema, dachte ich mir und begann zu recherchieren.
Schnell stieß ich auf Internet-Foren, in denen heiß diskutiert wird, ob Pflaster in dunklen Farbtönen politisch korrekter sind. Immer wieder taucht die Frage auf: Werden Menschen mit dunkler Hautfarbe diskriminiert, weil überall nur die herkömmlichen hellbraunen Pflaster zu bekommen sind?
Ich frage in Geschäften, Apotheken und Drogerien nach dunkelbraunem Pflaster: Überall schaut man mich nur verdutzt an. Schließlich stoße ich bei meiner Recherche auf eine kleine Firma aus Bayern. Die hat solche Pflaster schon länger im Sortiment. Das Patent gehört einer Start-up-Unternehmerin, die dafür sogar mit einem Preis für die mutigste Geschäftsidee geehrt wurde. Doch irgendwie klappe es nicht mit dem Vertrieb, beklagt sich die Dunkel-Pflaster-Erfinderin im Internet.
Und was sagt der Marktführer für Wundpflaster dazu? Ich richte eine Presseanfrage an die Firma Beiersdorf, die die Marke Hansaplast europaweit vertreibt - ohne dunkle Pflaster. Ich will wissen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen den Hauttönen der Mehrheit der nordeuropäischen Bevölkerung und der hellbraunen Farbe der Hansaplast-Produkte. Die ungewöhnliche Frage irritiert die Beiersdorf-Sprecherin. Ihre ausweichende Antwort: "Die heutigen Brauntöne haben sich im Markt etabliert und werden von den Konsumenten akzeptiert."
Trifft diese Aussage auch auf die potenzielle Zielgruppe für dunkelbraune Pflaster zu? Ich hake bei meinen dunkelhäutigen Bekannten nach. Alle erklären mir, überhaupt kein Problem mit Pflastern zu haben, die heller als ihre Haut sind. Folglich fühlen sie sich durch die gängige Pflasterfarbe nicht diskriminiert. Wo liegt also das Problem? Das habe im Moment nur ich: Meine Frau zwingt mich jetzt, die Packung aufzubrauchen. Doch eigentlich ist das in Ordnung: Als hellhäutiger Mensch ein dunkles Pflaster zu tragen, finde ich auf jeden Fall politisch korrekt.
Jörg Dammann
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